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Wissenschaftspark: Golms Weg zum Entwicklungsmotor

Der Wissenschaftspark in Potsdam hat sich seit 1991 zu Brandenburgs größtem Forschungsstandort entfaltet. Rainer Höfgen vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie war von Anfang an dabei.

Rainer Höfgen kann sich noch gut erinnern, wie der Wissenschaftsstandort Golm vor über 20 Jahren aussah. „Das war eine grüne Wiese, hier war nichts“, sagt der Forschungskoordinator vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie.

Seitdem ist einiges passiert: Die Universität Potsdam mit rund 9000 ihrer Studierenden, drei international renommierte Max-Planck-Institute, zwei Fraunhofer-Institute, das Brandenburgische Landeshauptarchiv, ein Gründerzentrum haben sich in Golm angesiedelt – und es gibt noch größere Pläne für die Zukunft. Aus dem beschaulichen Ort ist Brandenburgs größter Forschungs- und Entwicklungsstandort mit aktuell über 50 Hektar Fläche und rund 3000 Angestellten geworden.

Institute in die neuen Ländern

Höfgen weiß, wie alles angefangen hat: „Nach der Wende gab es den Beschluss von Bund, Ländern und den Forschungsgesellschaften, dass alle neu zu gründenden Max Planck- und Fraunhofer-Institute in den Neuen Bundesländern anzusiedeln sind. So wurde zum Beispiel überlegt, das Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg zu gründen, aber die damalige Landesregierung unter Manfred Stolpe und Wissenschaftsminister Enderlein hat sich sehr dafür eingesetzt, uns hierher zu holen.“

Auch der Standort Golm stand zunächst nicht fest: Der ursprüngliche Plan lautete, das Institut in Rehbrücke anzusiedeln, in Nachbarschaft des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE). „Da sich jedoch 1991 die Uni Potsdam neu gegründet hatte und einen Standort in Golm hatte, kam bei der Landesregierung die Idee auf, alle Naturwissenschaften hierher zu bringen“, so Höfgen.

Die damals noch unabhängige Gemeinde Golm begrüßte das: „Der Bürgermeister Siegfried Seidel war sehr aktiv bei der Ortsfindung“, sagt Höfgen. Drei Max-Planck-Institute wurden gegründet (siehe Kasten), nun mussten die entsprechenden Gebäude her. Das Land Brandenburg stellte Grundstücke zur Verfügung. Doch fertig war der Campus westlich der Eisenbahngleise erst 1999 – zuvor hatten die Institute in Provisorien außerhalb Golms beziehungsweise auf dem Gelände der Uni Potsdam gearbeitet.

Uni in früherer Stasi-Hochschule

Im Jahr 2000 zog das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung im Wissenschaftspark ein, 2006 folgte das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie. Die Uni Potsdam hingegen hatte schon Anfang der Neunziger Jahre die alten Gebäude der früheren Stasi-Hochschule nutzen können, wo die Humanwissenschaftliche und die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät eingezogen waren.

So weit, so gut, doch es gab noch zahlreiche Baustellen: Vor allem die Infrastruktur ist bis heute ein Thema. „Straßen, Anbindung für ÖPNV – es fehlte damals alles“, sagt Höfgen. „Es gab lediglich eine kleine Fußgängerbrücke über die Eisenbahngleise, doch die wurde irgendwann abgerissen.“

So saßen die Forscher lange Zeit ziemlich abgeschnitten vom Rest des Ortes auf ihrem Campus, bis 2006 endlich der neue Bahnhof mit der Unterführung gebaut wurde, sodass man bequem von der Universität zu den Instituten gelangen kann. Aber: „Für das heutige Personenaufkommen am Standort ist der Bahnhof eigentlich immer noch zu klein“, sagt Höfgen. Rund 50 Prozent der Instituts-Mitarbeiter und der Studierenden wohnen in Berlin: „Da braucht es einfach bessere und regelmäßigere Verbindungen.“ Und spätestens wenn der BER startet, werde Golm zum Pendlerbahnhof.

