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Deborah Moses Sanks mit dem Preis für lesbische Sichtbarkeit.

© Morten Bäcker

Berliner Preis für lesbische Sichtbarkeit: Fotografin Deborah Moses Sanks ausgezeichnet

Arbeits- und Sozialsenatorin Cansel Kızıltepe hat die zum vierten Mal vergebenen Auszeichnung im Roten Rathaus an Deborah Moses Sanks verliehen. Außerdem wurden Aktivistin Annet CJ und der lesbisch-feministische Schabbeskreis geehrt.

Audre Lorde lächelt von einem großen Plakat im Foyer des Roten Rathauses. Was sich an diesem Freitagabend im dortigen Festsaal abspielte, hätte der US-amerikanischen Schriftstellerin, die sich in den Jahren vor ihrem Tod im November 1992 oft in West-Berlin aufgehalten hatte, wahrscheinlich gefallen.

Denn bei der vierten Verleihung des Berliner Preises für lesbische Sichtbarkeit wurde mit der Fotografin Deborah Moses Sanks eine Frau geehrt, die einiges mit der selbsterklärten „Schwarzen, Lesbe, Feministin, Mutter, Dichterin, Kriegerin“ Lorde gemeinsam hat.

Auf die 1949 in Washington D.C. geborene und wie Lorde in New York aufgewachsene Moses Sanks treffen die meisten dieser Bezeichnungen ebenfalls zu, allerdings ist ihr Medium nicht der Text, sondern die Fotografie. Begeistert von den Aufnahmen im Magazin „National Geographic“ stellte sie sich schon als Kind vor, „selbst einmal einen Beitrag zu dieser Bildersammlung“ zu leisten, wie sie in ihrer Dankesrede erzählt.

Sie studiert Fotografie und verwirklicht unter anderem in Nicaragua und Angola dokumentarische Projekte. Als sie zu Beginn der nuller Jahre nach Berlin kommt, geht sie zum Verein „Adefra – Schwarze Frauen in Deutschland“ – rund 20 Jahre nachdem er sich inspiriert von Audre Lorde gegründet hat.

Deborah Moses Sanks bezeichnet es als die Ehre ihres Lebens, die Arbeit des Vereins fotografisch dokumentieren zu können. Sie habe bei Adefra zudem „Hartnäckigkeit und Widerstandskraft“ gelernt. In den Laudatio-Reden der Jurorinnen Mary und Saideh Saadat-Lendle kommt die Sprache immer wieder auf die empowernde Wirkung, die von der Arbeit und der Persönlichkeit der Preisträgerin ausgeht.

In dieser Hinsicht schlägt die stets elegante Anzüge tragende 74-Jährige gerade ein weiteres Kapitel auf: Wie sie in ihrer Rede verrät, hat sie kürzlich einen Vertrag mit einer Model-Agentur unterschrieben. „Ich möchte 50, 60, 70 und 80 Jahre alte Frauen inspirieren, neue aufregende Dinge anzufangen“, sagt sie. „Raus aus der Komfortzone und rein in die eigene Kraft“ – das gibt Deborah Moses Sanks vor allem Queers und PoCs mit auf den Weg.

Der seit 2018 alle zwei Jahre am Tag der lesbischen Sichtbarkeit vergebene und mit 5000 Euro dotierte Preis wurde erstmals von Arbeits- und Sozialsenatorin Cansel Kızıltepe (SPD) überreicht, die auch für Antidiskriminierung zuständig ist. Sie freut sich, dass sich in diesem Jahr mehr Menschen als je zuvor mit Vorschlägen für die Auszeichnung beteiligt haben.

Rund 150 Nominierungen gingen in ihrem Haus ein – dreimal so viele wie beim letzten Mal. Auch die rund 100 Personen im Saal, darunter viele bekannte Gesichter wie Berlins Queerbeauftragter Alfonso Pantisano, wertet Kızıltepe als Zeichen für „die Beliebtheit und den Rückhalt des Preises in der Community“.

Auch die Shortlist-Nominierten bekommen diesmal ein Preisgeld

Eine fünfköpfige unabhängige Jury wählte aus den Einreichungen zunächst eine dreiköpfige Shortlist, um daraus dann die Gewinnerin zu küren. Neben Deborah Moses Sanks stehen auf dieser Liste der lesbisch-feministische Schabbeskreis sowie die Aktivistin Annet CJ. Letztere verpasst ihre Laudatio, weil sie auf der von ihr mitorganisierten Fahrraddemonstration zum Tag der lesbischen Sichtbarkeit in Schöneberg unterwegs ist.

Allerdings schafft sie es wenig später rechtzeitig auf die Bühne, um Urkunde und Blumen entgegenzunehmen – und hat gleich eine Anmerkung für den Regierenden: „Wir müssen nochmal über die Fahrradstellplätze vor dem Roten Rathaus reden.“ Auch die Themen mentale Gesundheit, Mehrfachdiskriminierung und Hilfsangebote für Eltern queerer Schüler*innen bringt sie treffend und sympathisch in ihrem kurzen Redebeitrag unter.

Auf Vorschlag der Jury erhalten auch die Shortlist-Nominierten in diesem Jahr einen Geldpreis, 1000 Euro stellt Senatorin Cansel Kızıltepe pro Nominierung bereit. Darüber können sich nun auch die Macherinnen des lesbisch-feministischer Schabbeskreises freuen. 1984 nach einem Vortrag von Jessica Jacoby im autonomen Lesbentreff Lestra in West-Berlin gegründet, traf er sich fünf Jahre lang einmal die Woche.

Es sei darum gegangen, die weibliche Seite des Judentums sichtbar zu machen, erklärt Laudatorin Sharon Adler und fügt an, dass Jüd*innen heute wie damals wieder Ausgrenzung und Entsolidarisierung erlebten – auch innerhalb der queeren Community.

Sie beendet ihre Rede, in der sie auch auf die Freilassung der israelischen Geiseln aus der Gewalt der Hamas fordert, mit den Worten „Schabbat schalom“, denn gerade hat der Schabbat begonnen. Wozu die Ehrung des 1989 aufgelösten Schabbeskreises gut passt. Drei der damaligen Mitglieder sind ins Rathaus gekommen.

Unter ihnen ist Jessica Jacoby, die sagt: „Die Gruppe war nicht lesbisch, queer, feministisch oder jüdisch, sondern immer alles gleichzeitig.“ Gelebte Intersektionalität in den 1980ern – wieder sichtbar gemacht im Roten Rathaus der Gegenwart.

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