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Update

Uni entzieht den Doktortitel: Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner tritt zurück

Die Universität Rostock entzieht Manja Schreiner ihren Doktortitel. Die CDU-Politikerin tritt als Verkehrssenatorin zurück – und kündigt Widerspruch gegen die Entscheidung der Uni an.

| Update:

Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) hat nach einer Aberkennung ihres Doktortitels durch die Universität Rostock ihren Rücktritt erklärt. „Dies tue ich, um Schaden vom Berliner Senat abzuwenden“, sagte die 46-Jährige am Dienstag vor Journalisten.

Die Uni habe ihr mitgeteilt, dass sie ihr ihren 2007 verliehenen Doktorgrad entziehen werde. „Aus diesem Grund habe ich den Regierenden Bürgermeister von Berlin gebeten um eine Entlassung vom Amt als Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt“, sagte Schreiner.

„Ich habe an keiner Stelle meiner Dissertationsarbeit vorsätzlich getäuscht oder betrogen. Als Privatperson werde ich deshalb gegen diese Entscheidung der Fakultät Widerspruch einlegen“, erklärte Schreiner.

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Die Juristin war vor einem Jahr, am 27. April 2023, als Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt im schwarz-roten Senat in Berlin angetreten.

Schreiner promovierte 2007 an der juristischen Fakultät der Universität Rostock zum Thema „Arbeitnehmerberücksichtigung im Übernahmerecht“. Anfang August wurden erste Plagiatsvorwürfe gegen die Arbeit erhoben. Schreiner bat daraufhin die Universität, ihre Dissertation zu prüfen und verzichtete seitdem auf das Tragen ihres Doktortitels

Schreiner und die CDU wissen nach Tagesspiegel-Informationen schon seit mehreren Tagen von der Aberkennung des Doktortitels. Nur die genauen Gründe und Schwere der Vergehen erfuhr man offenbar erst kurzfristig.


Wegner entlässt Schreiner „schweren Herzens“

Der Regierende Bürgermeister informierte die Senatorinnen und Senatoren in der Senatssitzung am Dienstag über das Rücktrittsgesuch. Wegner sagte am Mittag in einem Statement, er werde Schreiner auf ihren Wunsch hin als Senatorin entlassen.

„Ich tue dies schweren Herzens“, sagte Wegner im Roten Rathaus. „Manja Schreiner ist ein Gesicht und eine Stimme für eine dringend notwendige Verkehrswende in unserer Stadt, die die Ideologie der letzten Jahre überwindet und ersetzt durch pragmatische und lösungsorientierte Politik.“

Berlins Regierender Bürgermeister äußerte sich im Roten Rathaus zum Rücktritt von Manja Schreiner.

© dpa/Christoph Soeder

Sie habe in ihrer Zeit als Senatorin die richtigen Schwerpunkte gesetzt und sich für eine Verkehrspolitik eingesetzt, die alle Verkehrsteilnehmer in den Blick nimmt. „Umso größer ist mein Respekt vor der Entscheidung von Manja Schreiner, um Entlassung zu bitten“, sagte Wegner. Damit zeige sie „einmal mehr, dass sie bereit ist, ihre persönlichen Interessen hinten anzustellen. Eine solche Haltung ist bemerkenswert“, sagte der Regierende Bürgermeister.

Zu einer möglichen Nachfolge sagte Wegner nichts. „Da sie mich heute Morgen um Entlassung gebeten hat, wird es Sie nicht verwundern, dass ich heute noch keine Kandidatin oder einen Kandidaten präsentieren kann“, sagte Wegner vor Journalisten. Er werde zeitnah Gespräche führen. „Hier geht es nicht um Schnelligkeit, hier geht es um Gründlichkeit. Hier geht es darum, eine Person zu finden, die für diese unideologische Verkehrspolitik weiter eintritt – dass wir die Spaltung dieser Stadt, die eine grüne Verkehrssenatorin hinterlassen hat, überwinden.“


Wie die Uni Rostock die Aberkennung begründet

Die Universität Rostock bestätigte in einer Mitteilung am Dienstag die Aberkennung des Doktortitels. Schreiner sei am Montag, dem 29. April – ihrem Geburtstag – offiziell über das Ergebnis der Prüfung informiert worden.

