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Wissenschaftler suchen in Potsdam Formel für Glück: „Drei Wege, die zum Glück führen“

In Potsdam haben in dieser Woche 300 Experten aus dem In- und Ausland über Fragen des Wohlbefindens diskutiert. Was man machen kann, um glücklich zu werden, verrät die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Andrea Abele-Brehm, im PNN-Interview.

Frau Abele-Brehm, ich habe mir gerade ein Kilo sehr schöne Pfirsiche auf dem Markt gekauft. Reicht das zum Glücklichsein aus?

Für den Moment sicherlich. Wir unterscheiden das kurzfristige und das längerfristige Glück. Das längerfristige Glück ist das subjektive Wohlbefinden: auf der einen Seite Zufriedenheit mit dem eigenen Leben, andererseits Gefühle und affektive Zustände. Momentanes Glück findet man hingegen, wenn man sich beispielsweise schöne Pfirsiche gekauft hat oder einen Berggipfel erklimmt oder etwas Ähnliches macht, das einem Freude bereitet. So etwas kann unsere momentane Affektivität durchaus steigern.

Wir sprechen also vom Glücklichsein, nicht vom Glückhaben.

Ja, das sind zwei verschiedene Dinge. In anderen Sprachen gibt es dafür auch zwei unterschiedliche Begriffe – etwa Luck und Happiness im Englischen. „Glück haben“ hat immer mit etwas Unverdientem zu tun, das einem unverhofft zustößt – etwa wenn man im Lotto gewinnt, weil man zufällig die richtigen Zahlen getippt hat. „Glücklich sein“ hingegen hat sehr viel mehr mit einem selbst und dem eigenen Handeln zu tun.

Was kann ich tun, um glücklich zu sein?

Wir sprechen vom psychologischen Reichtum: Einerseits gibt es die Freude, den Genuss und den Spaß, dann den Sinn und drittens Aktivität und Engagement. Das sind drei verschiedene Zugangswege zum Glück. Unter Freude und Spaß würden beispielsweise auch Ihre guten Pfirsiche oder ein schönes Konzert fallen. Sinn hat viel damit zu tun, dass man sein eigenes Handeln, aber beispielsweise auch die eigene Arbeit als sinnvoll empfindet, dass man dem eigenen Leben einen Sinn geben kann. Beim Engagement geht es beispielsweise darum, anderen Menschen zu helfen. Das tut diesen Menschen, aber auch einem selbst gut, da es die eigene Stimmung hebt. Wir freuen uns daran, dass wir hilfsbereit sind.

Das Glück kommt also nicht von alleine?

So einfach kann man das nicht sagen. Das subjektive Wohlbefinden als längerfristige Befindlichkeit ist teilweise durch die Persönlichkeit und das Temperament, teilweise durch die Lebensumstände beeinflusst; zu einem Gutteil aber auch durch die intentionale Aktivität, also unser eigenes Handeln. Dazu können wir in starkem Maße beitragen.

Lässt sich Glück also trainieren?

Zumindest kann man trainieren, weniger unglücklich zu sein. Es gibt Menschen, die finden immer das berühmte Haar in der Suppe. Für manch einen ist das halb volle Glas eben ein halb leeres. Unsere Aufmerksamkeit beeinflusst unser Befinden in starkem Maße. Hier kann man etwas tun. Es gibt Ansätze, Menschen darin zu trainieren, positive Dinge, auch unwesentliche, stärker wahrzunehmen. Grundsätzlich empfindet der Mensch Negatives stärker. Das ist auch gut so, denn aus Negativem muss man lernen und man kann das besser verarbeiten, wenn man beispielsweise über eine Belastung spricht. Eine nette Geste oder ein Lächeln hingegen nimmt man oft nur als etwas Selbstverständliches wahr, obwohl es doch viel mehr ist. Eine Möglichkeit, die sich nachgewiesenermaßen gut auf das Glücksempfinden auswirkt, ist es, stärker darauf zu achten, was positiv und gut ist. Wobei der Mensch natürlich nicht immer überglücklich sein muss. Immerhin kann man aber im Alltag versuchen, die Dinge bewusster zu registrieren.

Arbeiten Sie an so etwas wie einer Schule des Glücks?

Als Forscher arbeiten wir daran, Ansätze und Methoden zu entwickeln und zu überprüfen, um Menschen dabei zu helfen, zu einer stärkeren Zufriedenheit zu gelangen. Beispielsweise ist erwiesen, dass die Lenkung der Aufmerksamkeit eine Rolle beim Wohlbefinden spielt; es ist auch erwiesen, dass etwa ehrenamtliches Engagement zufrieden machen kann. Daraus ziehen Menschen Befriedigung. Glück ist nicht etwas Egoistisches, sondern auch etwas, das sehr stark durch soziale Beziehungen hervorgerufen wird. Am allerwichtigsten ist es, positive soziale Beziehungen zu haben und zu pflegen.

