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Immer perfekt vorbereitet. David Naimon.

© Tin House/promo

Helle Dialoge: Between the Covers

Der amerikanische Independent-Verlag Tin House produziert einen vorbildlichen Literatur-Podcast. Das ist auch seinem Moderator David Naimon zu verdanken.

Eine Kolumne von Gregor Dotzauer

In dunklen Stunden, wenn das „heute-journal“ Juli Zehs jüngsten Streich „Zwischen Welten“ zum großen deutschen Gesellschaftsroman erklärt, oder Sophie Passmann im „Studio Orange“ des RBB ihre gesamte literarische Ahnungslosigkeit in flotte Ressentiments gegen profunde Kritik verwandelt, möchte man vor lauter Empörung aufschreien: Ach Amerika, du hast es besser!  Aber man soll sich von erhöhtem Blutdruck sein Urteil nicht diktieren lassen.

Die meisten Feuilletons haben alles Nötige zu Zeh gesagt, und Passmann hat man nach drei Sendungen wohl fürs erste den Strom abgestellt. Die kritischen Inseln mit den Leuchttürmen sind inmitten der pazifischen und atlantischen Wogen des Stumpfsinns keineswegs zahlreicher als hierzulande. Sie haben höchstens den Vorzug, dass ihre Leuchtfeuer besonders hell strahlen, wenn sie es denn tun.

Ein so einlässliches Gesprächsformat wie „Between the Covers“ sucht man im deutschen Podcast-Wesen jedenfalls vergeblich. Was David Naimon, der Moderator, hier ungefähr zweimal im Monat auf einer Strecke von bis zu drei Stunden präsentiert, wird dem erzählerischen und dichterischen  Werk der befragten Autorinnen und Autoren staunenswert gründlich, ernsthaft, klug und lebendig gerecht. Und das Beste ist: Man kann alles transkribiert nachlesen.

Gabrielle Bates kommt mit ihrem lyrischen Debüt „Judas Goat“ (in der jüngsten Folge) dabei nicht weniger zur Geltung als eine poetische Instanz wie Jorie Graham. Essayisten wie Teju Cole und Daniel Mendelsohn geben sich ein Stelldichein neben Romanciers wie Hernan Díaz oder Percival Everett.

Diversität ist auch sonst Programm: Die queere Mojave-Dichterin Natalie Diaz ist ebenso vertreten wie Layli Long Soldier vom Stamm der Oglala Lakota oder die derzeitige US-Poet-Laureate Ada Limón. Auf Deutschland bezogen kann man „Between the Covers“ getrost als literarisches Frühwarnsystem betrachten.

Die Reihe ist seit dem 2018 aus Kostengründen eingestellten „Tin House Magazine“ das Renommierstück des auch durch Autorenworkshops bekannten Independent-Verlags Tin House (tinhouse.com) mit Sitz in Portland, Oregon und New York City. In Form von „Crafting With Ursula“ gibt es mittlerweile sogar eine faszinierende Unterreihe. Auf den Spuren der Science-Fiction-Autorin Ursula K. Le Guin fragt sie mit eindringlichem Forschergeist danach, was zu den Voraussetzungen eines Erfindens fremder Welten gehört, das nicht in anthropomorphen Schemata steckenbleibt.

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