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Unterwegs um die Welt. Das Maskottchen von „Holy Shit“ auf dem Autodach des Filmemachers.

© ThurnFilm

Im Kino: der muntere Dokumentarfilm „Holy Shit“: Mit Exkrementen die Welt retten

Sind menschliche Ausscheidungen wirklich nur Abfall, dessen Beseitigung Wasser und Energie verschleudert? Filmemacher Rubén Abruña bereist vier Kontinente, um das Gegenteil zu beweisen.

Aus Scheiße Gold machen, wenn das kein Menschheitstraum ist. Ihn träumen nicht nur gierige Kapitalisten, die aus der Beseitigung menschlicher Hinterlassenschaften eine lukrative Abwasserindustrie gemacht haben. Ihn träumen auch Umweltschützer, wie der Filmemacher Rubén Abruña einer ist.

Sein Dokumentarfilm „Holy Shit“ verhandelt in betont munterem Erzählton, den auf Deutsch Christoph Maria Herbst spricht, ein vermeintliches Ekelthema, das bei näherem Hinschauen selbstverständlich gar nicht so anrüchig ist. Zumindest, solange man genug Sägespäne in die Trockentoilette gibt. Diese Variante des guten alten Plumpsklosetts ist der Favorit der Protagonisten des in Puerto Rico geborenen und heute in Zürich lebenden Regisseurs.

Sonntagsdienst in Kampala/Uganda. Die „Poop Pirates“ leeren Trockentoiletteneimer und fahren sie zur Kompostieranlage.

© ThurnFilm/Ralf Weber

Mit einem dreidimensionalen Kackhaufen-Emoji auf dem Autodach tuckert der Filmemacher über vier Kontinente und fördert trotz und wegen seiner Weltverbesserungsabsichten reichlich bedenkenswerte Ideen und vorbildliche Projekte aus dem Klärschlamm. Damit reiht sich „Holy Shit“ in eine seit zehn Jahre stetig anschwellende Flut aktivistischer Dokumentarfilme ein, die sich mit Lebensmittelerzeugung, Landwirtschaft, Tierwohl und sonstigen Umweltfragen beschäftigen. Filmkunst ist darunter selten zu finden, dafür ist die Agenda wichtig.

Besonders auf einem Planeten mit acht Milliarden Menschen, die täglich ihr Geschäft verrichten. Allein in einer Großstadt wie Berlin fallen täglich 770 Tonnen Kacke an. Oder „Poop“, wie es auf Englisch gleich viel hübscher heißt. Was direkt zu den „Poop Pirates“ führt, einer Gruppe von ugandischen Komposttechnikern, die jeden Sonntagmorgen in einem Slum von Kampala ausschwärmen, um die vollen Plastikeimer der Trockentoiletten abzuholen und neue hinzustellen. Der Inhalt wandert in eine Kompostieranlage und verwandelt sich aufbereitet in Dünger für den Ackerbau.

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Dass das WC, die Spültoilette, die einstmals samt Kanalisation einen Durchbruch in der Seuchenbekämpfung der Industrieländer darstellte, heute – in Zeiten zunehmender Energie- und Wasserknappheit – eine Verschleuderung von Ressourcen darstellt, ahnt jeder, der mehrmals am Tag eine Toilettenspülung bedient. Die Vordenker der Kompost- und Vakuumtoiletten-Bewegung, die in „Holy Shit“ auftreten, wissen ihre Alternativmodelle von Schweden über Südkorea bis nach Eberswalde in Brandenburg bezwingend zu erklären.

Die Firma Finizio recycelt in Eberswalde/Brandenburg als erste deutsche Firma Exkremente.

© ThurnFilm/Christopher Rowe

Einer von ihnen ist Hamish Skermer, der mit feurigem Poop-Propheten-Enthusiasmus seit 20 Jahren aus den Ausscheidungen von Popfestival-Besuchern nährstoffreiche und schadstofffreie Düngererde gewinnt. In vielen Ländern darf sie aber bisher nicht legal auf Äcker gebracht werden. Anders als jahrzehntelang der mit Schwermetallen aus Industrieeinleitungen verseuchte Klärschlamm. Dessen gutgläubige Verwendung als Dünger hat der Milchbauer Fred Stone aus dem US-Bundesstaat Maine mit seiner Existenz bezahlt. Seine mit chemischen Rückständen kontaminierten Wiesen lassen keinen Milchverkauf mehr zu.

„Holy Shit“ ist gespickt mit solchen Tragödien und Heldengeschichten, wie die einer Wohnungsgenossenschaft in Genf, die es als erste ihrer Art in der Schweiz geschafft hat, Wohnungen ohne den obligatorischen Anschluss an die Kanalisation zu bauen. Weil sie ihre Abwässer und den Trockentoilettenkompost in einem eigenen Kreislauf sammeln und aufbereiten.

Das Know-how für eine nachhaltige Verwendung von Fäkalien ist also längst da. Überall auf der Welt. Fehlt nur noch die Bereitschaft der Menschen, ihre Ausscheidungen nicht als Abfall, sondern als wertvolle Quelle für Phosphat- und Stickstoff-Dünger zu begreifen. Und sich so wieder in die Kreisläufe der Natur einzureihen, statt sich als deren Beherrscher zu wähnen. Die Poop-Propaganda von „Holy Shit“ liefert ein flammendes Plädoyer dafür.

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