„Kritisiert wird vor allem die Anzahl der wörtlichen Übernahmen, die nicht als wörtliche Textübernahmen den wissenschaftlichen Zitiergepflogenheiten entsprechend mit Anführungszeichen ausgewiesen sind“, heißt es in einer Mitteilung. Zwar habe Schreiner überwiegend Originalquellen angegeben und zitiert, jedoch sei der Fakultätsrat der Ansicht, dass die Übernahmen fremder Textpassagen auf die Arbeit „einen so prägenden Einfluss nehmen, dass deren Anfertigung nicht mehr dem Gebot der Eigenständigkeit entsprechen“.

Manja Schreiner während der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus am 1. Februar 2024.

© dpa/Soeren Stache

Nicht gesetzte Anführungszeichen würden zwar eine andere qualitative Bewertung zulassen als das Verschweigen der wörtlichen Übernahme des Textes sowie der Originalquelle, hieß es von der Uni. Insofern unterscheide sich der Fall Schreiner von anderen bekannt gewordenen Fällen wie denen des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg und der früheren Bildungsministerin Annette Schavan ab.

„Die Anzahl der wörtlich übernommenen Textfragmente gibt der Arbeit aber gleichwohl eine so starke Prägung, die das vorliegende Verfahren wiederum allein in quantitativer Hinsicht auch von Fällen unterscheidet, die (wie etwa der Fall Steinmeier) unter der von der verwaltungsgerichtlichen Praxis herausgearbeiteten ‚Erheblichkeitsschwelle‘ verbleiben“, erklärte die Uni.

Aufgrund der Menge der Fehler und ihrer qualitativen Gewichtung genüge das Werk aus Sicht des Fakultätsrats nicht den Ansprüchen an eine wissenschaftliche Arbeit.

Deshalb habe der Fakultätsrat der Juristischen Fakultät den Beschluss gefasst, Manja Schreiner den 2007 verliehenen Doktortitel wieder zu entziehen.


Landespolitik reagiert auf Schreiners Rücktritt

Auch die Berliner Landespolitik reagierte am Dienstag auf Schreiners Rücktritt. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), die einst selbst wegen des Verlusts ihres Doktortitels vom Amt der Bundesfamilienministerin zurücktrat, sagte nach der Senatssitzung: „Es ist nicht in meiner Hand, diesen Schritt zu bewerten. Ich bedauere das, ich respektiere das.“ Die Zusammenarbeit mit Manja Schreiner bewertete Giffey als „sehr gut“.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh erklärte: „Wir danken Frau Schreiner für die gute Zusammenarbeit im Senat und mit den Fraktionen. Wir nehmen ihre Entscheidung mit Respekt zur Kenntnis. Frau Schreiner hat sich stets dafür eingesetzt, verschiedene Interessen auszugleichen und die Mobilitätswende in Berlin weiter voranzutreiben.“

Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte dem Tagesspiegel, dass er die Entscheidung „mit Bedauern und Respekt zur Kenntnis“ nehme. „Ich habe sehr gern mit Manja Schreiner gearbeitet. Es war eine vertrauensvolle und angenehme Zusammenarbeit, auch wenn wir bei einigen Themen unterschiedlicher Ansicht waren.“ Die Entscheidung sei folgerichtig, „um Schaden von dem Amt abzuwenden“, sagte Schopf.

Eine Leerstelle auf diesem Posten kann sich unsere Stadt nicht leisten. Dafür sind die Löcher, die Manja Schreiner hinterlässt, von Verkehrswende-Stopp bis BVG-Krise, viel zu groß.

Werner Graf, Grünen-Fraktionschef

Grünen-Fraktionschef Werner Graf nannte Schreiner Rücktritt nach der Aberkennung des Doktortitels „den einzig möglichen Schritt“: „Wer getäuscht und Privilegien missbraucht hat, muss Konsequenzen ziehen.“ Die Stelle der Verkehrssenatorin müsse zügig neu besetzt werden.

