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Von Armin Klein: Von der Kaderschmiede zum Master-Abschluss

Potsdamer Lehrerbildung: Vor 60 Jahren wurde die Brandenburgische Landeshochschule eröffnet

In Potsdam erhielten in den vergangenen 60 Jahren mehr als 30 000 Lehrerinnen und Lehrer eine fachliche, fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Ausbildung. Hinzu kommt die Qualifikation von 10 000 Nachkriegsneulehrern im Fernstudium. Alles begann mit der Gründung der „Brandenburgischen Landeshochschule“ am 20. Oktober 1948 und ersten 159 Studierwilligen, darunter viele wenig qualifizierte Neulehrer. Bald wurde aus der Landeshochschule die „Pädagogische Hochschule Potsdam“ (PHP). Schnell sprach es sich in der DDR unter Abiturienten herum, dass man hier am Rande von Sanssouci unter nahezu „sanatoriumsähnlichen Bedingungen“ in acht Semestern Lehrer werden konnte, unterrichtet in einem Schloss mit modernen Labors, Hörsälen und Seminarräumen. Schon bald hatte sich die Studierendenzahl verzehnfacht.

Tatsächlich garantierte die PHP zunächst einmal eine hohe Qualität des Unterrichtsfachstudiums mit Einbeziehung der Studenten höherer Semester in die Forschung. Ab 1953 gab es Fachdidaktikabteilungen, die mit schulpraktischen Übungen, Schulexperimenten, fachspezifischen Lehrmethoden und Unterrichtsmitteln aufwarteten und zusätzlich zu den Vorlesungen und Einstiegspraktika der Pädagogen und Psychologen für eine wirkliche Lehrer-Studienatmosphäre sorgten.

Natürlich befand sich die Pädagogische Hochschule als Kaderschmiede für eine Lehrerschaft, die die Jugend zu sozialistischen Persönlichkeiten, zu Patrioten und Internationalisten mit marxistisch-leninistischer Weltanschauung erziehen sollte, stets im Blickfeld der SED- und Staatsführung. Lehrinhalte wurden von Zentralen Fachkommissionen beim Volksbildungs- und Hochschulministerium festgelegt. Besonders waren die Studierenden von der Hochschulleitung und dem Jugendverband (FDJ) zu hohen Leistungen im 300-stündigen marxistisch-leninistischen Grundstudium angehalten. Gerechterweise muss man allerdings sagen, dass die Studierenden aus „materialistisch-kritischer Sicht“ auch mit Kant, Schopenhauer, Hegel, Nietzsche und anderen in Berührung kamen.

An der „Roten Festung“, wie die PHP oft genannt wurde, gab es fortwährend einen gewissen Druck auf die Fachwissenschaftler aller Coleur, ihre Lehre stärker politisch-ideologisch zu durchdringen, so in den Literaturwissenschaften durch Auseinandersetzungen mit unliebsamen Schriftstellern, in den Naturwissenschaften mit deren Rolle beim Aufbau des Sozialismus und ihren Wechselwirkungen mit der marxistisch-leninistischen Philosophie. Der politisch-ideologischen Erziehung der Studierenden dienten darüber hinaus obligatorische Wehrerziehungslager, Ernteeinsätze und der Kampf der Seminargruppen um den Titel „Sozialistisches Studentenkollektiv“. Aber bei allem Leistungs- und Indoktrinationsdruck gab es an der Pädagogischen Hochschule natürlich auch ein gemeinschaftliches Studentenleben, begünstigt durch die Seminargruppenstruktur, das gemeinsame Leben in Wohnheimen oder die Aktivitäten außerhalb der Hochschule.

Nach der Wende versuchten engagierte, an der 1991 gegründeten Universität verbliebene, PHP-Mitarbeiter und neu hinzugekommene Lehrkräfte, die positiven Seiten der DDR-Lehrerbildung in ihrer Einheit von Theorie und Praxis in einem „Potsdamer Modell der Lehrerbildung“ aufzufangen und auf das übernommene bundesdeutsche Lehramtsstudium mit 8-9 Semestern Universität, 24 Monaten schulischen Vorbereitungsdienst und zwei Staatsprüfungen zu übertragen. Doch bereitete die Umsetzung des „Potsdamer Modells“ Schwierigkeiten. Der neue Universitätsstatus führte natürlicherweise zu einer Dominanz der Fachwissenschaften und ihrer Diplomstudiengänge. Bei den für die Lehrerausbildung ungemein wichtigen Fachdidaktiken wurde zeitweise der Rotstift angesetzt. Zunächst gegründete interdisziplinäre Zentren für Lehr- und Lernforschung sowie für pädagogische Forschung und Lehrerbildung lösten sich auf.

Seit einigen Jahren ist nun das „Zentrum für Lehrerbildung der Universität Potsdam“ (ZfL) der Anlaufpunkt für alle in die Lehrerbildung involvierten über 3400 Studierenden, die Mitglieder des Lehrkörpers und Schulmentoren. Das ZfL ist derzeit vor allem mit der Neuprofilierung des Lehrerstudiums befasst, mit der Umstellung auf den Abschluss „Bachelor of Education“ und eine sich anschließenden drei- beziehungsweise viersemestrigen Stufe mit Abschluss „Master of Education.“ Studiert wird in aufeinander aufbauenden „Modulen“. Die Lehrerbildung in Potsdam wirkt also mit ihren 60 Jahren durchaus nicht wie eine „alte Dame“. Wieder einmal ist Innovation angesagt.

Der Autor absolvierte 1954-58 in Potsdam ein Lehrerstudium und war dann 30 Jahre an der PHP Lehrerbildner.

Armin Klein

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