zum Hauptinhalt
Leichte Schwere. Die Auseinandersetzung mit der Gestaltung schwebender Massen ist am Uni-Campus Griebnitzsee zu sehen.

© Andreas Klaer

Von Almut Andreae: Massen und Fugen

Zwei Ausstellungen zeigen momentan, was Potsdamer Kunsterzieher-Studenten leisten

Offene und geschlossene Formen, rund oder eckig-kantig, filigran oder massig: Im oberen Foyer von Haus 1 des Universitätskomplexes Babelsberg-Griebnitzsee steht Dreidimensionales von den zwölf Kunststudenten der Hauptklasse Plastik und Skulptur für unterschiedliche Herangehensweisen an ein und dieselbe Aufgabenstellung. Styropor, Gips, Ton, Holz und Metall sind die Materialien, aus denen die ausstellenden Studenten auf individuelle Weise Position beziehen. Dabei ging es darum, eine Form zu schaffen und eine Formgebung zu gestalten, bei der trotz vorhandener Masse in der Gesamtwirkung ein schwebender Charakter entsteht: „Un(schwer)“, so der Arbeits- und schließlich Ausstellungstitel der Studenten im vierten Fachsemester.

Claudia Güttner, Leiterin der Hauptklasse Plastik und Skulptur, und ihren Studierenden ist es gelungen, diese Aufgabenstellung trotz reglementierter Kurszeiten innerhalb eines Semesters zu meistern. Dabei konnten die Studenten auf Erfahrungen zurückgreifen, die sie zuvor im Grundkurs mit spielerischen Formübungen machten und hierbei modellhaft ihre Ideen entwickelten. Mit dem Potenzial der Massenverteilung gingen sie in der Vorbereitung ihrer Ausstellung, die am Mittwochabend eröffnet wurde, sehr unterschiedlich um. Unabhängig von dem tatsächlichen Gewicht der durchweg im mittleren Format realisierten Arbeiten sind manche Skulpturen filigran in ihrer Wirkung, andere dagegen füllig, massig und erdenschwer. Während die einen Werke in die Höhe streben und in den Raum ausgreifen, lagern andere Arbeiten am Boden.

Das Ergebnis der konstruktiven Auseinandersetzung mit der Gestaltung schwebender Massen kann sich sehen lassen. Zumal es für den Großteil der sich in diesem Rahmen präsentierenden Studenten des Bachelorstudiengangs Kunst in Lehrämtern das erste Mal sein dürfte, mit ihrer künstlerischen Arbeit an die Öffentlichkeit zu gehen.

Ihnen gegenüber besitzen Judith Kerste und Alex Oberhoff, die zurzeit im Rahmen der Ausstellung „Fugenbilder“ in der Ticket-Galerie Nikolaisaal ihre Malerei zeigen, einen erheblichen Vorsprung an Erfahrung. Beide stehen aktuell an der Schwelle zwischen ihrem Kunststudium fürs Lehramt, das sie in Kürze mit dem 1. Staatsexamen abschließen werden, und dem dann beginnenden Referendariat. Beide haben auch bereits in der Vergangenheit ausgestellt.

Thematische Schnittmenge ist in der aktuellen Ausstellung die Fuge. Die beiden Examenskandidaten haben das Thema formalästhetisch rein abstrakt gelöst. „Der kontrollierte Zufall“ hat Alex Oberhoff seine in großer Zahl entstandenen Papierarbeiten im Format 88 x 55 cm und einige wenige Leinwandbilder genannt. Mit Tinte, Beize, Lack und Acryl hat er die Farbe gekippt, gesprüht und über die Fläche gepustet. In immer neuen Konstellationen bekommt man es bei diesen kontrastreichen Facetten des kontrollierten Zufalls mit energetisch aufgeladenen Formationen sich versprühender Farbexplosionen zu tun. Von der Fuge hat Alex Oberhoff das Prinzip der Wiederholung und Variation in seine Arbeit übernommen. Blatt für Blatt experimentiert er dieses aufs Neue durch.

Ein ähnlicher Ansatz lässt sich bei Judith Kerste finden. „Ich habe mich im Prinzip von der Fuge inspirieren lassen“, kommentiert sie ihre abwechselnd in Acryl oder Mischtechnik auf Karton oder Leinwand gemalten Fugenbilder. „Zwischenspiel“, „Kontrapunkt“, „Polyphonie“ oder „Variation“ hat sie ihre Interpretationen der musikalischen Fuge getauft. Meist schwungvoll, mit dynamisch breitem Pinselstrich, hat sie sich der Fuge angenähert. Zahlreiche Gespräche mit befreundeten Musikern und intensives Hineinhören in die Fugenmusik begleiteten den sich über ein halbes Jahr hinziehenden Produktionsprozess. So wie Alex Oberhoff hat Judith Kerste in ihrer Malerei die Wiederholung eines musikalischen Themas und dessen Wandlung in unterschiedlichen Variationen in Form und Farbe adaptiert. Übereinandergelegte Farbschichten werden dabei zum Konstruktionsprinzip.

Ausstellungen der Sorte „Un(schwer)“ oder „Fugenbilder“ werden zur Rarität. Die Hoffnung, dass sich an der beschlossenen Schließung des Studiengangs Kunst in Lehrämtern an der Universität Potsdam noch irgendetwas ändern könnte, ist nach Auskunft der Betroffenen so gut wie vom Tisch. Doch bereits jetzt sei ein kontinuierlich ansteigender Bedarf an neuen Kunsterziehern in den nächsten zehn Jahren abzusehen. Dann wird Brandenburg wohl nach Kunstlehrern in anderen Bundesländern Ausschau halten müssen.

„Fugenbilder“ bis 30. Juli, Ticket-Galerie Nikolaisaal, Mo bis Fr 10-17 Uhr und Sa 10-14 Uhr. „Un(schwer)“ bis 27. Juni im oberen Foyer von Haus 1 der Universität, August-Bebel-Straße 89, geöffnet Mo bis Fr 8-20 Uhr und Sa 8-13 Uhr.

Almut Andreae

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false