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Projekt Familie. Die ersten drei Jahre mit Tochter und Filmstudium fielen der Studentin Neelesha Barthel nicht leicht. Doch sie hat die Erfahrungen in ihre Filme einfließen lassen.

© HFF

Von Neelesha Barthel: Wie im Leben

Aus einer Familiengeschichte wurde an der Filmhochschule HFF eine Filmgeschichte

Irgendwie geht es in den meisten meiner Filme um Familie. Dieses Thema hat mich schon immer beschäftigt. Vielleicht, weil bei uns zu Hause nicht alles so bilderbuchmäßig lief, wie in anderen Familien. Meine Eltern studierten noch an der Filmhochschule und waren sehr jung, als ich geboren wurde. Meine Mutter war Inderin und mein Vater ist Deutscher. Zwei verschiedene Welten prallten aufeinander und Konflikte blieben nicht aus. Kinder bekommen vieles mit. Wenn ich in den Ferien meine indische Verwandtschaft besuchen durfte, wurde mir eingeprägt wie wichtig Familie ist. Meine Kinderseele sehnte sich nach einem intakten Familienleben und das wünsche ich mir heute immer noch. Wahrscheinlich kreisen deshalb viele meiner Filme um die Frage: Wie kann so etwas heute „funktionieren“?

In „Fifty Fifty“ – meinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm fürs Fernsehen – will ich wissen, warum sich zwei meiner Freundinnen von den Vätern ihrer Kinder getrennt haben und wie sie sich Betreuung und Fürsorge der Kinder teilen. Damals selbst noch kinderlos, bewunderte ich die beiden sehr jungen Mütter und war später richtig enttäuscht, als ihr „Projekt Familie“ misslang. Ihre Trennung mit ansehen zu müssen tat weh. Ich montierte den Film so, dass zumindest im Bild beide Paare am Ende des Films wieder vereint waren.

Erst später, als ich selbst Mutter wurde, verstand ich plötzlich, warum sich Paare heute schnell trennen. Dabei war ich so zuversichtlich, das Filmemachen und Familienleben unter einen Hut bringen zu können. Ganz so wie meine Eltern und ihre Kommilitonen damals in der DDR es getan hatten. Doch das klappte bei mir mehr schlecht als recht und der Preis war hoch. Ich hatte Stress ohne Ende, was sicher zum Scheitern meiner Beziehung mit beitrug. Gelegentlich denke ich, ich hätte mir mehr Zeit nehmen sollen. Erst Zeit zum Mutter sein und danach Zeit zum Studieren. Aber dann hätte ich wiederum viele Erfahrungen nicht gemacht, die mich schließlich zu meinem Abschlussfilm inspirierten. In „Zwei zu Dritt“ – einem RBB-Movie – geht es um Arbeitsteilung und Rollenmuster unter dem enormen Druck des Arbeitsmarktes. Susa und David sind arbeitslos und leben mit ihrem Sohn Levi in einer klitzekleinen Wohnung. Dann bekommen beide gleichzeitig einen Job und der Seiltanz beginnt. Levi passt scheinbar nicht mehr ins Leben seiner Eltern und die Familie gerät in Gefahr auseinanderzubrechen.

Beide Filme „Fifty Fifty“ und „Zwei zu Dritt“ offenbaren meine Methode. Ich arbeite autobiografisch, übernehme aber eigene Erfahrungen nicht 1:1. Was mich stark emotional berührt und beschäftigt, das suche ich auch bei Anderen. Aus Gesprächen, Reflektionen und Eindrücken, aus ganz vielen Einflüssen entsteht dann die Geschichte. Es ist somit nicht nur meine Geschichte. Viele Menschen sollen sich in meinen Filmen wiederfinden, auch wenn sie noch keine eigene Familie haben.

Mit meiner Tochter und ihrem Vater lebe ich jetzt ein Patchworkmodell. Wir kommen erstaunlich gut miteinander aus. Das fasziniert mich jeden Tag aufs Neue. Zugleich aber macht es mich unendlich traurig, wenn ich sehe, wie andere Kinder unter der Trennung ihrer Eltern leiden müssen. Da ist es beinahe zwangsläufig, dass ich mich mit diesem Thema beschäftige. Gegenwärtig schreibe ich an meinem Debütfilm „Marry Me & Family“. Da bekommt eine deutsch-indisch-türkische Berliner Patchworkfamilie überraschend Besuch von der indischen Großmutter, die noch nichts von der Scheidung weiß. Die alte Dame steht im Ruf die Traditionen hochzuhalten und wegen ihres Herzleidens darf sie auf keinen Fall aufgeregt werden. Was folgt sind viele komische wie tragische Liebes- und Familienverstrickungen.

Meine Tochter ist jetzt fünf Jahre alt und sie macht uns so viel Freude. Hätte ich sie erst nach dem Studium bekommen, wäre ich Mitte dreißig gewesen. Ich fand es schön eine junge Mutter zu sein. Sicher waren die ersten drei Jahre hart, aber Kinder sind was Tolles und ich möchte eines Tages mehr. Supereltern hier, Armuts- und Karriererisiko dort – es wird viel zu viel geredet und der gesellschaftliche Diskurs ist wenig konstruktiv. Dabei vergeht den jungen Leuten die Lust auf Kinder. Vielleicht können meine Filme in diese Richtung etwas Mut machen – indem sie sich dem Thema auf leichte und komische Weise annehmen.

Neelesha Barthel

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