Was ist Ihr Ziel?

Uns geht es vor allem um Grundlagenforschung. Ich erforsche beispielsweise, wie die Verarbeitung von Informationen und Ereignissen dazu beiträgt, dass man Dinge positiver oder negativer sieht. Ich habe gerade eine Studie zum Berufserfolg veröffentlicht. Wir haben einerseits die objektiven Faktoren wie Verdienst und Position betrachtet, andererseits aber auch die subjektiven Faktoren wie Zufriedenheit und den Vergleich mit anderen. Mit einem überraschenden Ergebnis.

Inwiefern?

Weil die Lebenszufriedenheit in erster Linie durch die subjektiven Faktoren beeinflusst wird. Es kommt also nicht so stark darauf an, ob man 200 Euro mehr verdient. Wichtiger war es den meisten Befragten, dass sie subjektiv mit ihrer Tätigkeit zufrieden sind.

Also macht Geld gar nicht glücklich?

Ich würde nicht sagen, dass Geld unglücklich macht. Keineswegs, denn Geld kann sehr wohl glücklich machen, da es ein Mittel zum Zweck ist. Mit Geld kann man sich etwas Schönes und Angenehmes leisten, etwa eine schöne Reise oder den Besuch eines Konzerts oder eben ein Kilo guter Pfirsiche. Der Besitz von Geld als reiner Selbstzweck ist dagegen weniger zum Glücklichsein geeignet. Ein Ergebnis vieler Studien ist auch, dass bei bereits gut verdienenden Menschen ein leichter Zuwachs weniger bedeutsam für ihr Wohlbefinden ist. Bei Geringverdienern hingegen kann das sehr wohl viel bewirken.

Bedarf Glück auch einer gewissen Ergebenheit in die Dinge?

So ist es. Es geht auch um die kleinen Dinge des Lebens. Man kann nicht immer einen Gipfel besteigen. Mit Glück ist sehr viel mehr gemeint als nur Spaß und Freude.

Warum gelingt es manchen Menschen nicht, glücklich zu sein?

Dabei spielen das Temperament, die Persönlichkeit und die Genetik eine Rolle. Wir gehen davon aus, dass 30 bis 50 Prozent des Wohlbefindens angeboren sind. Dann bleiben aber immer noch mindestens 50 Prozent übrig. Auch gilt das nur für das durchschnittliche Wohlbefinden, nicht aber für momentane Schwankungen. Es ist wichtig zu lernen, sich an kleinen Dingen zu erfreuen, nicht immer das Große zu erwarten, nicht immer im Mittelpunkt stehen zu müssen. Wenn man die Erwartungen etwas herunterschraubt, fällt es leichter zufrieden zu sein.

Und wenn das Glück droht abhanden zu kommen?

Wichtig ist, auch einmal innehalten zu können, dass man aus dem Hamsterrad herauskommt. Den ganzen Tag zu arbeiten, in der Freizeit noch die Mails und Sozialen Medien zu checken, fernzusehen, ohne Aktivitäten, bei denen soziale Beziehungen im engeren Sinne gepflegt werden, das tut uns nicht gut. Auf der Straße sieht man immer mehr Menschen, die alleine sind und sich mit ihrem Smartphone unterhalten. Was tun die, wenn sie jemanden treffen? Unterhalten sie sich dann weiter mit jemand anderem über einen anderen Kanal? Hier kann man eine Menge tun, wenn man die sozialen Kontakte direkt pflegt. Innehalten bedeutet auch zu schauen, ob man im Hamsterrad ist, und wie man da wieder herauskommen kann. Das dauerhafte Arbeiten führt zur Unzufriedenheit und ist ineffektiv. Öfter mal Pause machen ist enorm wichtig, nicht nur kurze, sondern auch lange Pausen wie Urlaub. Abstand nehmen, aus der Routine ein wenig herausgehen, sich von außen betrachten – das ist von großer Bedeutung für das Wohlbefinden.

Wann waren Sie das letzte Mal glücklich?

Vor wenigen Tagen erst, da habe ich mich mit meinen erwachsenen Kindern getroffen. Wir hatten sehr gute Gespräche, waren zusammen, sind gewandert. Das hat mich glücklich gemacht.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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ZUR PERSON: Andrea Abele-Brehm (64) ist Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Erlangen und derzeit auch Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.

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