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Oliver Günther.

© Andreas Klaer

Universität Potsdam: Günther: „Präsident der Universität Potsdam ist für mich ein Traumberuf"

Oliver Günther zieht ein positives Resümee seiner bisherigen Zeit als Präsident der Universität Potsdam. Mitte Mai stellt er sich als einziger Kandidat erneut zur Wahl. Die Hochschule steht besser da denn je, doch es gibt auch Frustration.

Herr Günther, die Fakultät für Digital Engineering, die jüdische Theologie, mehrere Graduiertenkollegs, die Inklusionspädagogik und die Bewerbung zur Exzellenzinitiative – all das haben Sie in den vergangenen fünf Jahren mit auf die Beine gestellt. Sie müssen ein ziemlich zufriedener Hochschulchef sein.

In der Tat, wir sind gut vorangekommen. Die Rolle Potsdams als vierte große Forschungsuniversität in der Hauptstadtregion konnte gefestigt werden. Die Hochschule ist national und international sichtbarer geworden, das Selbstbewusstsein ist gewachsen. Es gibt mehr Graduiertenkollegs und hoffentlich bald auch wieder einen Sonderforschungsbereich, wir haben einige wichtige Preise eingeheimst, nicht nur für die Forschung, sondern auch für Lehre und Transfer. Die Zusammenarbeit mit den außeruniversitären Instituten auch im Kontext der Exzellenzstrategie des Bundes ist so gut wie nie zuvor. Es macht Spaß, wenn es so voran geht.

Was kommt als Nächstes?

Beim Gesundheitscampus Brandenburg zeichnet sich ab, dass wir zusammen mit der BTU Cottbus-Senftenberg und der Medizinischen Hochschule Brandenburg eine neue Fakultät errichten werden. Die Rahmenbedingungen dafür sind gut, man muss so eine Gelegenheit dann auch beim Schopf ergreifen. An der neuen Fakultät für Gesundheitswissenschaften können dann medizinische Doktorgrade verliehen werden. Das passt auch gut zum Bereich Digital Health an unserer neuen, aus dem Hasso-Plattner-Institut hervorgegangenen Digital Engineering Fakultät.

In digitalen Bereich ist auch Berlin gut aufgestellt.

Es gibt eine natürliche Konkurrenz zwischen Berlin und Potsdam, insgesamt haben wir aber einen gemeinsamen Wissenschaftsraum. Wenn wir in Zukunft in Potsdam 40 IT-Lebenszeitprofessuren haben, sind das zusammen mit den über 60 in Berlin gute 100. Und das ist dann eine richtige Hausnummer.

Sie sind der einzige Kandidat zur Wahl des Uni-Präsidenten. Ist Ihnen das nicht etwas unangenehm?

In meinem Fall greift zum ersten Mal das zweistufige Verfahren des Landeshochschulgesetzes, wonach eine Findungskommission eine Auswahl aus den Bewerbungen trifft, die anschließend dem Senat zur Wahl gestellt wird. Das ist ein schwieriges Spannungsfeld, und ich respektiere die Entscheidungen der zuständigen Gremien.

Was werden Sie den Senatorinnen und Senatoren sagen, warum sie Sie wieder wählen sollen?

Es muss neben den Verdiensten der Vergangenheit vor allem um die Sicht nach vorne gehen. Hier zeichnen sich hochinteressante Perspektiven für die Potsdamer Universität ab. Die sind allerdings keine Selbstläufer. Wir wollen die Rolle der Universität als intellektuelles Zentrum und als Kultur- und Konjunkturmaschine des Landes ausbauen. Dazu gehören Bausteine wie das Engagement in Gesundheitsbereich, aber auch die weitere Stärkung des Transferbereichs, der schon jetzt zu den leistungsstärksten Deutschlands gehört. Auch die bauliche Seite muss weiter geplant werden, denn an allen vier Standorten – inklusive Rehbrücke – sind Ausbauten vorgesehen. Kooperationen mit der Wirtschaft werden in Golm verstärkt Thema sein. Das hat sich bereits gut entwickelt. Aber da ist noch viel mehr Musik drin.

Was würden Sie in einer neuen Amtszeit als Erstes angehen?

Wahrscheinlich wird es dann erst einmal wieder um das Thema Geld gehen. Die Frage ist, wie die mittelfristige Finanzierungsperspektive aussieht, was das Land von uns erwartet, dabei werden die Studierendenzahlen und die Lehrerbildung eine wichtige Rolle spielen. Sollte ich wiedergewählt werden, wäre bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahres über die Eckpunkte zu sprechen. Wir sind bereit, gerade im kritischen Bereich der Lehrerbildung noch mehr zu leisten, quantitativ wie auch qualitativ. Bei unseren Start-ups wollen wir neben Golm auch in Griebnitzsee noch zulegen.

