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Gelb geärgert: Die Selbstmitleidskampagne der FDP erregt zumindest Aufmerksamkeit. Das ist auch nötig, denn in den Umfragen ist die Partei derzeit statistisch nicht nachweisbar.

© Manfred Thomas

Wahlkampf in Brandenburg: Schafft die FDP sich selbst ab?

In Brandenburg wird am 14. September der Landtag neu gewählt. Um die Bürger auch in den Ferien zu erreichen, lassen sich die Parteien viele Verrücktheiten einfallen. Die SPD lädt zum Strohballenfest, aber vor allem die Liberalen fallen auf - mit dem Slogan "Keine Sau braucht die FDP".

FDP - Braucht wirklich keiner die Liberalen?

Gregor Beyer, der FDP-Spitzenkandidat, geht nicht ans Telefon. Die Mailbox springt an: „Keine Sau braucht die FDP!“, erklärt Beyer mit sonorer Stimme. „Leider kann ich Ihren Anruf daher nicht entgegennehmen!“ Dann folgt ein Hinweis für Journalisten: „Gerne lade ich Sie zu diesem Thema für Donnerstag zu einer Pressekonferenz.“ Dort wollen die Liberalen das Geheimnis um ihre aktuelle Kampagne lüften, die man als Kapitulation verstehen kann: „Keine Sau braucht die FDP!“ So steht es auch landesweit auf den blau-gelben Großplakaten. Mit denen hat Beyers Truppe zumindest, anders als sonst, Aufmerksamkeit erreicht. Tja, und der Text entspricht sogar der letzten Umfrage, nach der die Liberalen, die erst 2009 nach eineinhalb Jahrzehnten Abwesenheit den Sprung in Brandenburgs Landtag geschafft hatten, „statistisch nicht nachweisbar“ waren. Nun setzen sie auf den Mut der Verzweiflung, um den drohenden Untergang abzuwenden.

SPD - Mit dem Ministerpräsidenten beim Strohballenfest

Wittbrietzen, ein 500-Seelen-Ort südlich von Potsdam, Montagabend. Kinder toben auf Strohballen, die als Hüpfburg am Dorfplatz aufgebaut sind. Alte Trecker stehen herum. Die Sozialdemokraten haben zum „Strohballenfest“ mit Dietmar Woidke geladen, dem Spitzenkandidaten und Ministerpräsidenten. Es gibt Grillwurst, Bier, eine Band von Mittfünfzigern spielt auf. Tatsächlich ist fast das ganze Dorf erschienen, gut 400 Leute. Die Bänke vor der mobilen Bühne auf einem Lkw sind restlos gefüllt. Klara Geywitz, die SPD-Generalsekretärin, ist zufrieden. „Das Format funktioniert. Es kommen Leute, die wir sonst nicht erreichen würden.“ Es ist ein sehr brandenburgischer Wahlkampf, den Woidke macht, ganz auf die Provinz zugeschnitten. Und als früherer Agrarminister weiß er, was hier ankommt und was nicht. Also dauert seine Rede keine zehn Minuten.

Er erinnert daran, wie hoch die Arbeitslosigkeit vor zehn Jahren war, „zwölf Prozent, jetzt sind es sechs“. Er warnt davor, sich auszuruhen, verspricht mehr Lehrer, mehr Kita-Erzieher, ehe zum Schluss kurz Werbung in eigener Sache folgt. „Bitte sorgen Sie am 14.September dafür, dass Brandenburg in guten Händen bleibt.“ Das war’s, und das kommt an. Dann zieht er von Tisch zu Tisch. Zwischendurch drängen sich BER-Gegner zu ihm durch, um gegen eine drohende dritte Startbahn zu protestieren. Zwanzig Strohballen-Veranstaltungen absolviert Woidke in dieser auf die Ferienzeit zugeschnittenen Auftaktphase, ehe ab Ende August klassische politische Veranstaltungen folgen. Den verkappten Wahlkampf, den er tagsüber macht, nicht eingerechnet. Als Regierungschef informiert sich Woidke täglich auf einer „Sommerreise“ durchs Land in Firmen und Einrichtungen, Medien sind willkommen. So ist Woidke mit Abstand der präsenteste Politiker im Land. Es geht ja auch um alles für die SPD, die im „roten“ Brandenburg zuletzt Bundestagswahl und Kommunalwahl verlor. Allein 1,7 Millionen Euro geben die Genossen für den Landtagswahlkampf aus – mehr als CDU und Linke zusammen.

