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Henriette (Gundi Ellert) und ihr Mann Bene (Elmar Wepper).

© Arte

"Zwei allein": Elmar Wepper in einem Krimi der leiseren Art

Verdacht auf Raubmord und die Risse in einer Familie: Regisseur Stephan Wagner und Autor Friedrich Ani blicken hinter die brüchige Fassade einer Familie.

Überall dort unten sind sie schon gewesen: im Biergarten, wo sie sich eine Maß teilten, im Tiergarten bei den Kamelen, bei denen er sich nie merken konnte, wie man eigentlich Kamele von Dromedaren unterscheidet, schließlich auf dem Hügel, von dem man ganz München überblickt. Die Stadt ist voll von Erinnerungen an Szenen einer Ehe, die in warmes Licht getaucht sind und den Schmerz nun umso bitterer machen. Regisseur Stephan Wagner verschmilzt in „Zwei allein“ Erinnerungen mit der Gegenwart: zarte Momente im Ehebett gegen das kalte Licht der Notaufnahme, ein ausgelassenes Gespräch zwischen Schwestern als Kontrast zum plötzlichen Raubmord. Der reißt Henriette Sattler, genannt „Henri“ (Gundi Ellert), vor den Augen ihrer Schwester Gerlinde (Johanna Bittenbinder) aus dem Leben. Ein Schock für die Schwester und Ehemann Benedikt. Doch irgendwie passt der Mord ins Bild, ist er doch nicht der erste Raubmord in der Bahnhofsgegend.

Wagner und Drehbuchautor Friedrich Ani, bekannt für seine Kriminalromanreihen, dringen tief ein in die Trauer der Angehörigen. Wie sich wohl jemand fühlt, der einen Zettel mit der Aufschrift „Wegen Trauerfall in der Familie geschlossen“ an der Ladentür aufhängt? Wie leer muss auf einmal ein Ehebett sein, wenn die andere Hälfte unbesetzt bleibt? Man meint es nachfühlen zu können, die Rückblenden bringen einem die Figuren und ihr Leben nahe: die lebenslustige Gerlinde, die von allen Linda genannt wird, ihre wilden Zeiten mit Schwester und Schwager, die glückliche Ehe von Benedikt „Bene“ Sattler (Elmar Wepper) und Henriette.

Trauer und Angst

Aber auch die Konflikte zwischen dem gesetzten Busfahrer Bene und seiner Schwägerin, die jüngere Männer bevorzugt. In dieser kleinbürgerlichen Welt führt ein Schwesternpaar das Schuhgeschäft der Eltern weiter, erbsensuppengrüne Plastiktelefone klingeln Alarm und die Nachbarin lehnt rauchend aus dem Fenster und sieht alles. In dieser Welt wirken nicht nur die kleinen Träume und Fluchten größer, sondern auch die Trauer und die Angst. Diese versucht Pfarrer Linus Gobert ( etwas zu salbungsvoll: Rufus Beck) aufzufangen – und setzt damit eine Tragödie in Gang.

Vor diesem Hintergrund zeichnet sich die Kriminalgeschichte ab. Langsam kommen die Zweifel, ob der Mord an Henri tatsächlich etwas mit der Raubserie am Bahnhof zu tun hat. Zu seltsam verhält sich der Schwager, findet Linda. Eine große Stärke des Films: Er irritiert den Krimizuschauer, indem er ihn aus der vertrauten Welt des Kommissariats und der Einsatzwagen reißt und in die Position der Angehörigen und Betroffenen versetzt. Die Ermittler tauchen eher am Rande auf, genial dabei der Kommissar, ein großer Glatzkopf mit regloser Miene, der nach eigener Aussage zum Lachen in den Keller geht. Sein Assistent wirkt dagegen, als hätte er viel Zeit damit verbracht, um sich den Schnurrbart zu zwirbeln und den Doktor Watson zu machen.

Am Ende kommt die Auflösung nicht von den Pinnwänden der Ermittler, der Täter wird nicht unterm grellen Schein der Neonlampe im Verhörraum gestellt. Die sprunghaft aneinandergeschnittenen Schlussfolgerungen des Kommissars sind lediglich Hinweise für den Zuschauer. Die Wahrheit kommt zum Vorschein, weil die Oberfläche des Schweigens irgendwann so gespannt ist, dass sie Risse bekommt. Den Showdown mit Pistole gibt es auch hier, nur anders, wie auch der ganze Film anders ist: ruhiger, unspektakulärer, aber auf seine Weise mitreißend. Und endlich mal ohne Mörder und Gendarm.

„Zwei allein“, Freitag, Arte, 20 Uhr 15

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