Ist eine Expansion bei den Studierendenzahlen denkbar?

Wir haben in Potsdam den Luxus, dass die Nachfrage nach unseren Studienplätzen sehr hoch ist. Wir wollen nicht in die Zeiten zurückfallen, in denen die Studienzahlen hochgefahren wurden ohne angemessene Ausfinanzierung. Billigstudienplätze lehnen wir ab. Aber wenn das Land bereit ist, sich adäquat zu engagieren und auch der Bund sich einbringt, können wir in Potsdam auch über mehr Studienplätze sprechen.

Über welche Dimension sprechen wir?

Denkbar wären bis zu 5000 Plätze mehr, womit wir dann bei 25 000 Studierenden wären. Das würde natürlich viele Millionen Euro kosten, insofern ist das ein politisches Thema. Der Raum ist insbesondere in Golm vorhanden, auch an den anderen Campi ist noch mehr möglich. Wir stellen uns dieser Herausforderung gerne. Wir sollten dabei auch nicht vergessen, dass Brandenburg nach wie vor weniger als jedes andere Bundesland in seine Hochschulen, in Forschung und Entwicklung investiert. Derzeit gerade einmal eineinhalb Prozent des Bruttoinlandsproduktes, bundesweit üblich sind drei Prozent.

Solche Ausbauten erfordern auch einen Aufbau nach innen. An der Hochschule wächst derzeit allerdings der Unmut, gerade bei den internen Strukturen bestehe großer Reformbedarf, heißt es.

In der Tat muss im Bereich der Personalentwicklung und auch der Schulung mehr getan werden. Wir wollen Personal in der Verwaltung und auch im wissenschaftlichen Bereich aufstocken. Das erfordert ein gewisses Umdenken, wenn man lange Jahre im Mangel gelebt hat wie wir. Die Mittel sollen nachhaltig und langfristig eingesetzt werden. Die richtige Balance zwischen einem gesunden Selbstvertrauen, einer mit dem Land abgestimmten Wachstumsstrategie und einer gesunden internen Personalstruktur, die die Bedarfe angemessen abdeckt, muss noch gefunden werden.

Inwiefern ist die innere Steuerung der Hochschule auch Sache des Präsidenten?

Die Arbeit des Präsidenten ist ungefähr zur Hälfte Innen- und zur Hälfte Außenpolitik. Außen geht es um Politik, Wirtschaft und Kultur, Präsenz und Sichtbarkeit, innen geht es um Struktur, angemessene Personalausstattung, inhaltliche Schwerpunkte und Forschungsförderung.

Das Innere obliegt ja auch dem Kanzler.

Mein Verhältnis zu unserem Kanzler ist ausgezeichnet. Wir sind nahezu täglich im Gespräch zu Maßnahmen finanzieller und personeller Art.

Die Universität hat mittlerweile eine ganze Reihe von Leuchttürmen aufgestellt. Was sagen Sie den Bereichen, die nicht dazu gehören?

Niemand muss sich abgehängt fühlen. Wir haben aufgrund der erfolgreichen Hochschulvertragsverhandlungen mit dem Land die glückliche Situation, niemandem etwas wegnehmen zu müssen, um anderswo etwas aufzubauen. Natürlich evaluieren wir unsere Studiengänge regelmäßig, und wenn Fächer oder administrative Einrichtungen auf Dauer mittelmäßige Leistungen erbringen, muss man über deren Zukunft nachdenken. Aber wir bauen in den Bereichen, in denen wir uns stark fühlen, weiter aus.

Also in den Geo-, Bio- und Kognitionswissenschaften

zunehmend aber auch in den Geistes- und Gesundheitswissenschaften sowie in der Angewandten Mathematik und Informatik. Dort gibt es viele erfreuliche Entwicklungen, wo sich Professoren verschiedener Fachgebiete zusammen tun und sich daraus etwas Großes entwickelt. Da sind keine Kürzungen geplant – schon gar nicht in der Grundlagenforschung, wie manchmal kolportiert wird. Die soll auch in den Geisteswissenschaften ausgebaut werden. So haben wir gerade in der Geschichte mit Sönke Neitzel eine hochkarätige Nachbesetzung hinbekommen. In der Romanistik ist eine in die Zukunft weisende Nachbesetzung im Gange, in der Slawistik ebenso – es wird nirgends gekürzt. Wir suchen bei Nachbesetzungen Personen, die mit einer 20-Jahre-Perspektive an ihr Fach herangehen, Schwächen erkennen und positiv in die Zukunft schauen. Dabei profitieren wir derzeit von dem Generationswechsel. Die Emeritierungen – und auch die für Wissenschaftler zunehmend schwierigen Arbeitsumstände in anderen Ländern, auch den USA – erlauben es uns, viele gute junge Leute nach Potsdam holen zu können.