CDU - Der Spitzenkandidat präsentiert Fotos aus seiner Kindheit

Michael Schierack, der CDU-Spitzenkandidat, lässt es ruhig angehen. Er tourt durchs Land, am Mittwoch etwa durch die Uckermark, drei Stationen hat sein „Brandenburg-Check“ an diesem Tag: eine Metallfirma, das Ökodorf Brodowin, dann die „Sicherheitsinitiative Uckermark“, die sich 2012 wegen der dramatischen Grenzkriminalität gegründet hatte. Es ist kein Vergleich zum Pensum, das Jörg Schönbohm einst auf sich nahm, als er 1999 die SPD-Alleinherrschaft brach und die CDU in die Regierung führte. Auf die Marktplätze will Schierack erst ab Ende August ziehen, bei der Tour sind lediglich acht Veranstaltungen geplant. Zusätzlich gibt es drei Kundgebungen mit Kanzlerin Angela Merkel. Das 750.000-Euro-Budget, so heißt es, lasse nicht mehr zu. Und so reicht es auch bei der gut gemachten Hochglanzbroschüre über Schierack, mit Fotos aus seiner Kindheit, mit Leuten aus seinem Lausitzer Dorf, nur für eine Auflage von 15 000 Exemplaren. Bückware, gewissermaßen, in einem Land mit gut 2,1 Millionen Wahlberechtigten. Tausend Großplakate sind geplant. Die erste Welle spricht Reizthemen an: „Warum wird nur jeder 5. Einbruch aufgeklärt?“ Oder, vor dem Hintergrund einer Buckelpiste: „Warum komme ich nicht vernünftig zur Arbeit?“ So will Schierack auch nicht von einem gebremsten Wahlkampf sprechen. Wie vorsichtig die Union operiert, zeigt indes das Großplakat zur Bildungspolitik. „Warum fällt an meiner Schule so viel Unterricht aus?“, fragt da ein Mädchen. Als Opposition im Landtag hatte die Union seit 2009 angeprangert, dass in Brandenburg jedes Jahr eine Million Stunden nicht regulär erteilt werden. Nun steht auf dem Plakat: 240.000 Stunden fallen unter Rot-Rot aus. Das ist die offizielle, von der CDU als Schönfärberei gegeißelte Zahl des Bildungsministeriums, ohne Vertretungen oder Selbstbeschäftigungen von Schülern.

Linke - Der Finanzminister reist den Wählern in den Urlaub nach

Christian Görke, der Linke-Spitzenkandidat und Finanzminister, verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen. Er kämpft nach Auftritten und Veranstaltungen im Land am Wochenende an der Ostsee um Stimmen, auf Strandpromenaden zwischen Heringsdorf und Zingst, „weil da auch viele Brandenburger Urlaub machen“. Das Großplakat, mit dem die Linken starten, lädt zum Sinnieren ein. Ein idyllischer See, ein Steg, und dieser Text: „Das ist nicht Berlin. Das ist Brandenburg.“ Görke macht keinen Hehl daraus, dass man dabei auch mit Animositäten spielt. Es sei ein hochpolitisches Plakat, sagt er. „Wie anders Berlin ist, haben wir gerade erst am BER beim Umgang mit dem Nachtflugverbot gesehen.“ Für die Linken geht es darum, erstmals nach einer Regierungsbeteiligung – anders als in Berlin – nicht in der Wählergunst zu verlieren, Rot-Rot fortsetzen zu können. Deshalb wird auch Bundesprominenz wie Gregor Gysi, die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger beim Wahlkampf der Brandenburger dabei sein.

Grüne, AfD, Piraten - Auch die kleineren Parteien machen einen Ferien-Wahlkampf

Noch ist Ferienzeit; die Wahl ist für viele Märker weit weg. Auch die anderen, kleineren Parteien nehmen darauf Rücksicht. „Gutes Morgen, Brandenburg“, steht auf dem Großplakat der Grünen, das eine intakte märkische Landschaft zeigt, mit einigen Windrädern, einem Dorf, weidenden Kühen. Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher ist im Lande unterwegs, paddelte am Wochenende in der Prignitz. Die eigentliche Kampagne soll ab Ende August folgen, etwa mit Aktionen gegen die Braunkohle und die Massentierhaltung. Die konservative Alternative für Deutschland, die mit dem Publizisten Alexander Gauland antritt und nach letzten Umfragen den Sprung ins Parlament schaffen könnte, bleibt bislang in Deckung. Und die Piraten, die im Unterschied zu Berlin in Brandenburg kaum verankert sind, machen ihren Wahlkampf bisher ganz virtuell. Online only.

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