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Konsequent: Der Chef des Denver-Clans heißt weiterhin Blake Carrington (John Forsythe, Zweiter von links).

© Netflix

Unverwüstliche 80er: Netflix legt "Denver-Clan" neu auf

Nach „Dallas“ kehrt nun „Denver-Clan“ zurück. Netflix hat die erfolgreiche Serie der 80er Jahre an die Gegenwart angepasst.

Filmemachen ist ein berechenbares Gewerbe. Wer ein Publikum von messbarer Größe erreichen will, muss nur folgendes beachten: Der dramaturgische Ansatz sollte nicht zu verstiegen sein, die Besetzung der Hauptfiguren bekannt, das Thema möglichst eingängig. Nur ein Prinzip funktioniert noch besser: Altbekannte Figuren in altbekannten Serien mit altbekannten Plots!

Bildschirm und Leinwand sind daher voller Prequels, Sequels, Serials, Remakes, Reboots. Auch das TV-Programm wird zügig mit Recyclingmaterial verfüllt. „Conan“, „McGyver“, „Hawaii Five-O“, „Gilmore Girls“ – die Zahl wiedererweckter Formate der goldenen TV-Ära wächst nahezu stündlich. Neue Versionen sind einfach lukrativer als neue Ideen. Und damit herzlich Willkommen zurück im „Denver-Clan“!

Genau 30 Jahre, nachdem das Finale der Ölmagnaten-Saga aus Colorado im ZDF lief, wird sie nun auf Netflix reinkarniert. Zielgruppe von „Dynasty“, wie das Remake im Original heißt, sind dabei weniger die analogen Nostalgiker der Generation Fernsehlagerfeuer, als Digital Natives der Generation Streamingdienst. Aus dem gravitätischen Familienpatriarchen Blake Carrington (John Forsythe) wird deshalb der draufgängerische CEO gleichen Namens (Grant Show) und aus seiner flatterhaften Tochter Fallon (Pamela Sue Martin) ein promiskuitives Alphatier (Elizabeth Gillies). Gab es Randgruppen anno 1981 nur als Dienstpersonal, ist Schwiegersohn Jeff Colby (Sam Adegoke) nicht nur farbig, sondern betucht. Und während Al Corley die Homosexualität des Erstgeborenen Steven höchstens in ein paar zarten Gesten (und sehr vielen Blicken) andeuten durfte, spielt ihn James Mackay nun beherzt schwul.

Dieselben Charaktere im gleichen Wirtschaftsimperium ähnlicher Machtgespinste und Luxusdekorationen – das hat drei gute Gründe. Zwei davon heißen Esther und Richard Shapiro, die den Evergreen einst ersonnen hatten und abermals als ausführende Produzenten fungieren. Der dritte, ungleich wichtigere ist die schier unversiegbare Anziehungskraft der Achtzigerjahre, dieses stilistisch ewig wiedergeborenen Jahrzehnts. Wie nahezu jedes kulturelle Konsumgut von Pop bis Mode klaubt auch das Fernsehen jeden Krümel der fiktional einflussreichsten Fernsehepoche vom Boden auf.

Von Denver nach Atlanta

Optisch wird der beige-goldene Spießerprunk von damals zwar einer Frischzellenkur unterzogen, weshalb das mondäne Anwesen der Carringtons im unterkühlten Skiort Denver einer Art Barbie-Villa im hitzigen Atlanta weicht. Die Ausgangslage rivalisierender, aber eng verbandelter Clans indes bleibt identisch. Nur: Damit ist ausgerechnet der große Bruder von „Denver“ unlängst baden gegangen. Vor sechs Jahren hatte sich die CBS-Legende „Dallas“ an einer Fortsetzung auf dem Spartenkanal TNT versucht. Dass längst kein Hahn mehr danach kräht, lag sicher auch am Tod des Hauptdarstellers Larry Hagman während der Dreharbeiten zur zweiten Staffel. Inhaltlich jedoch war das Sippendenken der Fortsetzung im Shareholder-Kapitalismus schlicht zu altbacken für ein junges Publikum und zu zappelig für Fans der ersten Stunde.

Das ist freilich nicht nur sechs Jahre, sondern eine Art populistischen Putsch her. Mit Donald Trump sitzt die Mixtur aus neobarockem Narzissmus und neoliberalem Revanchismus und wenn man so will aus J.R. Ewing und Blake Carrington im Weißen Haus. Angesichts der schnell geschnittenen, hypersexualisierten, oft aseptischen Video-Ästhetik des „Denver“-Reboots sehnt man sich rasch ins gemütliche Original zurück. Immerhin:Der neue Look erinnert derart konsequent ans digital verbreitete Luxusleben der „Rich Kids of Instagram“, dass die Serie zumindest dort durchaus ankommen könnte. Jan Freitag

„Der Denver-Clan“, Netflix, erste Staffel, ab Donnerstag verfügbar

Jan Freitag

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