Sie setzen auf Spitzenforschung im Dienst des Landes. Wo bleibt dabei die Lehre?

Mehr Forschung geht nicht auf Kosten der Lehre. Wir schneiden bei innovativer Lehre sehr gut ab und waren eine der ersten systemakkreditierten Hochschulen Deutschlands. Es gibt keinen Grund zum Pessimismus. Wir nutzen die finanziellen Aufwüchse, um in Forschung und Lehre, voranzukommen. Oft befruchten sich auch beide Bereiche im Sinne des Humboldtschen Ideals.

Zum Beispiel?

Beispielsweise mit der Neuaufstellung des Zentrums für Lehrerbildung, das nun auch für Bildungsforschung zuständig ist. Hier wurden Forschung und Lehrerausbildung auf eine sehr innovative Weise zusammengebracht. Gerade der Bereich Lehrerbildung wird auch vom Land mit hoher Priorität behandelt. Die Frage, wie der Lehrerberuf im Zeitalter der Digitalisierung attraktiv gestaltet werden kann, bewegt weltweit. Damit junge Menschen ihre Potenziale voll ausschöpfen können, braucht man andere Lehrerpersönlichkeiten als vor 30 Jahren. Diese neuen Lehrer wollen wir in Potsdam ausbilden. Und dazu müssen Lehre und Forschung Hand in Hand gehen.

Es herrscht Lehrermangel in Brandenburg und Berlin.

Zwecks noch besserer, praxisnaher Vorbereitung auf den Lehrerberuf verstärken wir das Personal für die schulpraktischen Übungen. Bei 6000 Lehramtsstudierenden ist es eine Herausforderung, alle schon sehr früh mit der Schulpraxis in Berührung zu bringen. Aber hier muss etwas passieren. Gerade dieser Bereich bietet sich auch für zusätzliche innovative Maßnahmen an, wenn wir mit dem Land über Finanzaufwüchse sprechen.

Heute kommen Studienanfänger mit ganz unterschiedlicher Ausbildung an die Uni.

Auch das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Wir begrüßen die Tatsache, dass heute über die Hälfte eines Jahrgangs an einem Hochschulstudium interessiert ist. Aber nicht jeder, der interessiert ist, ist auch geeignet. Das führt natürlich zu entsprechendem Aufwand bei der Auswahl und Betreuung. Es gibt viele Maßnahmen, etwa das Universitätskolleg – aber es ist nicht einfach, diese 50 Prozent so auszubilden, dass man jedem Individuum gerecht wird.

Nach einem langen Kampf um die Finanzen der Universität wirken Sie nun etwas zufriedener.

Wir freuen uns über die Aufwüchse der Landesmittel, wenngleich diese hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben sind. Mit mehr Geld kann man auch mehr für das Land tun. Insofern müssen wir auch mittel- und langfristig denken.

Worin liegt die größte Herausforderung für die Hochschule?

Sicherlich darin, dass wir in der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit und Politik als ganz essentieller Leistungsträger für das Land Brandenburg wahrgenommen werden müssen. Wenn die brandenburgischen Hochschulen als wesentlicher Garant von Frieden, Wohlstand und Lebensqualität gesehen werden, müssen wir uns um den Rest keine Sorgen machen. Dann können wir mit entsprechender Ausstattung auch Großes leisten.

25 Jahre Uni Potsdam bedeutete im vergangenen Jahr auch die Aufarbeitung der Wendegeschichte der Hochschule. Was haben Sie aus dem langwierigen Prozess gelernt?

