zum Hauptinhalt
Seit 2008 ist Frauke Langguth die Leiterin von ARD-Text.

© Thilo Rückeis

Videotext in Zeiten des Internets: Das unterschätzte Massenmedium

Trotz aller Abgesänge wird der Teletext täglich von rund elf Millionen Deutschen genutzt. Ein Besuch bei der ARD-Text-Redaktion in Potsdam.

Richtig Ärger gab es, als die Ergebnisse der Kegelbundesliga aus dem ARD-Teletext gestrichen wurden. Tagelang standen die Telefone von Frauke Langguth und Joachim Kotelmann nicht mehr still. „Nahezu jeder Verband in Deutschland hat sich bei uns beschwert“, sagt Kotelmann. Auch als die ungarische Fußballliga aus dem Textprogramm genommen wurde, meldeten sich erboste Zuschauer. Man habe das machen müssen, sagt Langguth: „Wir sind nicht das Internet, unser Platz ist begrenzt.“

Seit 2008 leitet Langguth die ARD-Teletext-Redaktion, die beim Rundfunk Berlin-Brandenburg in Potsdam angesiedelt ist, Kotelmann ist ihr Stellvertreter. Mit zehn Mitarbeitern entsteht in Potsdam der Großteil des ARD-Teletextes, nur Teile der Nachrichten steuern die Mitarbeiter der „Tagesschau“ direkt aus Hamburg bei. Mit vier Millionen Besuchern pro Tag ist der ARD-Text erfolgreicher als viele Nachrichtenseiten im Internet. „Unser Vorteil ist die große Nachrichtendichte auf einen Blick“, sagt Langguth. Zwar wirkt der Teletext mit seiner schlichten Pixel-Optik heute aus der Zeit gefallen, doch er ist noch immer ein Massenmedium. Rund elf Millionen Deutsche, so eine Erhebung von 2016, nutzen täglich mindestens einmal den Teletext. Die Faszination lebt, allen Abgesängen zum Trotz.

Bald Karaoke via Teletext?

„Als ich hier angefangen habe, dachte ich, dass ich das zwei oder drei Jahre mache“, sagt Langguth. Videotext wurde von der Jugend nicht mehr genutzt und seit der Umstellung auf Digitalfernsehen galt das Angebot als Auslaufmodell. Doch Langguth blieb und modernisierte den Teletext Stück für Stück. Inzwischen kann man Teletext-Inhalte online und auf einer Smartphone-App lesen. Für Nutzer von HbbTV – also Fernsehgeräten, die mit dem Internet verbunden sind – gibt es einen neuen, Teletext, bei dem Textfarben und Kontraste verstellt werden können. Bilder, Grafiken und sogar Eilmeldungen bietet der neue Teletext an. Auch neue Formate, wie Teletwitter haben Langguth und ihr Team eingeführt. Zuschauer können dabei Sendungen wie den „Tatort“ live kommentieren. Im Moment überlege man, große Schlagersendungen zu untertiteln. Langguth gefällt die Idee: „Dann machen wir Karaoke via Teletext.“

Trotz aller Neuerungen bleibt jedoch der klassische Videotext mit seinen 800 Seiten mit je 25 Zeilen à 40 Zeichen am erfolgreichsten. Theoretisch können an jede Seite noch bis zu 90 Unterseiten angehängt werden, in der Praxis sind es aber selten mehr als drei. „Als Franz Beckenbauer 70 wurde, da haben wir mal eine siebenseitige Reportage gebracht“, sagt Langguth. Ansonsten wolle man sich aber auf kurze Nachrichten fokussieren. „Damit sind wir so modern wie Twitter – nur uns gibt es schon viel länger.“

Besonders beliebt ist die "251" - die Bundesligaseite

Besonders beliebt sind die Proramm- und Sportseiten. „Unser wichtigster Tag ist der Samstag, wenn Bundesliga ist“, sagt Joachim Kotelmann. Bis zu zehn Millionen Zuschauer hätten zu Hochzeiten die Bundesligaseite „251“ allein an einem Mittag aufgerufen, erinnert sich Kotelmann, der bereits seit 1981 Teletext macht. Damals sei der Sport ein Katalysator bei der Entwicklung des Teletextes gewesen.

Möglich wurde das anfangs, weil sich ein analoges Fernsehbild aus 625 Zeilen zusammensetzte, für die Übertragung der Sendesignale jedoch nur 576 erforderlich waren. Mitte der 70er Jahre hatten britische Techniker des BBC eine Methode entwickelt, um die ungenutzten Zeilen als Untertitel für Gehörlose zu senden. „Bei Fußballspielen schrieb eine fitte Sekretärin den Kommentar des Moderators mit“, sagt Kotelmann. Es ist die Geburtsstunde des Teletextes, der 1980 auch in Deutschland in Betrieb geht.

96 Prozent aller Sendungen im Ersten sind untertitelt

Teletext als Mittel der gesellschaftlichen Einbindung – damit schließt sich ein Kreis. Denn seit dem Confed Cup 2005 versuchen ARD und ZDF gezielt, ihr Programm über Teletext-Untertitel Gehörlosen anzubieten. „Inzwischen sind 96 Prozent der Sendungen im Ersten untertitelt. Nur Werbung und Wahlspots bearbeiten wir nicht“, sagt Christoph Rewicki, Leiter der Untertitel-Abteilung, die sich neben der Teletext-Redaktion befindet.

Statt schnell schreibender Sekretärinnen benutzen Rewicki und seine 33 Kollegen eine Sprachsoftware. Da die Redakteure das Bild vier Sekunden vor dem Zuschauer sehen, bleibt genug Zeit, Untertitel einzusprechen und abzuschicken. „Bei Sportübertragungen müssen wir der Software aber oft neue Namen beibringen“, sagt Rewicki. Theoretisch könnten dann sogar Spiele der ungarischen Liga fehlerfrei untertitelt werden – und die Kegelergebnisse bieten jetzt die Dritten im Teletext an.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false