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Jeder Berliner Bezirk erhält in diesem Frühjahr zwei autarke öffentliche Toiletten, die kostenfrei genutzt werden können. Die Toiletten kommen ohne Wasser- und Stromanschluss aus.

© Sönke Matschurek/Tagesspiegel

„Wir verstehen diese Toiletten als ein Portal in die Zukunft“: Berlin testet autarke Öko-Klohäuschen in Parks

Sehen so die Klohäuschen der Zukunft aus? Für 1,7 Millionen Euro testet Berlin 24 Toiletten, die ohne Strom und Wasser auskommen. Selbst Kot findet hier noch Verwendung.

Auf den ersten Blick sieht das Holzhäuschen im Steglitzer Stadtpark aus wie ein stilvoller Geräteschuppen – mit hellem Holz, Edelstahlrampe und milchweißem Plastikdach. Doch statt für Gerätschaften ist dies ein Ort für Hinterlassenschaften, und zwar menschliche. Als eine von 24 neu aufgestellten öffentlichen Öko-Parktoiletten präsentierte Staatssekretär Markus Kamrad (Grüne) am Donnerstag das stille Örtchen der Öffentlichkeit.

Der Clou: Die Parktoiletten sind nicht nur barrierefrei und kostenlos, sondern auch „autark“, kommen also ohne Wasseranschluss und Strom aus. Dadurch können sie vergleichsweise einfach auf öffentlichen Grünflächen installiert werden. „Gespült“ wird in der Trockentoilette nicht mit Wasser, sondern mit Strohmehl, für Beleuchtung sorgen ein Solarpanel und eine Bewegungsmelder.

Die neuen Parktoiletten sie barrierefrei und haben ein Unisex-Urinal. Statt Wasser wird hier mit Strohmehl „gespült“.
Die neuen Parktoiletten sie barrierefrei und haben ein Unisex-Urinal. Statt Wasser wird hier mit Strohmehl „gespült“.

© Sönke Matschurek/Tagesspiegel

Der Staatssekretär lobte: „Gerade Corona hat uns gezeigt, dass öffentliche Toiletten ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge sind.“ Im Rahmen eines einjährigen Pilotprojektes der Senatsumweltverwaltung erhält jeder Berliner Bezirk nun zwei der autarken Toiletten.

Für Aufbau und Betrieb sind in diesem Jahr 1,7 Millionen Euro vorgesehen. In Steglitz stehen die Stillen Örtchen im Stadtpark an der Goebenstraße und auf dem Lauenburger Platz.

Wir verstehen diese Toiletten als ein Portal in die Zukunft.

Florian Augustin, Geschäftsführer von Finzio

Das Angebot sei insbesondere an Senioren gerichtet, erklärte der Steglitzer Bezirksstadtrat Urban Aykal (Grüne). Denn die würden sich mangels Toiletten teilweise dreimal überlegen, ob sie in einem größeren Park spazieren gehen oder nicht. Nach dem ersten Eindruck gefragt, äußerte sich die vorbeilaufende 76-jährige Steglitzerin Christa Klinghammer neugierig. „Das ist erstmal ein Plumpsklo, aber ein vornehmes.“

Pilotprojekt in Eberswalde macht „Superdünger“ aus menschlichem Kot

Die Trockentoilette der Eberswalder Firma Finizio beherbergt zwei Möglichkeiten, sich zu erleichtern. Die Sitztoilette trennt direkt Flüssiges von Festem. Durch Drehen an einem Rädchen rieselt Strohmehl aufs große Geschäft und neutralisiert damit unangenehme Gerüche oder Anblicke. Das eingebaute Urinal wiederum will geschlechtergerecht sein. Es ist niedriger als herkömmliche Pissoirs und schmaler, sodass auch Frauen es nutzen können.

Das Unisex-Urinal ist niedriger und schmaler. So kann es „von jedem Körper genutzt werden“, erklärt Finizio-Geschäftsführer Florian Augustin. Gerade von Frauen gebe es deshalb phänomenales Feedback.
Das Unisex-Urinal ist niedriger und schmaler. So kann es „von jedem Körper genutzt werden“, erklärt Finizio-Geschäftsführer Florian Augustin. Gerade von Frauen gebe es deshalb phänomenales Feedback.

© Sönke Matschurek/Tagesspiegel

Die Zukunftsmusik endet jedoch nicht an der Toilettentür. Einmal täglich werden alle 24 Toiletten gesäubert und kontrolliert. Die menschlichen Fäkalien werden dann nach Eberswalde gebracht, wo man versucht, durch Kompostierung aus den Hinterlassenschaften einen „Superdünger“ herzustellen. „Wir verstehen diese Toiletten als ein Portal in die Zukunft“, erklärte Finizio-Geschäftsführer Florian Augustin. Menschlicher Kot habe ein enormes Potenzial, die Biodiversitätskrise zu adressieren.

Die festen Hinterlassenschaften werden in 30 Liter großen Behältern aufgefangen und anschließend nach Eberswalde gebracht, wo aus ihnen mittels Kompostierung ein „Superdünger“ entstehen soll.
Die festen Hinterlassenschaften werden in 30 Liter großen Behältern aufgefangen und anschließend nach Eberswalde gebracht, wo aus ihnen mittels Kompostierung ein „Superdünger“ entstehen soll.

© Sönke Matschurek/Tagesspiegel

„Schon ein bisschen schräg, aber der Grundgedanke ist in Ordnung“, urteilte die Steglitzerin Christa Klinghammer. Dennoch wäre ihr lieber, es gäbe mehr von den selbstreinigenden Toiletten, die auch vielerorts in Berlin stehen. Die Standorte der 24 neuen Öko-Toiletten werden künftig in der App „Berliner Toilette“ zu sehen sein.

Eingesessen war die Ökotoilette beim Pressetermin noch nicht. Trotz allen Wohlwollens für das Projekt volontierte auch Staatssekretär Kamrad nicht fürs Foto: „Ich mache fast alles mit“, sagte er mit einem Lachen. „Aber öffentliches Toilettenprobesitzen – ein solches Bild wird man nie wieder los.“

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