Das Wort Aufarbeitung gefällt nicht jedem, aber das Zurückblicken und Reflektieren der eigenen Geschichte war unbedingt notwendig. Da war viel aus den Anfangsjahren unter dem Teppich geblieben, vielleicht auch absichtlich darunter gekehrt worden. Nur Transparenz hilft, die Stärken und Schwächen einzelner Personengruppen und Konstellationen auch anzuerkennen. Ich sehe den Prozess zudem nicht als abgeschlossen an, auch in einer kommenden Amtszeit will ich die Thematik weiter verfolgen. In einigen Jahren soll ein weiteres Symposium folgen, um allen Seiten die Möglichkeit zu geben, sich zu positionieren. Als Grundlage für eine historische Forschung, die sich sicher noch Jahrzehnte hinziehen wird.

Sie haben in den USA studiert und geforscht. Inwiefern hat das Ihren Führungsstil geprägt?

Ganz wesentlich. Der Kontrast zwischen der in den 1980er-Jahren noch stark durch die Ordinarienmentalität geprägten deutschen Hochschule und dem wesentlich offeneren amerikanischen System hatte großen Einfluss auf mich. Angefangen mit der Rolle der Doktoranden, die an den US-Spitzenuniversitäten als Juniorwissenschaftler wahrgenommen wurden, mit denen die Professoren gerne zusammenarbeiten. Das war ein fast kollegialer Umgang, während im deutschsprachigen Raum seinerzeit noch eine Assistentenkultur vorherrschte. Ich blieb auch im Anschluss an meine Promotion noch einige Zeit in den USA, weil ich dort schon als junger Wissenschaftler völlige Freiheit hatte. Als Universitätspräsident sehe ich mich nun als eine Art Dirigent, der die vielen hochbegabten Solisten zusammenbringt. Keine Hierarchie, sondern ein gemeinsames Nachdenken, in dem man im gegenseitigen Austausch die beste Strategie sucht.

Was ist in Ihrer bisherigen Amtszeit nicht so gut gelaufen?

Natürlich gibt es Dinge, mit denen ich nicht zufrieden bin. In einer zweiten Amtszeit soll die Digitalisierung der Hochschule eine wesentlich zentralere Rolle spielen. Ein anderes Problem sehe ich darin, dass man nicht immer hinreichend darauf bedacht ist, alle Hochschulmitglieder mitzunehmen. Im Bereich der inneren Führung und Kommunikation ist sicherlich noch mehr möglich.

Zur Beginn ihrer Amtszeit hatte ich Sie gefragt, wie lange es dauert, bis Sie sich an einer anderen Hochschule bewerben oder in die Politik wechseln. Nun scheinen Sie hier ganz zufrieden zu sein.

Präsident der Universität Potsdam zu sein ist für mich ein Traumberuf. Dabei ist auch von Vorteil, dass die Uni noch nicht ganz oben ist, da gibt es Spielräume. Die habe ich in den vergangenen fünf Jahren mit meinen Kolleginnen und Kollegen erkundet, und ich freue mich auf die Fortsetzung.

Wie sieht der Plan B aus, wenn es nach dem dritten Wahlgang nicht reicht?

Dann werde ich eine Professur für Wirtschaftsinformatik an der Potsdamer Uni wahrnehmen, das ist auch ein wunderbarer Beruf.

Wo sehen Sie die Universität und ihren Präsidenten in zehn Jahren?

2027 werde ich 65 Jahre alt sein und mir sicher Gedanken zu meiner weiteren Lebensplanung machen. Jetzt steht für mich erst einmal die von mir angestrebte nächste Amtszeit an. Die Hochschule sehe ich 2027 als eine der vier großen, international sichtbaren Forschungsuniversitäten im Raum Berlin-Potsdam, dieser Raum wird dann noch großartiger dastehen als heute – auch dank vielfältiger neuer Forschungsverbünde.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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Oliver Günther (55) ist seit 2012 Präsident der Universität Potsdam. Der Wirtschaftsinformatiker war zuvor Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Uni Berlin. Am 17. Mai wählt der Senat der Uni Potsdam turnusgemäß den Präsidenten für die neue Amtsperiode, die am 1.1.2018 beginnt. Zehn Interessenten hatten sich für das Amt des Präsidenten der Universität Potsdam beworben. Im März einigte sich eine Findungskommission des Landeshochschulrates auf den Amtsinhaber Oliver Günther als einzigen Kandidaten. Die Kommission konnte laut Hochschulgesetz bis zu drei Kandidaten benennen. Man habe aufgrund der konkreten Bewerberlage und eines detaillierten Vergleichs der Erfahrungen der Bewerber entschieden, hieß es. Vor der Wahl des Senats wird sich der Amtsinhaber und Kandidat Oliver Günther der Hochschulöffentlichkeit vorstellen und und zu einer Aussprache zur Verfügung stellen.

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