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Hoffnungsträger. Biokohle kann zum Klimaschutz und zur Aufwertung der Böden beitragen, noch gibt es aber großen Forschungsbedarf.

© Bernd Settnik/dpa

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Der Einsatz von Biokohle braucht noch Zeit – und andere gesetzliche Vorgaben, so Potsdams Agrarforscher

Biokohle ist kein Zaubermittel, sie kann aber die Zukunft der Agrarwirtschaft und den Klimawandel positiv beeinflussen. So lässt sich der gegenwärtige Forschungsstand des Potsdamer Leibniz-Instituts für Agrartechnik (ATB) zusammenfassen, das sich seit sechs Jahren mit dem Hoffnungsträger befasst. Weltweit ist die „Wunderkohle“ seit mehreren Jahren ein großes Thema. „Wir verstehen jetzt langsam, wie Biokohle funktioniert“, stellt der Agrarwissenschaftler Johannes Lehmann von der Cornell University in New York auf einer ATB-Tagung fest.

Die Verkohlung organischer Stoffe ist eigentlich kein neues Verfahren. Dass die entstehenden Kohlebrocken weiter genutzt werden können, wussten schon Köhler im Altertum. Werden anstelle von Holz pflanzliche Reststoffe verwendet, der Verkohlungsprozess gesteuert und dabei kein oder wenig Sauerstoff zugeführt, kann aus Abfallstoffen etwas Neues entstehen: die Biokohle. Die kann zu mehr taugen als nur zum Feuermachen. Auch zur Verbesserung von sandigen Ackerböden kann sie genutzt werden.

„Doch es wird noch einige Zeit dauern, bis wir wirklich daran denken können, Biokohle in größerem Umfang im Boden einzusetzen“, sagt Andreas Meyer-Aurich vom ATB. Zwar sei der Kenntnisstand der Wissenschaft über die Erzeugung und Verwendung von Biokohle enorm gewachsen, aber zumindest in Deutschland gebe es noch erheblichen rechtlichen Regelungsbedarf bei deren Einsatz. In den Vereinigten Staaten hingegen ist Biokohle als organischer Zusatzstoff und Düngemittel anerkannt. Der Stoff werde großflächig auf Äckern eingesetzt, so Lehmann. In Deutschland jedoch würden die Vorgaben der Düngemittelverordnung den Einsatz erschweren. Braunkohle und Holzkohle sind als Zusatzstoffe gesetzlich zugelassen, Biokohle jedoch nicht.

Der schwarze Reststoff besteht zu einem großen Anteil aus Kohlenstoff. Der wurde vorher durch Pflanzen der Atmosphäre entzogen und ist in der Biokohle langfristig gebunden. Möglicherweise könnte durch die Produktion von Biokohle also der Klimawandel positiv beeinflusst werden. Dass es gegenwärtig noch nicht so weit ist, müssen auch die Forscher am ATB feststellen. Die dort bearbeiteten Forschungsprojekte zu Biokohle befassen sich mit der Erzeugung von Biogas aus Stroh, Mist oder Silage und der Weiterverarbeitung der Gärreste zu Biokohle durch eine effektive Karbonisierung. Auch die Stabilität von Biokohle und deren Wirkung auf Boden, Pflanze und die Emission von Treibhausgasen steht im Fokus der Forscher.

Das Besondere der Biokohle sei die Vielfältigkeit der Nutzungsmöglichkeiten und die Flexibilität und Möglichkeit der zielgenauen Ausrichtung der Herstellungsprozesse, erklärt Meyer-Aurich. Erst seit einigen Jahren werde gezielt zu den Prozessen der Pyrolyse und der hydrothermalen Karbonisierung zur Herstellung von wiederverwertbaren Stoffen geforscht. So hätten die Wissenschaftler das Potenzial der entstehenden Produkte erkannt. Bei der Pyrolyse werden festere organische Stoffe ohne Zufuhr von Sauerstoff bei Temperaturen von 400 bis 800 Grad verkohlt. Bei der hydrothermalen Karbonisierung (HTC) entsteht die Kohle aus feuchten bis flüssigen Stoffen, aber unter hohem Druck, bei Temperaturen von rund 200 Grad. Der gesteuerte Verkohlungsprozess verläuft rasant schnell im Vergleich zum natürlichen Kohlebildungsprozess, der in den Böden über Jahrmillionen erfolgt.

Schon lange vor den aktuellen Forschungen zur Biokohle gab es Kulturen, die in größerem Umfang Biokohle herstellten. Darauf stießen Agrarwissenschaftler, als sie im Amazonasbecken den Boden untersuchten. Der Urwaldboden weist an vielen Stellen eine erhöhte Fruchtbarkeit auf, die sich durch das Phänomen der Terra Preta erklären lässt – also Böden, die durch den Einfluss indigener Völker entstanden sind, indem diese organische Siedlungsabfälle und Holzkohle in den Boden eingebracht haben.

Die Forscher am ATB haben in einem neuen Verfahren die Prozesse der Biogas- und Biokohlebildung erfolgreich verknüpft: Die aus den Gärresten hergestellte Biokohle wird wieder in den Biogasprozess eingespeist und kann sich in der nährstoffreichen Prozessflüssigkeit des Biogasreaktors mit ausreichend Nährstoffen anreichern. Im Biogasreaktor kann Biokohle belastende Ammoniakmengen binden und so die Effizienz der Biogasproduktion erhöhen – eine Win-win-Situation für beide Prozesse. „Entscheidend ist die Zusammensetzung der Ausgangsstoffe und der Verbrennungsprozess“, so ATB-Forscher Jan Mumme.

Die Agrarforscher gehen davon aus, dass die Palette möglicher Ausgangsmaterialien für die Verkohlung riesig ist – von Fäkalien aus Großmastanlagen über städtisches Herbstlaub bis zu zum Küchenabfall aus der Biotonne. Allerdings müssten Abfallstoffe das Ausgangsmaterial sein, darin sind sich die Wissenschaftler des ATB einig. Die zukunftsweisenden Eigenschaften der Kohle sollten genutzt werden, ohne dass Wälder abgeholzt und Flächen für den Biomasseanbau zur Gewinnung der Kohle umgewidmet werden.

Derzeit führen Forscher weltweit Feldversuche zur Wirkung von Biokohle auf Boden, Ertrag und die Emission von Treibhausgasen durch. Die Ergebnisse sind widersprüchlich. In einem deutsch-malaysischen Projekt erzielte das ATB in Malaysia mit Biokohle deutlich höhere Erträge, anders als am hiesigen Standort in Berge. „Wir müssen die Wirkungsmechanismen der Interaktion Boden-Kohle besser verstehen lernen, um dann Antworten zu finden auf unsere Fragen, wie die Kohle beispielsweise für einen Sandboden beschaffen sein muss und welche Mengen ich ausbringen muss, damit es nennenswerte Ertragssteigerungen oder Treibhaushausgasreduktionen gibt“, so Meyer-Aurich. Zudem ist bisher nicht völlig klar, wie lange der Kohlenstoff insbesondere bei der HTC-Kohle gebunden wird – und somit als Treibhausgas Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen bleibt.

Ein Fazit der Forscher lautet schließlich, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der Biokohle hinterherhinke. Die europäischen Nachbarn sind da weiter. In Estland und Finnland zum Beispiel wird Biokohle als Torfersatz für Gartenerden genutzt, in Dänemark bereits gezielt Kohle aus der gesteuerten Verbrennung von Stroh gewonnen und dann als Biokohle aufs Feld gebracht.

Richard Rabensaat

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