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Das Pallasseum (früher auch Sozialpalast genannt) in Berlin Schöneberg.

© Mike Wolff TSP

Abwärme wird Heizwärme: Netzknoten des alten Fernamtes Berlin bringt „Pallasseum“ auf Betriebstemperatur

Über fünfhundert Wohnungen in Berlin-Schöneberg sollen ab Oktober 2025 über eine Wärmetrasse von einem Rechenzentrum des Deutsche-Telekom-Konzerns versorgt werden.

Berlin will in einem ersten Großprojekt ab Oktober 2025 zum ersten Mal Abwärme aus einem Rechenzentrum zur Beheizung von Wohnungen nutzen. Der Wärmebedarf des denkmalgeschützten „Pallasseums“, einer Wohnanlage mit 514 Wohnungen, soll ab diesem Zeitpunkt zu 65 Prozent aus unvermeidbarer Abwärme gedeckt werden. Damit soll vorfristig den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) entsprochen werden.

Genutzt wird die Abwärme eines Netzknotenpunktes der PSAM Power und Air Condition Solution Management GmbH, einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom, das nur 150 Meter vom Pallasseum entfernt seinen Sitz an der Winterfeldtstraße hat. Die PSAM liefert über die Gasag im Wasser gebundene Wärme an die Gewobag.

Die Wärme wird auf alle Fälle nicht teurer.

Karsten Mitzinger, Geschäftsführer der Gewobag ED Energie- und Dienstleitungsgesellschaft mbH

Durch CO₂-freie Wärme aus Rechenzentren können Büro-, Gewerbe- und Wohngebäude beheizt, Energie gespart und Heizkosten gesenkt werden. Derzeit wird sie jedoch noch häufig ungenutzt an die Umwelt abgegeben. Die Abwärme von Rechenzentren kann aber nicht direkt genutzt und in Wärmenetze eingespeist werden.

Die Kälteanlagen auf dem Dach des ehemaligen Fernamtes Berlin an der Winterfeldtstraße in Schöneberg sollen durch Wärmepumpen ersetzt werden.

© Reinhart Bünger

Die etwa 27 Grad Celsius warme Abwärme des Netzknotenpunktes, der sich über mehrere Etagen des ehemaligen Fernamtes verteilt, soll in diesem Fall mittels Wärmepumpen auf 75 Grad Celsius angehoben werden. Die Wärmepumpen sollen mit Ökostrom betrieben werden. So kann der Altbau aus den siebziger Jahren in Schöneberg über eine Wärmetrasse in die Energiezentrale beheizt werden. Der Wohnkomplex mit rund 36.000 Quadratmeter Fläche wurde bisher allein mit Gas beheizt.

Die technischen Voraussetzungen für die neue Energieversorgung schafft die Gasag durch Investitionen in Höhe von fünf Millionen Euro. Die auf dem Dach des ehemaligen Fernmeldeamtes installierten Kältemaschinen werden durch Wärmepumpen ersetzt.

Gas-Kessel laufen Standby weiter

„Die Abwärme wird hier bisher in die Atmosphäre gegeben, und das wollen wir ändern“, sagte Matthias Trunk, Gasag-Vertriebsvorstand, bei einem Vor-Ort-Termin am Montag. „Die mehr als 500 Wohnungen werden wir dann zu 65 Prozent CO₂-neutral beheizen können. Wir werden neue Gaskessel für die Spitzenlasten einbauen und als Redundanz-Aggregate, falls es einmal einen Ausfall gibt.“ Man habe mit dem alten Fernamt Berlin und dessen Datenanlagen in unmittelbarer Nähe zum Pallasseum „eine Perle“ gefunden. „Wir können die grüne Wärme der Zukunft zu den gleichen Kosten wie die konventionelle Wärme gemäß Heizungsgesetz EEG bereitstellen – und das Ganze, ohne das Gebäude zu verändern.“

Die Wohnanlage „Pallasseum“ im Hintergrund, vom Dach des ehemaligen Fernamtes Berlin in Schöneberg aus gesehen. Nur 150 lang wird die Trasse zur Wärmeversorgung der Wohnungen.

© Reinhart Bünger

Berlin habe etwa 19 Rechenzentren, die die Gasag nun versuche unter Vertrag zu nehmen, sagte Trunk. „Wir haben an vielen Stellen Kühlungsbedarf für große Wärme produzierende technische Anlagen“, ergänzte Bau- und Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler. Diese Potenziale gelte es nutzbar zu machen. Er sprach mit Blick auf das Pallasseum von einer „Win-win-Situation“. Die Wärmewende sei nötig. „Aber wir müssen eben aufpassen, dass sie auch bezahlbar bleibt.“

Matthias Trunk, Vertriebsvorstand der Gasag (links), mit Bausenator Christian Gaebler und Karsten Mitzinger, Gewobag-Geschäftsführer ED Energie- und  Dienstleistungsgesellschaft mbH (rechts) auf dem Dach des ehemaligen Fernamtes Berlin. 

© Reinhart Bünger

„Die Wärme wird auf alle Fälle nicht teurer“, versprach den im Pallasseum wohnenden Mietern Karsten Mitzinger, Geschäftsführer der Gewobag ED Energie- und Dienstleitungsgesellschaft mbH. „Wir sind noch dabei, Förderprogramme zu checken.“ Ob die Energieversorgung preiswerter werde, könne er noch nicht sagen. Die drei alten Gaskessel hätten zehn, fünfzehn Jahre „auf dem Buckel“.

Die alten Anlagen sollen sukzessive modernisiert beziehungsweise zurückgebaut werden. Drei Kessel würden in Zukunft nicht gebraucht, sagte ein Mitarbeiter der Gewobag, der das „Pallasseum“ gehört. Letztlich wirke sich auch das Nutzerverhalten auf die Preisgestaltung aus. „Wenn wir mehr als 65 Prozent Jahresverbrauch einsetzen können, dann nehmen wir die natürlich“, sagte Mitzinger.

Durch die Kooperation werden GEG-Anforderungen erfüllt, die eigentlich erst ab 2026 für Neuanlagen gelten. Sie werden zur Abwärmenutzung verpflichtet. Aktuell nimmt der Energieverbrauch von Rechenzentren im Zuge der Digitalisierung und die Nutzung cloudbasierte Dienste stetig zu.

„Es wird langsam ernst für die Rechenzentren“, sagte Trunk von der Gasag, „sodass sie auch Partner suchen. Wir sind so ein potenzieller Partner, wir übernehmen gerne die Wärme, aber wir machen eben auch etwas damit.“

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