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Eine Szene aus „Das Humboldt-Tier“.

© Flix/Dupuis/Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

Die Favoriten der Kritiker: Aus dem Dschungel in den Himmel über Berlin

30 Comic-Fachleute aus deutschsprachigen Medien küren regelmäßig ihre Favoriten. Jetzt gibt es ihre Jahresbestenliste.

Von Martin Jurgeit

Alle drei Monate wählen 30 Kritikerinnen und Kritiker deutschsprachiger Medien die besten Comics des Quartals, jetzt steht der Jahressieger fest: Die herausragende Neuerscheinung 2022 war für sie „Das Humboldt-Tier – Ein Marsupilami-Abenteuer“ des Berliner Zeichners Flix, das auch einer der Comic-Bestseller des Jahres ist.

Mit seiner Neuinterpretation des frankobelgischen Dschungeltiers Marsupilami hat Flix, der lange auch für den „Tagesspiegel“ gearbeitet hat, nicht nur eine Hommage an diesen Klassiker abgeliefert, sondern auch eine unterhaltsame Geschichte, die sich in den Kanon der Gesamtserie einfügt.

Eine Szene aus „Das Humboldt-Tier“, in der Flix dem Illustrator Walter Trier seine Ehre erweist.

© Flix/Dupuis/Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

Flix hat dafür das Marsupilami ins Berlin der frühen 1930er Jahre versetzt, wo es sich mit der kleinen Berliner Göre Mimmi anfreundet. Daraus entspinnt sich eine rasantes Abenteuer voller Slapstick sowie zauberhafter Momente, die sogar in den „Himmel über Berlin“ führen.

Ein Comic-Abenteuer für die ganze Familie

Dabei gelingt Flix das Kunststück, einen Familien-Comic abzuliefern, in dem Erwachsene wie Kinder ihre Lieblingsszenen wiederfinden können. Genau dies war immer der Ansatz großer franko-belgischer Comic-Kunst, der heute nur noch sehr selten eingelöst wird – auch nicht mehr in der regulären „Marsupilami“-Serie.

Selbst die politischen Wirren am Vorabend der Nazi-Diktatur werden von Flix gekonnt in die Geschichte eingeflochten. Er bezieht dabei klar Position, ohne dass das Ganze zur moralinsauren Posse wird. Sein „Marsupilami“-Abenteuer ist nicht nur gut gemeint, sondern wirklich gut gemacht.

Damit schließt „Das Humboldt-Tier“ auch an Flix‘ vorherigen Ausflug ins franko-belgische Metier an. Vor vier Jahren erschien sein Album „Spirou in Berlin“, das damals in die Zeit der Mauerstadt der 1980er Jahre führte. Schon dieser Band begeisterte nicht nur das deutsche Publikum, sondern wurde später unter anderem auch auf Französisch in der belgischen Heimat von Spirou und Fantasio veröffentlicht.

Das Marsupilami auf dem Titelbild von Flix’ Album.

© Flix/Dupuis/Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

Das hat damals so gut geklappt, dass Flix‘ „Humboldt-Tier“ im vergangenen Herbst auf den Seiten des belgischen „Spirou“-Magazins vorveröffentlicht wurde. „Spirou“ wurde 1938 gegründet und ist die bedeutendste europäische Comic-Zeitschrift, in der nicht nur die namengebende Figur ihre Premiere feierte, sondern auch Comic-Legenden wie „Lucky Luke“, „Gaston“ oder „Die Schlümpfe“. Für einen Comic-Künstler in Europa dürfte es kein vergleichbares Schaufenster geben, um seine Werke einem großen Publikum zu präsentieren.

Das von Flix gezeichnete „Spirou“-Cover aus dem Oktober 2022.

© Spirou/Dupuis

Flix wurde in der Ausgabe 4408 vom 5. Oktober ein ganz besonderer Auftritt verschafft, gleich bei seiner allerersten Veröffentlichung in „Spirou“ durfte er nämlich auch das Titelblatt des Magazins gestalten und wurde in einem Interview vorgestellt, in dem ihm zum Schluss auch quasi eine Carte blanche für Comics mit anderen großen Stars des Blatts ausgestellt wurde.

Die weiteren Favoriten der Kritiker

Auf Platz 2 der Kritiker-Jahresbestenliste, deren Medienpartner neben dem Tagesspiegel der Sender rbbKultur, das Branchenblatt „Buchreport“ und die Online-Plattform Comic.de sind: Die Komponisten-Biografie „Stockhausen – Der Mann, der vom Sirius kam“ von Thomas von Steinaecker und David von Bassewitz.

Auf dem dritten Platz landete Lewis Trondheim spritzige „Asterix“-Parodie „Die neuen Abenteuer von Herrn Hase 6: Beim Teutates!“

Platz 4 belegt die Literaturadaption „Vernon Subutex“ des ehemaligen „Charlie-Hebdo“-Zeichners Luz.

Émile Bravos Album „Spirou oder: die Hoffnung“ mit dem Finale der Saga um die Jugendjahre des franko-belgischen Helden kam auf Platz 5.

Auf Platz 6 kam „Das Gutachten“, ein Politthriller von Jennifer Daniel aus der Bonner Republik.

Auf Platz 7: Das verstörende Familiendrama „Monster“ von Barry Windsor-Smith.

Platz 8 teilen sich die minimalistische Erzählung „Kein anderer“ von R. Kikuo Johnson sowie der argentinische (Anti-)Kriegs-Comic „Ernie Pike“ von Héctor Germán Oesterheld und Hugo Pratt.

Auf dem zehnten Platz findet sich Olga Lawrentjewa Familienchronik „Surwilo“ aus den düstersten Zeiten der Sowjetunion.

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