Der Oppositionspolitiker attackierte zugleich Schreiners Arbeit der Verkehrssenatorin: „Eine Leerstelle auf diesem Posten kann sich unsere Stadt nicht leisten. Dafür sind die Löcher, die Manja Schreiner hinterlässt, von Verkehrswende-Stopp bis BVG-Krise, viel zu groß.“

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AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker dagegen lobte Schreiners Arbeit als Verkehrssenatorin und nannte sie „eine positive Abwechslung zu ihren rein ideologisch motivierten Vorgängern“. „Sie war erkennbar bemüht, die vielfältigen verkehrlichen Interessen der Berliner unter einen Hut zu bekommen, anstatt wie ihre Vorgänger die Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen.“

Schreiner zeige mit ihrem Rücktritt „politischen Anstand“, erklärte Brinker. „Auch damit ist sie ein positives Gegenbeispiel zu vielen anderen Politikern, die bei weit gravierenderen und vor allem unmittelbar ihre politische Arbeit betreffenden Missständen an ihren Ämtern kleben.“

Der Verein Changing Cities, der Schreiner seit deren Amtsantritt regelmäßig kritisiert hat, hielt ihr „Blockieren, Verzögern, Verwässern und Verhindern von Radinfrastruktur und Verkehrsberuhigung“ vor. Sie habe als Verkehrssenatorin enormen Schaden angerichtet. „Schade, dass Manja Schreiner nicht für ihre verfehlte Verkehrspolitik zurücktritt, denn dazu gab es Grund genug.“ Eine Verkehrspolitik, in der das Wort Miteinander zu einer leeren Floskel gemacht worden sei, statt die Infrastruktur auf der Straße zu verbessern, helfe niemandem. Nötig seien starke Alternativen zum Auto.

Der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland (TMV) bedauerte Schreiners Rücktritt. „Manja Schreiner verdient Respekt für ihre Konsequenz, die in der heutigen Politik leider eher die Ausnahme ist“, teilte er mit. Sie sei als Verkehrspolitikerin eine kompetente Ansprechpartnerin mit einem stets offenen Ohr und Herz für das mittelständische Taxi- und Mietwagengewerbe gewesen. „Wir hoffen sehr, dass der Regierende Bürgermeister in diesem Sinne ihre Nachfolge regelt.“


Fall Schreiner: Rechtsprofessor berichtete über „Bauernopfer“

Öffentlich geworden war der Fall seinerzeit durch einen Fachartikel in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“. Dort hatte der Frankfurter Rechtsprofessor Roland Schimmel über sogenannte „Bauernopfer“ in akademischen Arbeiten berichtet und in diesem Zuge Schreiners Arbeit als Beispiel genannt. Unter dem Begriff verstehen Plagiatsjäger unsauber markierte Textübernahmen aus anderen Arbeiten.

Schreiner hat von 1996 bis 2001 Rechtswissenschaften an der Universität Rostock studiert. Nach dem Referendariat schloss sie ein Masterstudium in Internationalem und Europäischem Wirtschaftsrecht an. Von 2005 bis 2007 promovierte sie in Rostock.

Danach arbeitete sie unter anderem beim Kreuzfahrtunternehmen Aida Cruises, als Rechtsreferentin beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und als Leiterin der Rechtsabteilung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks. Bevor sie in den Berliner Senat wechselte, war sie als Hauptgeschäftsführerin bei der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg tätig.

Manja Schreiner gilt als Vertraute des Regierenden Kai Wegner

Schreiner war zeitweise auch stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner CDU. Sie gilt als Vertraute des Parteivorsitzenden und Regierenden Bürgermeisters Wegner, der sich im April 2023 in den Senat holte. Als Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt – so die offizielle Bezeichnung ihres Ressorts – stieß Schreiner mit etlichen ihrer Entscheidungen auf Kritik aus der Stadtgesellschaft.

Kritiker aus anderen Parteien warfen ihr vor, nach den Bemühungen der rot-grün-roten Vorgängerregierung um eine ökologische Verkehrswende wieder stärker eine Mobilitätspolitik für das Auto zu machen. (mit dpa)

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