Kein Raum für Firmengründungen

In der Zwischenzeit hatte sich dann auch ein neues Problem ergeben: „Mittlerweile waren Forschungsergebnisse entstanden, doch es gab keine Räumlichkeiten vor Ort für Firmengründungen“, erklärt Höfgen. Die Gründer sind zum Teil mit ihren Firmen nach Berlin-Adlershof gezogen. Dies hing unter anderem mit dem Status der Gemeinde Golm zusammen, erst nach der Eingemeindung 2003 änderte sich das: „Vorher gab es keine Investitionen, weil nicht klar war, wohin die Reise geht.“

Mittlerweile war allen Beteiligten klar: Der Wissenschaftspark braucht ein zentrales Standortmanagement. Dies wurde 2008 von den Anrainern des Wissenschaftsparks und der Stadt Potsdam ins Leben gerufen, Leiter wurde Friedrich Winskowski.

Ein weiterer großer Schritt war 2007 die Eröffnung des Gründerzentrums „GO:IN“ in unmittelbarer Nachbarschaft der außeruniversitären Institute, über 20 Firmen sind seitdem hier entstanden, zwölf befinden sich derzeit im GO:IN. Seit Langem ist klar, dass das GO:IN für die zukünftige Entwicklung des Wissenschaftsparks zu klein ist – 2014 erreichte die Uni Potsdam einen Spitzenwert mit 50 Ausgründungen – und bleibt seitdem auf diesem hohen Niveau. Daher baut nun die Stadt Potsdam direkt neben dem GO:IN auf rund 6000 Quadratmetern das GO:IN II, in dem voraussichtlich ab 2019 Platz für rund ein Dutzend weiterer Unternehmen sein soll.

Kita, Wohnheim und Supermarkt

Wo gearbeitet wird, braucht es jedoch mehr als nur Büros und Labore: 2010 entstand ein zweisprachiger Kindergarten im Wissenschaftspark, 2011 ein Studierenden-Wohnheim mit 200 Plätzen südlich der Fraunhofer-Institute (wegen seines Grundrisses „Knochen“ genannt), der 2013 gebaute Rewe-Supermarkt am nördlichen Ende des Uni-Campus wurde sowohl von Anwohnern, als auch Wissenschaftlern und Studierenden dankbar angenommen. 2018 soll zudem nahe des Supermarktes noch ein „Versorgungszentrum“ errichtet werden, also einen Neubau, in dem zum Beispiel Arztpraxen, eine Apotheke, ein Café, eine Bank und Ähnliches Platz finden soll.

Dennoch fehlte eine größere Vision für den Standort – wohin sollten sich Golm und der Wissenschaftspark entwickeln? „Hier sollte nicht am Ortsrand ein isolierter Wissenschaftsstandort hochgezogen werden, sondern eine gemeinsame Entwicklung stattfinden“, sagt Höfgen.

In Brandenburg gebe es viele Einzelansiedlungen, bei denen sich drumherum nicht viel entwickelt hat, wie zum Beispiel das Technologiezentrum in Luckenwalde. „Der Wunsch des Ortsbeirates war dabei immer: Lieber etwas langsamer bauen, eine organische Entwicklung anstreben.“ So entstand 2013 nach intensiven Gesprächen zwischen Stadt, Wissenschaftlern und Anwohnern der Maßnahmenplan Golm, der über 100 Punkte umfasste, zu denen unter anderem die Gestaltung einer neuen Golmer Mitte rund um den ehemaligen Bahnhof zählte.

Eine Million Bücher

Auch die Universität wuchs weiter: Im Jahr 2000 erhielt die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät ihren ersten großen Neubau, 2008 entstand der „Goldene Käfig“, ein neues Gebäude für die Bereiche Physik und Astronomie inklusive Refraktor-Kuppel. 2011 eröffnete die Bibliothek mit über einer Million Büchern, 2014 wurde auf 3500 Quadratmetern ein großes Drittmittelgebäude für die Naturwissenschaften gebaut, 2015 erhielt der Campus ein Haus für die Ausbildung von Lehrern an inklusiven Schulen.

