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Medien: Erklären, was passiert

„Tagesthemen“ und „heute-journal“ machen die Nachricht begreifbar

Zwölf Menschen saßen mit hochroten Ohren vor dem Bildschirm, denn sie waren „Versuchspersonen". Sorgfältig hatten wir sie ausgewählt – nach Geschlecht, Alter und Bildung. Ihre Aufgabe war es, die „Tagesschau“ genau zu beobachten und uns, den Fernsehgewaltigen, dann zu sagen, wie viele und welche Nachrichten in ihrem Gedächtnis hängen geblieben seien.

Das Ergebnis war niederschmetternd. Drei oder vier Nachrichten konnten unsere „Versuchspersonen“ noch einigermaßen klar wiedergeben. Darunter natürlich der Wetterbericht. Der Rest war zu einem konfusen Brei zusammengeschmolzen. Diese Erkenntnis war der erste Schritt zu dem Entschluss, die „Tagesschau“ und die Sendung „heute“ des ZDF durch umfassende Informationsausgaben zu ergänzen, am späteren Abend und in doppelter Länge. Nach jahrelangen Debatten und nach vielen Auseinandersetzungen wurden die „Tagesthemen“ und das „heute-journal“ ins Programm gehoben – am 2. Januar 1977.

Die beiden Spätsendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind in der Zwischenzeit zu einem festen Bestandteil der Informationsschiene geworden. Das ZDF hat in der Zuschauergunst einen, wenn auch nur kleinen, Vorsprung gewonnen. Das hat aber mit der Qualität wenig zu tun. Der deutsche Mensch geht gegen 22 Uhr ins Bett, nur Hartnäckige und Wissensdurstige bleiben bis 23 Uhr am Bildschirm hängen. Und wie die beiden Sendungen nicht von Ansagern vorgetragen, sondern moderiert werden, spielt auch die Sympathie oder das Gegenteil eine Rolle bei der Zahl der Zuschauer. Viele haben sich im Laufe der Jahre um die Aufmerksamkeit des Publikums bemüht. Um nur ein paar Namen zu nennen: der unvergessene Hanns Joachim Friedrichs, Ernst Dieter Lueg, Dieter Kronzucker, Klaus Bresser, Sabine Christiansen, Helmut Reitze, Edmund Gruber und Gabi Bauer. Für viele dieser Moderatoren waren die „Tagesthemen“ und das „heute-journal“ ein Sprungbrett für größere Aufgaben, die sie inzwischen mit wechselvollen Erfolgen lösen oder das zumindest versuchen.

Heute – am 25. Jahrestag - ist die nächste Generation am Zuge. In der ARD sind Ulrich Wickert und Anne Will am Ruder, beim ZDF werden sich – nach dem Ausscheiden von Wolf von Lojewki – Claus Kleber, Marietta Slomka und Klaus-Peter Siegloch um die Gunst der Zuschauer bemühen. Jeder und jede entwickelt einen eigenen Stil, um die Zuschauermassen zu beeindrucken. Da reihen sich journalistische Glanzleistungen an lässliche Fehltritte. Niemand sollte aber vergessen, dass er/sie nur über eine geliehene Popularität verfügt. Der Ruhm von heute kann sehr schnell verblassen. Selbstüberschätzung lässt die Menge der Stolpersteine über Nacht zu unüberwindbaren Hindernissen für weitere Großtaten anwachsen. Wichtiger als die Damen und Herren, die ihr Gesicht der Menge präsentieren, sind gestern wie heute die Redakteure hinter den Kulissen, die alle Kärrnerarbeit leisten.

Die „Tagesthemen“ und das „heute-journal“ waren nie vor politischer Anfeindung sicher. Die Vorwürfe gingen so weit, dass man den Machern „verantwortungslose Panikmache“ vorwarf, wie es Franz-Josef Strauß getan hat, oder die Behauptung aufstellte, das Fernsehen haben den Wahlsieg der rot-grünen Koalition herbeigeführt. Dumm-dreist sind solche unbewiesenen Beschuldigungen.

Natürlich gab es in den 25 Jahren auch viele heitere Erlebnisse. Unvergessen der Protest des einstigen Chefsprechers der „Tagesschau“, Karl-Heinz Köpcke, der während der Sendung laut mit dem Papier raschelte und dann auch noch gähnte, weil ihm bei den „Tagesthemen“ nur der zweite Platz zugewiesen wurde. Doch heute erregt sich das Publikum lieber über die Frage, wann Anne Will sich endlich die Haare kürzen lässt oder Klaus-Peter Siegloch sich eine neue Brille kauft.

Gebührender Glückwunsch an alle, die sich um die beiden großen Informationssendungen kümmern. Und Respekt davor, wie sie mit dem schnellen Ansturm der Technik fertig werden. Unsere „Versuchspersonen“ von damals hätten ihre reine Freude daran.

Claus Hinrich Casdorff

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