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Fairplay erwünscht.  Hans Demmel, Geschäftsführer von n-tv, engagiert sich als VPRT-Vorsitzender für ein Gleichgewicht im dualen System.

© n-tv/Harry Welsch

Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (II): Weniger ist mehr

Was ARD und ZDF tun müssen, wenn sie sich nicht dauernd rechtfertigen wollen. Ein Debattenbeitrag von Hans Demmel.

Gemischte Gefühle, das ist das Erste, was mir zur aktuellen Debatte einfällt. Und das geht praktisch allen meinen Kollegen in den privaten Medien ähnlich.

Auf der einen Seite schätzen wir die öffentlich-rechtlichen Angebote und wissen um die Qualität, mit der die Kollegen dort arbeiten, insbesondere auch in ihren journalistischen Formaten. Wir erleben aktuell immer häufiger unsachliche, populistische Angriffe. Sie diskreditieren die journalistische Arbeit in den Medien insgesamt. Diese Art von Kritik stellt die herausragende Funktion breiter Information und freier Meinungsbildung grundsätzlich in Frage, und das mit vollem Kalkül. In diesen Zeiten leisten die öffentlich-rechtlichen Anstalten einen immens wichtigen Beitrag zur politischen Diskussion und zum Erhalt unserer Grundwerte.

Auf der anderen Seite sehen wir aber auch jenseits dessen eine schwindende Akzeptanz in der breiten Bevölkerung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Anstatt hierauf qualitativ überzeugende Antworten zu geben, die mit programmlichem Mehrwert und einem klaren Profil punkten, reagieren ARD und ZDF, indem sie ihre Angebote immer weiter ausbauen. Dabei besetzen sie insbesondere Genres und Themen, die in anderen Medienangeboten genauso gut abgebildet werden – etwa mit Sportgroßevents, internationaler Lizenzware oder jungen Radiowellen, die sich von den privaten Radioangeboten praktisch nicht mehr unterscheiden.

Vor diesem Hintergrund und neuer digitaler Übertragungswege müssen wir die Diskussion über den zukünftigen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten ergebnisoffen führen. Der Prozess dazu ist bereits im Gange.

Medienvielfalt geht nur öffentlich-rechtlich plus privat

Dabei kommt es mir manchmal so vor, als wenn Teile dieser Diskussion noch in der Medienrealität der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts geführt werden, als es noch keine elektronischen privaten Medienangebote gab. Ich meine damit nicht nur das Fernsehen und Radio, sondern auch die Angebote von Sendern und Verlagen im Netz. Gemeinsam bieten sie nicht nur gute Unterhaltung, sondern auch professionellen Journalismus und verlässliche schnelle Orientierung und Einordnung. Wir sollten als Diskussionsgrundlage anerkennen, dass wir dieser Kombination aus öffentlich-rechtlichen und privaten Angeboten eine Medienvielfalt verdanken, die im internationalen Vergleich ihresgleichen sucht.

Mit ihren vielfältigen Unterhaltungs- und Informationsangeboten erreichen gerade die privaten Fernsehanbieter im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk die jüngere Bevölkerung. In diesen Zielgruppen sind wir mit unseren hier führenden Nachrichtenangeboten eine wichtige Quelle für deren Meinungsbildung und erfüllen damit eine relevante gesellschaftliche und demokratische Funktion.

Warum stelle ich das hier so heraus, wenn es um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehen soll? Weil dies direkt zusammenhängt: Die Vielfalt und Qualität von Angeboten im Fernsehen, Radio und Netz, von privaten Sendern wie Verlagen, kann es nur geben, wenn sie auch den Raum haben, diese Angebote zu refinanzieren. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Umfang der öffentlich-rechtlichen Angebote und der Vielfalt und Qualität der Angebote im Medienmarkt insgesamt.

