zum Hauptinhalt
Unter Druck. Die PIK-Analyse zeigt, wie der Jetstream von Süden gegen die Alpen strömt; so wird auch das Adriawasser Richtung Venedig gedrückt.

© Abb: PIK/S. Petri

Unwetter und Hochwasser: Veränderter Jetstream möglicher Auslöser von Schneechaos

Die Unwetter und das Schneechaos in den Alpen und Italien sind möglicherweise Folge einer ungewöhnlichen Höhenströmung, berichten Potsdamer Klimaforscher.

Potsdam - Die stellenweise dramatische Lage durch heftigen Schneefall, Lawinen, Starkregen, Sturm und Hochwasser im Süden Österreichs, Südtirol und Italien der vergangenen Tage ist für den Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf kein Indiz, das gegen die Erderwärmung spricht. Im Gegenteil: „In Österreich ist es zu warm für die Jahreszeit, so wie beim Rekordschnee im letzten Winter“, erklärt der Ozeanologe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Universität Potsdam. „Die Luft saugt sich über dem zu warmen Mittelmeer mit Wasserdampf voll und strömt gegen die Alpensüdseite“, schreibt Rahmstorf auf Twitter. 

Eine Schleife nach Süden

Im vergangenen Winter hätten sich die Luftmassen über der zu warmen Nord- und Ostsee vollgesaugt, um dann gegen Alpennordseite zu strömen. Am Gebirge regnet oder schneit das Wasser ab, je nach Höhenlage – was im Vorjahr das Schneechaos in den deutschen Alpen verursachte. Rahmstorf sieht einen Zusammenhang zwischen solchen Wetterlagen und Veränderungen der Höhenströmung Jetstream. Die automatische Jetstream-Analyse des Potsdam-Instituts zeige, wie die Strömung eine Schleife nach Süden über das Mittelmeer macht, bevor sie nach Norden gegen die Alpen strömt. Klimatologen beobachten seit einigen Jahren ein Mäandern des Jetstreams, das ungewöhnliche Zugbahnen der Tiefdruckgebiete und blockierte Hochdrucklagen mit sich bringen kann. Parallel dazu beobachten Meteorologen und Forscher, dass die Arktis aktuell extrem warm ist. „Dies hänge wahrscheinlich mit der Destabilisierung des Jetstream zusammen“, so Rahmstorf.

Temperaturanomalie am 18. November 2019. 
Temperaturanomalie am 18. November 2019. 

© GFS/PIK

Venedig könnte langfristig untergehen

Der Tiefdruck über Italien sorgte fast im ganzen Land für Unwetter: In Südtirol kam es zu Lawinen und Hangrutschungen, in Rom entwurzelte am Wochenende ein Sturm zahlreiche Bäume, auch die Toskana war von Unwettern betroffen. Venedig musste gleich zwei Mal hintereinander Rekordhochwasser verzeichnen. Durch die starke Südwindlage wurde das Adriawasser nach Norden geschoben. Stefan Rahmstorfs PIK-Kollege Anders Levermann sagte „Zeit-online“ dazu, dass selbst bei Einhaltung des 2-Grad-Ziels von Paris Venedig langfristig untergehen werde.

Ein mediterraner Hurrikan

Vorläufer der Unwetter, die auch in Frankreich wüteten, war unter anderem das Unwettertief „Detlef“, das Anfang der vergangenen Woche über dem westlichen Mittelmeer Ausmaße eines „Medicane“ – einem mediterranen Hurrikan – angenommen hatte. Das Tief zog am 11. November südwärts in Richtung Algerien und nahm dabei eine spiralförmigere Gestalt an. Zudem bildete sich ein deutliches „Auge“ heraus, ein wolkenarmes Zentrum, ähnlich, wie dies bei Hurrikanen der Fall ist. Die ungewöhnlich südliche Lage des Jetstreams transportiert gegenwärtig immer wieder Tiefdruckgebiete von Nordafrika über das Mittelmeer nach Südeuropa. Über dem noch warmen Meerwasser können sie sich zu Unwettertiefs entwickeln.

Lage bleibt angespannt

Am Dienstag setzten an der Alpensüdseite erneut starker Regen und Schneefall ein, auch wenn die Niederschlagsmengen nicht so extrem waren wie zuvor. Die Lage bleibt angespannt, weil die Böden stark durchweicht sind, Lawinen und Hangrutschungen jederzeit möglich sind. In Teilen Österreichs hat es im laufenden Monat bereits viermal so viel geregnet und geschneit wie sonst in einem gesamten November.

An der Wetterstation in Kötschach im Süden des Landes waren bis Montag in 72 Stunden 251 Liter pro Quadratmeter gefallen. Das entspricht knapp der Hälfte des Jahresniederschlages von Berlin. Statistisch betrachtet sind die Niederschläge der vergangenen 72 Stunden im Raum Lienz in Osttirol so hoch gewesen, wie sonst nur alle 40 bis 50 Jahre. Die nächsten Tage soll der Niederschlag aber nachlassen und die Lage sich entspannen. 

Zur Startseite