Auch die außeruniversitären Institute blieben nicht untätig: 2012 wurde das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung um ein Anwendungszentrum für innovative Polymertechnologien erweitert, 2016 bauten beide Fraunhofer-Institute gemeinsam ein kleines Konferenzzentrum für 250 Personen. Das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung nahm 2015 einen Erweiterungsbau in Betrieb, das Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie errichtet derzeit ebenfalls einen Neubau für Pflanzenanzuchtkammern, Büro- und Laborflächen, der im Frühjahr 2019 fertig sein soll.

Für die weitere Zukunft des Wissenschaftsparks wurde 2016 ein gesondertes Gremium ins Leben gerufen: Die „Task Force Golm“ – bestehend aus Vertretern des Standortmanagements, der Stadt, der Uni, der außeruniversitären Institute, der Zukunftsagentur (heute Wirtschaftsförderung Brandenburg / WFBB ) und der Investitionsbank Brandenburg. Sie erstellte eine Roadmap für den Ausbau des Standortes.

Geplant: 1000 neue Arbeitsplätze, Millionen-Investitionen

Vergleichsuntersuchungen ähnlicher Standorte in Skandinavien wurden erstellt und Ziele für die nächsten zehn bis 15 Jahre fixiert: „Schaffung von mindestens 1000 neuen und hochqualifizierten Arbeitsplätzen, gewerbliche Immobilien-Investitionen in Höhe von 100 Millionen Euro, Ansiedlung von mindestens 100 kleinen, mittelständischen Unternehmen und eines großen Ankerunternehmens“, so Winskowski.

Aktuell macht der Standort große Schritte in diese Richtung: Rund um das geplante GO:IN II ist bereits eine rund 30.000 Quadratmeter große Fläche an vier Investoren verkauft worden, die dort ab 2018 neue Büros und Labore bauen wollen, darunter ein Biotech-Unternehmen, das hier seinen Firmenhauptsitz errichten will.

Auch auf der anderen Seite der Bahngleise ist Großes geplant: Hier, nördlich des Supermarktes, soll ein zehn Hektar großer „Technology Campus“ entstehen, Gewerbefläche für forschungsnahe Produktion, wo sich möglicherweise auch das gewünschte Ankerunternehmen ansiedeln könnte, so Winskowski. Derzeit beginnt die Vermarktung der Grundstücke durch die Pro Potsdam. Bis hier etwas steht, kann es aber noch fünf bis zehn Jahre dauern.

Wohnbebauung kommt voran

Etwas schneller geht es mit der Wohnbebauung: Vor kurzem eröffnete das Basecamp Golm, ein kleiner Campus mit 263 exklusiven Studierenden-Appartements, das Studentenwerk Potsdam schafft derzeit in ehemaligen Häusern der Humanwissenschaftlichen Fakultät ein Wohnheim mit 200 Plätzen. Im neuen Wohngebiet „Am Herzberg“, direkt neben dem geplanten Technology Campus, wird auch gebaut: Ein niederländisches Unternehmen errichtet vier Blocks mit insgesamt 421 Wohnungen für Studierende, Doktoranden und Postdocs. Zudem ist seit Längerem ein Boardinghaus geplant, ein Art Langzeithotel für Wissenschaftler.

Auch die Uni Potsdam schreitet voran: Sie hat sich in diesem Jahr erfolgreich für die Förderinitiative „Innovative Hochschule“ mit Schwerpunkt auf den Standort Golm beworben. Damit wird die Hochschule in den nächsten fünf Jahren vom Bund mit 6,8 Millionen Euro gefördert. Außerdem beabsichtigt sich die Uni ab 2018 als Gesellschafter zu 49 Prozent am neuen Standortmanagement beteiligen, das ab 2018 auf neun Mitarbeiter aufgestockt wird.

Die anderen 51 Prozent werden von der Stadt übernommen, die 30 Millionen Euro in den Wissenschaftspark investiert, unter anderen in das GO:IN II und das neue Standortmanagement. Und auch das Land hat eine jährliche Förderung des Standortmanagements in Höhe von 750.000 Euro zugesagt.

Zahlen und Summen, die sich einreihen in das, was seit 1994 in den Standort gesteckt worden ist: Rund 500 Millionen Euro wurden in den gesamten Wissenschaftspark investiert. Die vielbemühte Metapher von der „Investition in die Zukunft“ – hier trifft sie zu.

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