zum Hauptinhalt
Auch ein Modehund: Der Zwergspitz, auch Pomeranian genannt, ist niedlich und passt in die Handtasche. 

© Getty Images/E+

Kranke Modehunde?: Berliner Forscher prangert Zucht-Trends an

Viele Hunderassen entwickeln Gesundheitsprobleme. Der Berliner Tierpathologe Achim Gruber nennt sie „Geschundene Gefährten“. Was muss sich ändern?

Kind-Ersatz, Statussymbol, Accessoire für stylishe Instagram-Bilder: Hunde spielen heute vielfach eine ganz andere Rolle für ihre Besitzer als noch vor wenigen Jahrzehnten. Gefragt sind zum Beispiel Mini-Varianten von Pudel, Zwergspitz oder Australian Shepherd, die niedlich aussehen und in die Handtasche passen. Zunehmend beliebt sind auch extravagante Farben: Labradore mit silbernem Fell, bläuliche Französische Bulldoggen oder Chihuahuas.

„Diese verdünnten Farben sehen sehr hübsch aus, aber es handelt sich nicht einfach um Varianten, sondern um echte Missbildungen, um schwere Gendefekte“, sagt der Tierpathologe und Autor Achim Gruber. Diese Tiere litten aufgrund der genetisch bedingten Pigmentstörung oft unter Hauterkrankungen und Haarausfall.

In der Natur gibt es keine Rassen, das Konzept ist menschengemacht.

Achim Gruber, Veterinärmediziner an der Freien Universität

Der Professor am Institut für Tiermedizin der Freien Universität (FU) Berlin will mit seinem Buch „Geschundene Gefährten“ aufklären über die Irrwege in der Rassezucht und Lösungen aufzeigen. Es erscheint am 2. Oktober, zwei Tage vor dem Welttierschutztag. „Wir haben viele Hunderassen total krank gezüchtet“, kritisiert der 57-Jährige. „In der Natur gibt es keine Rassen, das Konzept ist menschengemacht.“

Rassezucht führt zu Erbkrankheiten

Gruber sieht zwei fatale Fehlentwicklungen. Zum einen bemängelt der Wissenschaftler die Zucht hin zu krankmachenden Äußerlichkeiten, wie zum Beispiel die Kopf- und Schnauzenform von Möpsen, die schwer atmen und schlecht hecheln können. Kurzköpfige Hunde haben laut Deutschem Tierschutzbund oft mit Haut-, Ohren- und Augenproblemen sowie Kiefer- und Zahnfehlstellungen zu kämpfen. Der Großteil leide unter Atemnot, vertrage Hitze nicht gut und habe Schlafprobleme.

„Wir kennen heute weit über 80 verschiedene Krankheitsneigungen, Leiden und Sinnesstörungen, die als „Nebenwirkungen“ der gewünschten extremen Zuchtziele entstanden sind“, sagt Gruber. So erhielten nach Daten einer US-Studie mit krebskranken Hunden reinrassige Tiere diese Diagnose in einem deutlich jüngeren Alter als Mischlinge (Journal „PLOS ONE“, 2023).

„Geschundene Gefährten“ von Achim Gruber erscheint im Droemer-Verlag.

© Droemer Knaur

Darüber hinaus sind dem Tierpathologen zufolge rund 500 bis 800 Erbkrankheiten beim Hund bekannt - weit mehr als bei allen anderen gezüchteten Haustieren. Dies habe mit Inzucht zu tun. Eine Lösung sei zum Beispiel der sogenannte Retromops, bei dem andere Rassen eingekreuzt werden, damit die Tiere wieder eine längere Nase und weniger gesundheitliche Probleme bekommen. Auch Designer-Dogs wie Labradoodles oder Maltipoos könnten ein Lösungsweg sein, weil sie Mischlinge sind.

Gesetz kann Qualzucht nicht verhindern

Sogenannte Qualzuchten sind laut Tierschutzgesetz eigentlich verboten. Das Gesetz werde aber kaum umgesetzt, kritisiert Gruber. „Viele Züchter ignorieren es, und die zuständigen Veterinärbehörden schauen zumeist tatenlos zu.“ Eindeutige Defektzuchten füllten weiterhin in großer Zahl die Wartezimmer der Tierkliniken.

Was viele Halter niedlich finden, ist für die Tiere eine Qual.

Lea Schmitz, Verbandssprecherin des Deutschen Tierschutzbundes

Der Deutsche Tierschutzbund fordert ein Gesetz, das klar definiert, was Qualzucht ist. „Was viele Halter niedlich finden, ist für die Tiere eine Qual“, erläutert Verbandssprecherin Lea Schmitz. „Um bei Hunden, Katzen und Co. optische Merkmale wie Kulleraugen, ein bestimmtes Fellmuster oder eine flache Schnauze zu erreichen, nehmen Halter wie Züchter Tierleid in Kauf.“ Nicht nur die Zucht, sondern auch die Haltung, der Import sowie der Verkauf von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen sollte verboten werden – ebenso wie die Werbung mit ihnen, sagt sie.

Immer mehr Hunde und Katzen in Deutschland

Die Zahl der Hunde und Katzen ist bundesweit in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. 10,6 Millionen Hunde waren es nach Angaben des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF) im Jahr 2022. Dazu kommen 15,2 Millionen Katzen.

Der illegale Welpenhandel habe in der Corona-Zeit aufgrund des Haustier-Booms floriert, sagt Lea Schmitz. Beim illegalen Tierhandel seien zuletzt Französische Bulldoggen, Zwergspitze und Chihuahuas Spitzenreiter gewesen – also Rassen, die unter Qualzuchtmerkmalen leiden. Dies habe eine Auswertung des Tierschutzbundes ergeben.

„Nach meinem Eindruck verwechseln viele Menschen Hunde und Katzen mit Markenprodukten wie Autos oder Mode“, kritisiert Gruber. „Sie erwarten eine neue Lackierung, eine schickere Form, Farbe, einen neuen Spaßfaktor.“ Das Riesenproblem sei: „Die Varianten bei Hunden und Katzen sind Missbildungen und genetische Störungen, die mit teils schwerem Leid und Schäden einhergehen können.“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false