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Homepage: Vom Sexleben der Schusterpalme Die Schusterpalme wird von Krebsen bestäubt

Im Botanischen Garten der Universität Potsdam gibt es zahlreiche exotische und heimische Pflanzen zu bewundern. In den PNN stellt der Kustos Michael Burkart einmal im Monat eine dieser Pflanzen vor.

Im Botanischen Garten der Universität Potsdam gibt es zahlreiche exotische und heimische Pflanzen zu bewundern. In den PNN stellt der Kustos Michael Burkart einmal im Monat eine dieser Pflanzen vor.

Sie ist der Inbegriff einer langweiligen Topfpflanze: Die Metzger- oder Schusterpalme (Aspidistra elatior). Ihre deutschen Namen weisen auf ihre Anspruchslosigkeit hin – selbst am Fenster der dustersten Schusterwerkstatt, aus Geiz oder Armut kaum geheizt, hielt sie ihre schwärzlichgrünen Blätter tapfer empor, als sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Topfpflanze populär wurde. Nach einer Karriere in den großbürgerlichen Wintergärten des viktorianischen Englands avancierte sie dort schließlich zum Inbegriff des spießigen Kleinbürgertums, wenigstens für George Orwell, der sie 1936 im Titel seines Romans „Keep the Aspidistra Flying“ verewigte (deutsch „Die Wonnen der Aspidistra“, eigentlich eher „Lang lebe die Schusterpalme“). Der Roman handelt von einem Möchtegern-Dichter, dessen sozialer und finanzieller Abstieg mit den Schusterpalmen kontrastiert, die selbst in den übelsten Absteigen wunderbar gedeihen, in denen der Held der Geschichte logieren muss, und das, obwohl er die Pflanzen auch noch wirklich schlecht behandelt. Schließlich gibt er seine künstlerische Attitüde auf, nimmt einen Job in der Werbebranche an, heiratet seine Freundin, die er zuvor – Auslöser des Umschwungs – geschwängert hat, und installiert im neuen Familienheim – eine Schusterpalme.

Die Pflanze hat neuerdings wieder Konjunktur bei Innenraumgestaltern. Mit ihren großen, unverwüstlichen Blättern in kalt-schwarzgrüner Färbung bedient sie den aktuellen Bedarf an Robustheit und optischer Klarheit bei einem Minimum an lebendiger Ausstrahlung, wie es sich in ihrem englischen Namen cast-iron plant („Gusseisenpflanze“) widerspiegelt. Dies spricht allerdings eher gegen die Innenraumgestalter als gegen die Pflanze, denn für ihr Aussehen kann sie nichts. Und wenn es ihr einigermaßen gut geht, überrascht sie sogar mit Blüten. Etwas bizarr, fast pilzartig, öffnen sie sich direkt an der Erdoberfläche – in ihrer Heimat, immergrünen Eichenwäldern der südjapanischen Insel Kuroshima, sogar vergraben unter der Laubstreu des Waldes. Die Blütenbecher sind rund zwei Zentimeter groß und im Inneren durch eine schildförmige Narbe gedeckelt. Becher und Deckel bilden eine Art Pollenkammer.

Über das Sexualleben der Schusterpalme gab es bislang nur Mutmaßungen. Selbstbestäubung ist durch die räumliche Anordnung der Blütenorgane weitgehend ausgeschlossen. Nacktschnecken und Pilzmücken galten als mögliche Bestäuber. Japanische und australische Forscher scheinen das Rätsel nun gelöst zu haben. Sie untersuchten die in den Pollenkammern anzutreffenden Bodenlebewesen und identifizierten landbewohnende Flohkrebse als mutmaßliche Bestäuber. Auf Kuroshima war es eine dort heimische Art. In Australien gab es dagegen noch eine besondere Überraschung. Die im Botanischen Garten von Adelaide angepflanzten Schusterpalmen wurden von einem Flohkrebschen besucht, das selbst nicht dort heimisch, sondern aus Nordaustralien eingewandert war – eine ungewöhnliche Liaison zwischen zwei fremden Arten. Michael Burkart

Blühende Schusterpalme sind derzeit im Palmenhaus des Botanischen Gartens an der Maulbeerallee zu sehen. Am 9. Januar gibt es dort um 14 Uhr das Kinder-Aktionsprogramm „Zeitreise in die Welt der Dinosaurier“. Infos und Anmeldung auf www.botanischer-garten-potsdam.de.

Michael Burkart

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