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Kein Durchhänger. Andreas Vick (r.) vom Campusradio mit seinem Team.

© A. Klaer

Von Anja Priewe: „In Golm herrscht kulturelle Totenstille!“

Die Macher vom Campusradio wollen eine neue Studentenkultur fördern / Gesendet wird im Internet

„Der schlimmste anzunehmende Fall ist doch der: Ein Student, der in Berlin wohnt, nur zu den Seminaren nach Potsdam kommt und am kulturellen Campusleben gar nicht teilnimmt.“ Für Cindy Stöckigt eine Art Super-Gau. Schuld an der kulturellen Einöde auf dem Campus Golm ist nach ihrer Meinung vor allem das straff organisierte Bachelor-Studium, das freizeitliches Engagement kaum zulässt. Dem Trott des ständigen Lernens war auch die 23-Jährige lange Zeit verfallen. „Ich wollte mein Studium in der Regelstudienzeit durchziehen. Dafür habe ich von morgens bis abends gebüffelt. Am Ende gab es trotzdem unbefriedigende Noten.“ Irgendwann wollte Cindy da nicht mehr mitmachen. Den Ausweg fand sie durch ihre Mitarbeit beim Campusradio „Funk up“ der Universität Potsdam. Dafür nahm sie sogar die Verlängerung ihres Studiums in Kauf. Mittlerweile ist sie glücklich über ihre Entscheidung. „Bevor ich zum Campusradio kam, gab es in meinem Uni-Alltag allerhand Frust“, sagt die heute lebenslustige Lehramtsstudentin.

Dass das Radioprojekt auch bei seinen Hörern gut ankommt, zeigen die mehr als 500 Internetzugriffe pro Woche. „Hier können wir uns ausprobieren und man ist stolz, wenn eine Sendung erfolgreich produziert wurde. Außerdem kommt immer wieder positives Feedback“, sagt Cindy.

Heute geht es um die diesjährigen Wahlen zum Studierendenparlament, die vom 14. bis 16. Juli stattfinden. In der Sendung sollen die einzelnen Kandidaten und ihr Programm vorgestellt werden.

Cindy sitzt in der Aufnahmeleitung und spricht Veronika Kirgis, die zum ersten Mal moderiert, Mut zu. Cindy ist eine fröhliche junge Frau. Sie steckt voller Elan. Als die zwei Moderatoren einen Durchhänger haben, klebt sie ihnen eine Nachricht gegen die Glasscheibe der Sprecherkabine. Darauf hat sie ein lachendes Gesicht gemalt und motivierende Worte geschrieben. Die Arbeit beim Radio bedeutet Cindy viel. Mit ihren Reportagen hofft sie die Gesellschaft ein Stück weit verändern zu können. Sie möchte auf soziale Brennpunkte aufmerksam machen, so wie in der fünften Sendung, als sie über das Schicksal einer in Potsdam lebenden afghanischen Flüchtlingsfamilie berichtete. „Ich will die Menschen zum Nachdenken anregen. Es gibt so viele spannende Themen, über die es zu berichten gilt“ sagt sie.

Die Sendeinhalte vom Campusradio sind bunt gemischt. „Jeder, der eine Idee hat, kann bei uns mitmachen“, erklärt Andreas Vick, der das Radioprojekt Anfang dieses Jahres ins Leben gerufen hat. „Inhaltlich folgen wir selten einem Motto. Wichtiger sind Themen, mit denen sich unsere Hörer identifizieren können, zum Beispiel die Europawahl, der Bildungsstreik oder eben die Stupa-Wahlen in der kommenden Woche. Dabei geht es uns nicht ausschließlich um den Uni-Alltag, auch fremde Themen sind willkommen“, sagt Andreas. So ging es in einer Sendung um Rock ’n’ Roll und Vogelkunde. Die Idee dazu hatte Cindy, die in ihrer Freizeit bei einer Gruppe Ornithologen aktiv ist. Für die Reportage nahm sie ihr Aufnahmegerät einfach mit in den Wald.

Eigentlich wollte Andreas ursprünglich gar nicht Radio machen. Als Referent im Studierendenrat ging es ihm generell um eine Belebung der studentischen Kultur. Dass es Radio wurde, war eher zufällig. „Hier in Golm herrscht kulturelle Totenstille. Für mich war das ein unhaltbarer Zustand“, sagt der Student der Politikwissenschaft voller Empörung. Er sieht die Sache ähnlich wie Cindy. „Ich wollte meinen Kommilitonen zeigen, dass es mehr gibt, als immer nur Seminarscheinen hinterher zu jagen.“ Der 25-Jährige kennt viele Studenten, die für ein Leben außerhalb des Vorlesungssaals keine Zeit haben und von einer Campuskultur nichts wissen wollen. „Die wenigsten haben Lust sich neben dem Studium zu engagieren“, stellt er resignierend fest.

Andreas hat ständig neue Ideen. Im letzten Jahr organisierte er ein großes Sommerfest. Gerade ist er dabei ein Studentencafé einzurichten. „Für mich ist es wichtig, dass am Universitätsstandort Golm Orte geschaffen werden, an denen sich Studenten treffen können. Bisher gibt es dafür eigentlich nur die Mensa.“

Seit der ersten Sendung im April ist viel passiert. Die technische Ausstattung ist erweitert worden und auch das Moderieren gelingt zunehmend besser. „Außerdem lernen wir bei jeder neuen Sendung dazu. Unsere eigenen Erfahrungen zu machen, ist uns dabei wichtig. Deshalb haben wir uns bewusst gegen fremde Hilfe von außen entschieden.“ Angefangen hat Campusradio mit fünf Leuten. Seitdem wächst das Redaktionsteam kontinuierlich. „Trotz des anstrengenden Studiums kommen jetzt plötzlich die Studenten zu uns und wollen mitmachen“, erzählt Andreas. Für ihn ist das die größte Überraschung.

Die einstündige Radiosendung erscheint jeden Freitag im Internet. Sie kann als Audiodatei heruntergeladen werden unter http://funkup.me/.

Anja Priewe

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