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Prestigeobjekt. Bundespräsident Gauck (2.v.r.) und Forschungsministerin Wanka (CDU, l.) eröffneten die TDU 2014.

© dpa

Zusammenarbeit der Uni Potsdam mit der TDU Istanbul: Sorgen am Bosporus

Die Universität Potsdam bangt um den weiteren Aufbauprozess der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul, an dem sie beteiligt ist. Die TDU ist von den Maßnahmen infolge des Putschversuchs in der Türkei konkret betroffen: Die Dekane sind nicht mehr im Amt, mehrere Mitarbeiter mussten gehen.

Potsdam - Die Universität Potsdam verfolgt die aktuelle politische Entwicklung in der Türkei mit großer Sorge. Die Potsdamer Hochschule ist am Aufbau der Türkisch-Deutschen Universität (TDU) in Istanbul beteiligt. Insofern bereitet dem Vizepräsidenten des Deutschen Konsortiums für die TDU, dem Potsdamer Professor Robert Seckler, die Lage in der Türkei besonderes Unbehagen. Man verstehe zwar, dass die Türkei Maßnahmen ergreift, um eine Wiederholung des blutigen Putschversuchs vom 15. Juli zu verhindern. „Aber wir befürchten, dass die türkische Regierung den Putschversuch zum Anlass nimmt, unbequeme Kritiker loszuwerden, auch wenn diese nichts mit dem Putschversuch zu tun hatten“, so Seckler, der an der Potsdamer Uni Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs ist.

Wie an allen anderen Unis mussten die Dekane zurücktreten

„Zur traditionellen Rolle von Universitäten als Horte freien Denkens gehört auch ein Mindestmaß an Autonomie von staatlicher Kontrolle“, sagte Seckler. Dass die Hochschulen künftig keinerlei Mitspracherecht bei der Auswahl ihrer Rektoren mehr haben sollen, hält er deshalb für einen großen Fehler. Die Türkisch-Deutsche Universität ist wie andere Hochschulen in der Türkei von den Maßnahmen infolge des Putschversuchs konkret betroffen. Wie an allen anderen Unis mussten die Dekane zurücktreten, um sich wegen einer möglichen Beteiligung am Putschversuch im Juli dieses Jahres überprüfen zu lassen – bislang ohne Rückkehr. Für den Rektor der TDU, Halil Akkanat, bedeute das eine erhebliche zusätzliche Belastung, erklärte der Professor für Physikalische Biochemie Seckler. Anfang Oktober hatte er die TDU zuletzt besucht und dort auch mit dem Rektor Akkanat gesprochen. Der Rektor agiere in der schwierigen Situation sehr besonnen, so Seckler. Dennoch hätten zwei Dozenten und mehrere wissenschaftliche Mitarbeiter wegen ihrer Nähe zum Gülen-Netzwerk die Universität verlassen müssen.

Potsdam will trotz allem eine kontinuierliche Zusammenarbeit

Grundsätzlich geht es der Potsdamer Uni trotz der aktuellen Lage um eine kontinuierliche Zusammenarbeit. Eine Einschränkung des Engagements für den Aufbau der naturwissenschaftlichen Fakultät der TDU ist seitens der Potsdamer Uni derzeit nicht beabsichtigt. „Gerade in politisch schwierigen Zeiten sind die deutsch-türkischen Kontakte besonders wichtig“, so Seckler. „Aber ohne akademische Freiheit kann das Projekt Türkisch-Deutsche Universität nicht erfolgreich sein.“

Die TDU konnte 2013 die ersten Studierenden aufnehmen. Aktuell gibt es an der Hochschule 848 Immatrikulierte. Ziel ist der Aufbau einer Forschungsuniversität mit 5000 Studienplätzen. Die Errichtung der Naturwissenschaftlichen Fakultät der TDU wird von deutscher Seite von Robert Seckler koordiniert. Der erste Bachelor-Studiengang der neuen Fakultät wird Materialwissenschaften und -technologie sein. An seiner Planung und Umsetzung war neben der Potsdamer Uni auch die TU Darmstadt beteiligt. 36 Studenten haben das Fach belegt. Die beiden anderen naturwissenschaftlichen Studiengänge, Energiewissenschaften und Molekulare Biotechnologie, sollen 2017 folgen.

Die Uni befürchtet, dass das TDU-Projekt unter der Situation in der Türkei leidet 

Doch Seckler hat den Eindruck, dass das TDU-Projekt insgesamt unter der Situation in der Türkei leidet. So sei es aktuell sehr schwierig, Lehrkräfte für die Sprachausbildung und die Fakultäten zu gewinnen. „Das stellt den vorgesehenen Ausbau der Studiengänge infrage“, so der Naturwissenschaftler. Gerade die Sprachausbildung ist zentral, sollen doch die Studierenden in einem Jahr Deutsch so beherrschen, dass es für das Studium reicht. Dennoch gebe es in den ersten Fachsemestern noch Sprachprobleme.

Über das Konzept der TDU war im Vorfeld lange beraten worden. Die deutsche Seite legte großen Wert auf eine Ausrichtung als Forschungsuniversität, der türkischen Seite war die Anwendungsorientierung wichtig. „Herausgekommen sind drei Studiengänge mit solider naturwissenschaftlicher Grundausbildung“, erklärt Karolin Heinle vom TDU-Koordinationsbüro. Die Studiengänge sollen sowohl für die Forschung als auch auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. Gegenwärtig steht die Ausstattung der Praktikumslabore an, um die Studierenden zum Wintersemester 2017/18 in ihrem Fachstudium aufnehmen zu können.

Potsdamer Religionswissenschaftler erreichte mit Petition für türkische Kollegen über 63 000 Unterstützer

Der Potsdamer Religionswissenschaftler Johann Ev. Hafner hatte bereits eine Woche nach dem Putsch in der Türkei eine Petition zur Solidarität mit türkischen Wissenschaftlern auf den Weg gebracht. Der Inhaber des Lehrstuhls für Religionswissenschaft mit dem Schwerpunkt Christentum an der Universität Potsdam hat bislang über 63 400 Unterstützer auf Change.org gefunden. Die Petition an die türkische Regierung, die von knapp 20 weiteren Wissenschaftlern und Engagierten mitgetragen wurde, verurteilt die „ungerechtfertigten Entlassungen von Professoren und Lehrern, die gezielte Einschüchterung von Presseleuten und Intellektuellen – seien sie Gülen-nah oder nicht – und das verhängte Ausreiseverbot für Wissenschaftler“.

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