zum Hauptinhalt
Der Bahnhof von Breslau.

© dpa/Bernd Kubisch

Ausgebucht am Eröffnungswochenende: Kulturzug zwischen Berlin und Breslau fährt wieder

Historisch sind Berlin und Breslau eng miteinander verbunden. Wie gut, dass man jetzt wieder ohne Umsteigen zwischen den beiden Städten reisen kann.

Ein Kommentar von Bernhard Schulz

Im neunten Jahr rollt inzwischen der „Kulturzug“ zwischen Berlin und Breslau. Wie erfolgreich das Vorhaben einer umsteigefreien Verbindung zwischen den beiden Städten ist, die historisch so viel miteinander verbindet, war am vergangenen Eröffnungswochenende der Saison 2024 zu erleben – restlos ausgebucht der Zug, der, nun ja, nicht mehr als ein bescheidener Dreiteiler aus Dieseltriebwagen ist.

Nicht einmal durchgehend elektrifiziert ist die Strecke, vom zweiten Gleis ganz zu schweigen. Dabei wäre es längst Zeit für eine komfortable Verbindung im sagenhaften Tempo der Vorkriegszeit, das sich mitreisende Kenner mit „zwei Stunden“ zuraunten.

In Breslau ist alles modern, was Infrastruktur und Service angeht; auf diesen Gebieten hat der Osten Europas seit 1990 verwirklicht, was dem vorangehenden Realsozialismus versagt blieb: den Westen einfach mal zu überholen. Das Ganze in einem Stadtbild, das historisch scheint, sich aber in großen Teilen dem Wiederaufbau verdankt.

Breslau hat Berlin überholt

Wobei so manche Hausfassade schlichtweg „auf alt“ erfunden wurde, hübsch eingepasst etwa am weiten Viereck des Rynek, des Marktplatzes, heute eine einzige Touristenattraktion. Dass „neu“ auch sichtbar neu sein kann, zeigt das Nationale Musikforum, von außen ein Klotz, innen ein wunderbarer Organismus mit einem 1800-Plätze-Konzertsaal und drei kleineren Satelliten, und das diesmal erlebte Konzert, gemeinsam ausgerichtet vom Nachwuchs beider Orchesterakademien aus Berlin und Breslau, ein schierer Genuss.

Der Konzertsaal folgt übrigens nicht dem Modell des „Weinberg“, das der Architekt Hans Scharoun mit der Berliner Philharmonie erprobt hat, sondern bleibt beim älteren Einrichtungsbetrieb. Dass Scharoun, seit 1925 Professor an der Breslauer Kunstakademie, schon damals in jener zeitlos modernen, organischen Weise gebaut hat, zeigt sein „Ledigenwohnheim“ in der Werkbundsiedlung von 1929, am grünen Stadtrand von Breslau.

Sechs solcher Siedlungen hat der vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland gegründete Werkbund angeregt, angefangen mit Stuttgart 1927; später kamen noch Zürich, Wien und Prag hinzu. Breslau war als regionales Projekt angelegt, deswegen bleibt es bis heute eher weniger beachtet – aber nicht minder sehenswert. Und sei es allein wegen der Verbindung in Person von Hans Scharoun, sozusagen von Breslau nach Berlin. Heute aber zum Glück in beide Richtungen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false