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Auf dem Weg in die fünfte Amtszeit: Wladimir Putin

© AFP/NATALIA KOLESNIKOVA

Was der Wahlsieg des Kremlchefs bedeutet : „Putin wird Russland in den nächsten sechs Jahren in einen totalitären Staat verwandeln“

Es ist ein Sieg mit vorgegebenen Rekordergebnissen. Wladimir Putin wird weitere sechs Jahre an der Macht bleiben. Experten erklären, welche Folgen das hat.

Ella Panfilowa feiert Wladimir Putin und damit vor allem sich selbst. Die Chefin der russischen Wahlkommission hat die ihr vom Kreml gestellte Aufgabe mit Bravour erfüllt. „In der Geschichte Russlands hat es so etwas noch nicht gegeben“, jubelt sie bei der Verkündung des Ergebnisses der Präsidentenwahl am Sonntagabend, als wäre die Bestätigung des 71-Jährigen im Amt des Staatsoberhauptes eine Überraschung.

Mehr als 87 Prozent der Wählerinnen und Wähler hätten dafür gestimmt, dass Putin bis 2030 Präsident bleiben kann. Ein „Rekord, beispiellos, so etwas gab es noch nie“, erklärt sie und verkündet gleich noch eine Bestleistung: Die Wahlbeteiligung habe bei fast 80 Prozent gelegen.

Putin wird Russland in den nächsten sechs Jahren in einen totalitären Staat verwandeln, der Krieg braucht und wie die Sowjetunion keine Zukunft hat.

Stefan Meister, Osteuropa-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik

Das beste Ergebnis erzielte Putin demnach in der vom terroristischen Kadyrow-Clan beherrschten Kaukasus-Republik Tschetschenien: 98,99 Prozent. Auch in den besetzten Gebieten der Ukraine, wo in den Wahllokalen Spezialeinheiten des russischen Geheimdienstes und der Armee eingesetzt waren, gab es überdurchschnittlich viele Stimmen für Putin.

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Der Kremlchef hat eine Erklärung für die hohe Wahlbeteiligung. Russland sei „gezwungen im Sinne des Wortes, mit der Waffe in der Hand die Interessen unserer Bürger“ zu verteidigen, sagt er bei einem Auftritt am Abend mit Blick auf den Angriffskrieg auf die Ukraine. Das habe die Bürgerinnen und Bürger mobilisiert. Die Proteste hätten ein Nachspiel, droht er der Opposition.

Zynische Bemerkungen über den toten Alexej Nawalny

Auf die Frage eines US-Korrespondenten spricht der Präsident dann zum ersten Mal den Namen des Mitte Februar im Straflager zu Tode gekommenen Oppositionellen Alexej Nawalny aus: „Was Herrn Nawalny angeht“, sagt er, „ja, er ist gestorben. Das ist immer ein trauriges Ereignis. Es gab bei uns auch andere Fälle, dass Menschen in Haft gestorben sind. Aber gibt es das in den USA etwa nicht?“

Russlands Opposition hatte am Sonntag, dem letzten Tag der dreitägigen Abstimmung, ein Signal des Protestes gesetzt.

Zehntausende waren in zahlreichen Städten ihrem Aufruf „Mittags gegen Putin“ gefolgt und genau um zwölf Uhr an den Wahllokalen erschienen. In Berlin hatte Julia Nawalnaja, die Witwe des Kreml-Gegners, an dem Protest teilgenommen, bevor sie ihre Stimme in der russischen Botschaft abgab.

Auf die mutigen Aktionen der Opposition müsse der Westen reagieren, fordert Margarita Zavadskaya, Russland-Expertin des Finnischen Instituts für Internationale Beziehungen. „Putin zu einem illegitimen Herrscher zu erklären, kann ein starkes Signal an die Opposition in Russland sein, dass Europa und der Westen insgesamt an ihrer Seite ist“, erklärt Zavadskaya. Die Kennzeichnung dieser Wahlen als illegitim werde das Regime in Russland nicht stürzen, aber es könne langfristig ein Beitrag sein für politische Veränderungen.

Julia Nawalnaja nahm am Protest an der russischen Botschaft teil.
Julia Nawalnaja nahm am Protest an der russischen Botschaft teil.

© dpa/Carsten Koall

Die Opposition, die bereits vielfältigen, in den letzten Jahren immer stärker werdenden Repressionen ausgesetzt ist, werde es in der bevorstehenden fünften Präsidentschaft Putins noch schwerer haben, ist Stefan Meister, Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik überzeugt.

Die Wahl und deren Deklaration markiere eine „erneute Metamorphose des Systems Putin, in dem der Staat keinerlei Spielräume mehr für die Gesellschaft lässt“. Beim heutigen Russland handele es sich um „ein repressives und aggressives System nach innen, dass sich durch den Krieg gegen die Ukraine und damit aus seiner Sicht den Westen legitimiert“.

Mit Blick auf Putins fünfte Amtszeit glaubt Meister, dass sich der Präsident noch weniger für gesellschaftliche Bedürfnisse interessieren dürfte. „Er wird Russland in den nächsten sechs Jahren in einen totalitären Staat verwandeln, der Krieg braucht und wie die Sowjetunion keine Zukunft hat.“

In der Ukraine wähnt sich der Kreml auf der Siegerstraße

Auch Russland-Experte Fabian Burkhardt rechnet mit mehr Unterdrückung. „Das Regime hat die automatische Gesichtserkennung, die Propagandamaschinerie, ideologische Indoktrinierung und Internetkontrolle massiv ausgebaut“, sagt der Mitarbeiter des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg. „Somit wird auch der Graben zwischen Exilopposition und der russischen Bevölkerung immer breiter werden.“

Burkhardt verweist allerdings auch darauf, dass die Wahlfälschungen und die Protestaktionen der Oppositionellen „nicht darüber hinwegtäuschen, dass Putin eine solide Basis in der Gesellschaft hat. Er könnte sich auch unpopuläre Entscheidungen in der Wirtschaftspolitik oder im Krieg gegen die Ukraine leisten.“

Die Wahlfälschungen und Protestaktionen der Oppositionellen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Putin eine solide Basis in der Gesellschaft hat.

Fabian Burkhardt, Mitarbeiter des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg

Burkhardt geht davon aus, dass Putin alles daransetzen werde, den Kampf gegen Kiew militärisch zu gewinnen. „Er spielt auf Zeit und wähnt sich auf der Siegerstraße.“ Von der Elite des Staates werde es keinen Widerstand geben. „Sie profitiert vom Krieg, ist angepasst oder eingeschüchtert.“

Die im Exil lebenden russischen Geheimdienstexperten Andrej Soldatow und Irina Borogan verweisen auf ihrer Web-Seite „agentura.ru“ auf einen Umstand, der die gegenwärtige Stabilität Russlands dennoch plötzlich infrage stellen könnte.

Diese Wahl mache Putin „natürlich zum Schlüsselelement des russischen Staates“. Aber das bedeute auch: „Wenn es den Führer nicht mehr gibt, stirbt sein Erbe mit ihm selbst.“

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