Deshalb plädieren wir für eine echte Reform von ARD und ZDF, für einen modernen Auftrag, der sich kurz mit „Weniger ist mehr“ statt „Viel hilft viel“ beschreiben lässt. Ihr klarer Fokus sollte zukünftig auf Angeboten mit einem gesellschaftlichen Mehrwert im Bereich Information, Bildung und Kultur liegen. „Me-too“-Programme in Konkurrenz zu den Privaten, die Millionenbeträge für kommerzielle Lizenzware bedeuten, sind keine Aufgabe des beitragsfinanzierten Rundfunks.

Eine solche Präzisierung des Auftrags für ARD und ZDF würde eine deutliche Reduzierung des Umfangs ihrer Programm- und Onlineangebote nach sich ziehen und ihre Legitimation stärken. Je präziser der – eigentliche – Auftrag definiert wird, der auch eine Beitragsfinanzierung rechtfertigt, desto weniger Probleme werden sich bei der Ausführung dieses Auftrags online stellen.

Beitragsfinanzierte Angebote im Netz schwächen den Wettbewerb

Gerade im Netz zeigt sich dies überdeutlich: Die Medienpolitik diskutiert aktuell die Frage, ob ARD und ZDF ihre Onlineangebote umfassend erweitern dürfen. Dabei werden von diesen für ihre Mediatheken das Abschaffen des Sendungsbezugs, längere Verweildauerfristen ihrer Inhalte im Netz, die Aufhebung des Online-Verbots für reine Lizenzproduktionen und die Möglichkeit, beitragsfinanzierte Inhalte für Drittplattformen wie Facebook zu produzieren und zu verbreiten, gefordert. Was wir hier unter keinen Umständen vergessen dürfen, ist, dass beitragsfinanzierte Angebote massiv in den Markt eingreifen und damit die Medienvielfalt nicht verbessern, sondern gefährden.

Eine Verlängerung öffentlich-rechtlicher Inhalte zum kostenfreien Abruf würde den Wettbewerb im Markt für Video-Abrufangebote weiter erhöhen, die Geschäftsmodelle für entsprechende private Portale erschweren und kommerzielle Zweitverwertungen entwerten. Die Position von ARD und ZDF in den Verhandlungen mit Rechteinhabern würde sich erheblich verbessern und auch hier den Wettbewerb schwächen.

Auch eine breitere Präsenz von ARD und ZDF in sozialen Netzen durch eine gezielte Beauftragung von Produktionen für diese Plattformen halten wir für den falschen Weg. Es ist durchaus zu hinterfragen, wenn ausgerechnet Beitragsgelder Facebook und Co. stärken sollen, die die größten Konkurrenten der deutschen und europäischen Inhalteindustrie – einschließlich ARD und ZDF – sind und in einem ungleichen Wettbewerb einer viel weniger strengen medienrechtlichen Regulierung als klassische Fernsehanbieter unterliegen. So stärken beitragsfinanzierte Angebote nicht nur US-Giganten, sie schwächen gleichzeitig auch die bundesdeutsche Produktionslandschaft.

Auch im Radiomarkt brauchen wir klare Grenzziehungen. Die UKW-Verbreitung von ARD-Wettbewerbsprogrammen mit Programminhalten, die sich von privaten Angeboten nicht mehr unterscheiden, nehmen in den letzten Jahren kontinuierlich zu. Und im Bereich der Radio-Digitalisierung verfügt die ARD bis 2025 schätzungsweise über rund 600 Millionen Euro für den Umstieg auf den Standard DAB+ und lobbyiert deshalb für einen schnellen DAB+-Umstieg, obwohl für das private Radio die UKW-Übertragung überlebensnotwendig und der Mehrwert für die Hörer höchst zweifelhaft ist.

Die Zukunft eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der überzeugt und sich nicht ständig rechtfertigen muss, liegt in der Rückbesinnung auf Qualität statt Quantität. Im Interesse von ARD und ZDF, aber auch der Beitragszahler und Medienvielfalt.

Hans Demmel ist Vorstandsvorsitzender des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) und Geschäftsführer von n-tv. Bisher erschienen: Patricia Schlesinger (15. April)

Hans Demmel

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