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Keine Fernsehbühne: Das ZDF verschob die "Böhsen Onkelz" ins Voting-Nirwana

© imago

"Unsere Besten - Musikstars aller Zeiten": „Böhse Onkelz“, gutes ZDF: Das Zweite manipulierte weitere Show

Eine Fernsehbühne für rechtsextreme Bands? Da berechnete der öffentlich-rechtliche Sender das Zuschauervoting lieber neu.

In dem Lied „Türken raus“ heißt es: „Türkenfotze raus, Türkenfotze, Türkenfotze, haut’s ihm in die Schnauze. Türkenfotze, Türkenfotze, raus, raus, raus! Türkenfotze“. Ist von 1981, ist von den „Böhsen Onkelz“. Nicht zweideutig, sondern eindeutig rassistisch. Ein Songtext, der jeden ZDF-Mitarbeiter – und beileibe nicht nur den – in den Schweißausbruch treibt.

Der Abstand zwischen dem öffentlich-rechtlichen Sender und den „Böhsen Onkelz“ ist gewaltig. Aber Ende 2007, da hatte sich die Distanz gefährlich verringert, die extrem rechte Band war kurz vor dem Sprung ins ZDF-Programm. Der Sender hatte zuvor zur Zuschauerabstimmung für die geplante Show „Unsere Besten – Musikstars aller Zeiten“ aufgerufen. Eine Vorschlagsliste mit 250 Namen von Klassik bis Pop, von Rock über Hip-Hop bis Volksmusik war ins Netz gestellt worden, Peter Alexander, Roberto Blanco, Udo Jürgens, aber auch Manfred Krug und Richard Wagner standen drauf. Eine „Vorschlagsliste“, die die Voter nach eigenem Gutdünken erweitern konnten.

Schupps, waren die "Böhsen Onkelz" auf Platz 1

Da ließen sich die Fans der „Böhsen Onkelz“ nicht zwei Mal bitten. Sie klickten und klickten und klickten und – schwupps – war die Band auf Platz eins. Uneinholbar. Im ZDF gab es Ohnmachtsanfälle. Was nun, was tun? Die verantwortliche Redaktion nahm eine „Neuberechnung“ vor. ZDF-Sprecher Alexander Stock bestätigte dem Tagesspiegel diesen Vorgang und erklärte ihn so: „Die früheren Shows stützten sich nicht auf repräsentative Umfragen, sondern auf Online-, Post und Telefonbefragungen. Dabei wurde darauf geachtet, dass offensichtliche Blockvotings etwa von Fangruppen herausgefiltert wurden. Das betraf auch die genannte Band in der Musiksendung.“ Der Auftritt der „Böhsen Onkelz“ war verhindert worden. ZDF-Sprecher Stock konnte nicht sagen, ob dieses „Blockvoting“ auch beim späteren Siegertrio – Herbert Grönemeyer, Udo Jürgens, Wolfgang Amadeus Mozart – angewandt und negiert worden sei.

Bei den „Böhsen Onkelz“ jedenfalls wurde das Voting genau angeschaut, schließlich mit Wissen des damaligen Programmdirektors und heutigen Intendanten Thomas Bellut neu kalkuliert. In der Sendung Ende November 2007 wurde die Platzierung der „Onkelz“ mit Rang 25 angegeben. Still und heimlich und von Moderator Johannes B. Kerner nicht weiter kommentiert. Die ZDF-Unterhaltungswelt, sie war wieder heil.

Schafft es Adolf Hitler in die Top 100?

Sendermitarbeiter berichten, dass diese Votings für das erfolgreiche Ranking-Format immer wieder zu kleineren und größeren Krisen geführt hätten. Bei „Unsere Besten – Jahrhundert-Hits“ 2005 waren rechtsradikale Bands, die von Fangruppen in die Votingliste geschleust worden waren, wieder ausgeschlossen worden, „Rammstein“ blieb aber drin. Bei der Wahl „Unsere Besten – Wer ist der größte Deutsche?“ bestand Angst, dass Adolf Hitler es irgendwie in die Top 100 schaffen würde. Also waren deutsche Diktatoren und Massenmörder a priori ausgeschlossen, andererseits erlaubte der Sender, so steht es im „ZDF-Jahrbuch 2003“, bei dieser Ausgabe organisiertes Gruppenvoting. „So schaffte es Adolph Kolping mithilfe des Kolpingwerks auf Rang 11, Robert Bosch durch die Unterstützung der engagierten Boschbelegschaft auf Rang 14 und Daniel Küblböck auf den Schultern seiner Fans auf Rang 16“, schrieb ZDF-Kulturchef Peter Arens.

Offenbar ist Blockvoting ja nach Ausgang mal von Übel und mal von Nutzen. Das alles erfahren die Zuschauer nicht, ihnen wird ein „amtliches Endergebnis“ vorgegaukelt. Die jetzt bekannt gewordenen Usancen passen ins Bild, in den Skandal um die manipulierte Rangliste bei der Show „Deutschlands Beste“. Das ZDF arbeitet weiter an der lückenlosen Aufklärung, der Fernsehrat macht Druck. Beim ZDF-Sommerfest in Berlin äußerten sich Sendermitarbeiter empört über das „doofe Verhalten“ der Unterhaltungskollegen, arbeitsrechtliche Konsequenzen werden erwartet, angekündigt sind sie schon. Die betroffenen Mitarbeiter sollen sich um Anwaltsbeistand kümmern.

Was wusste Showchef Oliver Fuchs?

Entscheidend für das interne Klima wie das öffentliche Bild des öffentlich-rechtlichen Senders wird sein, wie die Aufarbeitung ausfallen wird. Programmdirektor Norbert Himmler, heißt es in der Anstalt auf dem Mainzer Lerchenberg, soll bei Bekanntwerden der Manipulation aus allen Wolken gefallen sein. Was wusste Showchef Oliver Fuchs? Nichts, das wäre schlimm. Wusste er was? Auch schlimm.

ZDF-Intendant Thomas Bellut zeigte sich zuversichtlich, dass sein Sender über den „Ranking-Skandal“ hinwegkommen werde: „Das kriegen wir schon hin.“ Mit dem Beispiel der „Böhsen Onkelz“ hat sich die Frage zum „Hinkriegen, aber wie?“ erweitert: Sind die bekannt gewordenen Fälle Ausnahmen oder ist die Voting-Manipulation im ZDF systemisch? Dann wäre jede Glaubwürdigkeit dahin und das öffentlich-rechtliche ZDF ein unglaubwürdiger Sender. Joachim Huber

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