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Homepage: Wenn keiner mehr da ist

Die Geografin Katharina Mohring hat mit einer Studie belegt, dass Brandenburgs Schüler weg wollen

Brandenburgs Schüler hält es kaum noch im Lande. Sowohl die Schüler, die ein Studium planen als auch die, die eine Ausbildung anstreben, zeigen in den Randregionen Brandenburgs schon vor dem Abitur eine hohe Bereitschaft, das Land zu verlassen. Zu diesem Ergebnis kommt die Potsdamer Geografin Katharina Mohring in einer Studie. Befragt wurden über 1000 Schüler im Alter von 17 bis 19 Jahren an 13 Brandenburger Schulen.

Die zukünftigen Studierenden zeigen demnach die größte Flexibilität, nur rund zehn Prozent suchen einen Studienplatz ausschließlich in Brandenburg, 23 Prozent können sich ein Studium außerhalb Deutschlands vorstellen, den Großteil aber zieht es nach Berlin. Schüler, die an einer Fachhochschule studieren wollen, würden eher noch die Bereitschaft zeigen, in Brandenburg zu bleiben, wo es neben drei Universitäten immerhin sechs Fachhochschulen gibt.

Bei den Schülern, die eine Ausbildung machen wollen, sei die Flexibilität nicht so hoch wie bei den Studierwilligen. „Sie lehnen Brandenburg als Ausbildungsort nicht ab“, erklärt Katharina Mohring. Allerdings würden auch sie eine ungewöhnlich hohe Bereitschaft zur Abwanderung zeigen.

Dass es junge Menschen kaum noch in Brandenburg hält, ist inzwischen bekannt. Die junge Geografin Katharina Mohring hat die Fragebögen aber auch danach durchgeschaut, woran das liegen könnte. Was die zukünftigen Studierenden betrifft, kommt sie zu dem Schluss, dass in erster Linie die periphere Lage der beiden Unis in Frankfurt/Oder und Cottbus abschreckend auf die Schüler wirke. Die Potsdamer Uni hingegen sei eher begehrt. Bei den Schülern mit Ausbildungswunsch stehe vor allem die schlechte Situation auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt im Vordergrund. Es sei eine negative Wahrnehmung der Situation zu beobachten. „Und das sogar unabhängig davon, wie die Situation tatsächlich ist“, erklärt die Absolventin der Potsdamer Uni. Bei solch einer subjektiven Stimmung müsste man nun nachfragen, inwieweit ein negatives Bild von Eltern, Lehrern und Medien unnötig aufgebaut und weitergegeben wird. „Die Chancen, die es vor Ort tatsächlich aber gibt, werden per se negativer bewertet“, stellt Mohring fest.

Die schlechten beruflichen Perspektiven sind letztendlich auch der wichtigste Grund, warum viele Brandenburger Schüler nicht mehr in ihre Regionen zurückkehren oder dort wohnen bleiben wollen, wenn sie die Ausbildung oder das Studium abgeschlossen haben. Verstärkt werde der Pessimismus der Schüler durch die tatsächliche Abwanderung. „Wenn soziale Bindungen durch Abwanderung verloren gehen, dann wollen die Schüler nur noch weg“, erklärt die Geografin. „Was soll ich hier noch, wenn keiner mehr da ist“, habe etwa ein Schüler im Fragebogen geantwortet.

Viele der Schüler würden eigentlich lieber in ihrer Region bleiben. „Hier kommt aber eine Art Abwärtsspirale in Gang“, so Mohring. Diese starken Einflüsse auf die Mobilitätsbereitschaft der Schüler lassen sich allerdings überwiegend in den Berlin-fernen Regionen feststellen. Je näher man an Berlin heran komme, desto stärker würden sich die Schüler auf die Metropole ausrichten.

Gefragt nach Kritikpunkten am Wohnort bemängelten nahezu die Hälfte der Teilnehmer die Jugendarbeit und Freizeiteinrichtungen: die Angebote in diesen Bereichen seien zu schlecht, zu wenig und zu teuer. Kritisch gesehen wurden auch mangelnde Verkehrverbindungen, die Überalterung der Gesellschaft und schlechte Einkaufsmöglichkeiten. Letztlich sei aber die fehlende Arbeit der ausschlaggebende Grund für den Gedanken an die Abwanderung. Die Ergebnisse unterscheiden sich allerdings je nach Größe des Wohnortes: die Jugendlichen in Dörfern und in größeren Städten seien recht zufrieden mit ihrem Umfeld, in Kleinstädten hingegen sei der Pessimismus bezüglich von Ausbildungsplätzen und die Unzufriedenheit mit dem Wohnort größer.

Auch dass vor allem junge Frauen bereit sind, dem Land den Rücken zu kehren, belegt die Studie. Frauen mit Studienwunsch würden nur eine sehr geringe Bereitschaft zeigen, in Brandenburg zu bleiben. Die Wohnortbindung sei ihnen weniger wichtig als jungen Männern. „Frauen werden höchstwahrscheinlich durch die generell negativere Wahrnehmung ihrer Chancen beeinflusst“, schätzt Mohring. Das gleiche gelte auch für Schülerinnen, die eine Ausbildung machen wollen.

Katharina Mohring selbst macht beim Thema Abwanderung allerdings eine Ausnahme. Nach dem Abitur in Berlin hat sie in Potsdam Geografie studiert. Weil es hier kleiner und übersichtlicher war als an einer Berliner Uni. Sie habe nie den Wunsch gehabt, die Region zu verlassen. Heute lebt die 30-jährige Mutter einer kleinen Tochter mit ihrem Mann in Potsdam. Im Frühjahr tritt sie einen Job am Institut für Geografie an der Potsdamer Uni an. Die Studie zur Mobilitätsbereitschaft von Schülern war zugleich ihre Abschlussarbeit an der Universität.

Nach den Ergebnissen ihrer Studie hält die Geografin es nun für sinnvoll, geeignete Maßnahmen gegen die Abwanderung zu suchen. Sie denkt dabei unter anderem an Netzwerke und Rückkehrprogramme, wie es sie beispielsweise in Sachsen-Anhalt schon gibt. Vor allem müsste aber auch die Beratung der Arbeitsagenturen für Schüler intensiviert und speziell auf den Brandenburger Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ausgerichtet werden.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass man niemanden zwingen kann zu bleiben. Vor allem bei Studierenden sei es in einem gewissen Grade normal, dass man die Region aus der man stammt zum Studium verlässt, eben auch um neue Erfahrungen zu machen und Abstand zu den Eltern zu gewinnen. In Brandenburg aber sei die Dimension der Abwanderung vergleichsweise höher als in den alten Bundesländern. Dass der Wunsch wegzugehen auch bei künftigen Auszubildenden stark vertreten ist, überraschte schließlich die Wissenschaftlerin. „Das habe ich so nicht erwartet“, schließt Katharina Mohring.

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