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Aus Sicherheitsgründen hat die Polizei zahlreiche ihrer Dienstfahrräder stillgelegt.

© imago/Stefan Zeitz

Fahrradstaffel ohne Fahrräder : Berliner Polizei zieht 155 Diensträder aus dem Verkehr

Aus Sicherheitsgründen hat die Polizei zahlreiche ihrer Fahrräder stillgelegt – schneller Ersatz ist nicht in Sicht. Die Arbeit der Fahrradstaffel liegt weitgehend brach.

| Update:

Die Beamten der Berliner Fahrradstaffel dürfen nicht mehr aufs Rad. Die Polizeiführung hat Mitte vergangener Woche aus Sicherheitsgründen die Benutzung von 87 Diensträdern des deutschen Herstellers Stevens verboten.

Anlass war ein Vorfall bei einem Fahrtraining von Beamten eines Abschnitts, bei dem es „zu einem kompletten Versagen der Vorderradbremse“ kam. So steht es in einem Schreiben der Polizeiführung, das dem Tagesspiegel vorliegt. Zuerst hatte die „Berliner Zeitung“ berichtet.

Das ist nicht das einzige Problem: „Derzeit besteht bereits ein Nutzungsverbot für 68 Dienstfahrräder der Fa. Campus, bei denen eine erhöhte Sturzgefahr erkannt wurde“, heißt es in dem Schreiben weiter. „Die Nutzungsverbote für die in Summe 155 Fahrräder werden erhebliche Auswirkungen auf die Streifendiensttätigkeiten der Fahrradstaffel und die Streifendienste der örtlichen Direktionen haben“, meldet das Präsidium an die Innenverwaltung. Abhilfe ist nicht in Sicht: „Ein Ersatz kann in dieser Größenordnung nicht gestellt werden.“

Die Räder wurden erst vor wenigen Jahren beschafft

Nach dem Vorfall setzten die Beamten ein neues Vorderrad in den Rahmen ein, der Beamte wiederholte die Vollbremsung. Wieder zerbrach die Verbindung zwischen der Nabe, also dem Mittelstück des Rades, und der Scheibenbremse. „Bei genauer Inaugenscheinnahme konnte festgestellt werden, dass die Nabe vom Vorderrad abgeschert war und somit auch keine Verbindung mehr zur Bremsscheibe bestand.“ Die Räder, bei denen jetzt die Nabe gebrochen ist, wurden 2020 und 2021 beschafft, sie bilden das Grundgerüst der Staffel. Sie sind weiß lackiert, statt des Herstellernamens steht „Polizei“ auf den Rohren.

Die 68 Räder der anderen Firma wurden erst in diesem Jahr beschafft. Hier erkannte die Abteilung „Arbeitsschutz- und Gesundheitsmanagement“ des Präsidiums eine Sturzgefahr „durch die ungeeignete Verlegung von Bremsleitungen und Schaltzügen“. Diese Räder stammen von einem Hersteller aus Baden-Württemberg. Insgesamt habe die Polizei etwa 200 Diensträder, sagte ein Beamter der Staffel.

Arbeit der Fahrradstaffel eingestellt

Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Bodo Pfalzgraf, forderte, künftig höhere Qualitätsstandards bereits bei der Ausschreibung von Rädern anzusetzen. „Entweder das Material ist schlecht oder die Verarbeitung“, sagte Pfalzgraf. „Das muss aufgeklärt werden.“ Da die Räder von zwei Herstellern betroffen sind, sei die Arbeit der Staffel de facto eingestellt. Die Arbeit der Fahrradstaffel ist sinnvoll, sagte Pfalzgraf und regte eine Ausweitung an: In den USA würden Radpolizisten auch zur Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt, so der Landesvorsitzende.

2014 hatte die Polizei eine eigene Staffel gegründet, die nur in der City unterwegs war. Seit 2021 sind Fahrradpolizisten in der ganzen Stadt unterwegs. Neben den 60 Beamten der eigentlichen City-Fahrradstaffel sind 66 weitere in den vier örtlichen Direktionen unterwegs. Sie verbrachten im Jahr 2023 zusammen 111.000 Stunden auf dem Sattel, hatte im Februar die Innenverwaltung auf Anfrage der Grünen-Abgeordneten Oda Hassepaß mitgeteilt, das seien 80 Prozent der gesamten Arbeitszeit.

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Diese Angabe wird polizeiintern heftig bestritten. In einem mehrseitigen Schreiben von Beamten der Staffel an den Tagesspiegel heißt es: „Das entspricht einfach nicht der Wahrheit.“ Der Anteil der Schreibtischzeit sei viel größer. Von den 18 Führungskräften der Staffel würden nur sehr wenige und dann auch nur zeitweise überhaupt einmal auf dem Rad sitzen. „Der Anteil des ausschließlich im Innendienst tätigen Personals beträgt 30 Prozent“, heißt es in dem Schreiben. Tatsächlich erfolgen nur 47 Prozent der Arbeitszeit im Außendienst, rechne man die Langzeitkranken hinzu, seien es nur noch 40 Prozent.

Verantwortlich für die geschönten Zahlen sei die Leiterin der Fahrradstaffel. Diese „belügt seit Jahren ihre Vorgesetzten bis hin zum Abgeordnetenhaus“, so der Vorwurf der Beamten. Die Grünen-Abgeordnete Hassepaß sagte nun, dass sie mittlerweile mit einem Polizisten der Fahrradstaffel gesprochen habe, der „die Zahlen aus der Antwort unserer Anfrage ebenfalls stark anzweifelte“.

Dem Vernehmen nach ist die Fluktuation in der Truppe hoch. Zwischen 2021 und 2023 gab es 38 Abgänge – das ist viel bei einer Abteilung von 60 Mitarbeitern. Schon 2021 hatte der Tagesspiegel über die internen Querelen berichtet.

Die Stammcrew aus der Gründungszeit ist nicht mehr dabei. Das waren alles begeisterte Radfahrer, die für ihren neuen Job brannten, sagte ein Insider. Entsprechend positiv war die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und auch in den Medien. Mittlerweile gebe es viele Beamte, die privat nicht Rad fahren und sich nur wegen der angenehmeren Dienstzeiten bei der Staffel beworben haben.

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