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Wahida Alomar (l.) absolvierte das Refugee Teachers Programm - hier bei der Absolventenfeier zu sehen - und unterrichtet nun an einer Potsdamer Grundschule.

© Sebastian Gabsch PNN

Uni Potsdam: Programm für geflüchtete Lehrer geht weiter

Die Finanzierung des Vorzeigeprogramms "Refugee Teachers" an der Uni Potsdam ist für zwei Jahre gesichert. Es hilft geflüchteten Lehrern, in Deutschland zu arbeiten.

Von Valerie Barsig

Potsdam - Sie tut in Potsdam das, was ihr auch als Lehrerin in Syrien am Herzen lag: Grundschulkinder fördern und ihnen zuhören, wenn es Probleme gibt. Wahida Alomar ist 2016 mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen aus dem syrischen Aleppo nach Deutschland geflohen. In Potsdam angekommen, absolvierte sie das Refugee Teachers Program, das die Uni Potsdam 2016 startete und das bundesweit als beispielhaft gilt. Geflüchteten Lehrern ermöglicht es den Wiedereinstieg in ihren Beruf

Nach drei Semestern Pädagogik und Deutsch arbeiten die Absolventen zunächst als Assistenzlehrer an Schulen und können sich in dieser Zeit weiter qualifizieren. Alomar arbeitet inzwischen an der Grundschule im Kirchsteigfeld, hilft im Unterricht Schülern, die förderbedürftig sind. „Als ich den Vertrag unterschreiben konnte, war ich überglücklich“, sagt die 34-Jährige. Neun Kinder bekommen bei ihr Extrastunden, um Lese- oder Rechenschwächen auszugleichen.

Ministerium erhöht Förderung für Refugee Teacher-Programm

Das Landeswissenschaftsministerium hat die Finanzierung des Refugee Teachers Program jetzt verlängert – dieses und nächstes Jahr wird es mit je 500 000 Euro gefördert. Das teilte das Ministerium auf PNN-Anfrage mit. Damit ist die Förderung sogar noch einmal erhöht worden. Von 2016 bis 2018 gab es insgesamt rund 768 000 Euro vom Ministerium. Wegen des hohen Fachkräftebedarfs sei es ein Anliegen des Ministeriums, das Programm „nach Möglichkeit“ weiter zu unterstützen, hieß es.

Eine erste Auswertung habe allerdings gezeigt, dass das Ausbildungsniveau und die Deutschkenntnisse der Teilnehmer sehr unterschiedlich seien. Nur ein Teil der Absolventen erfülle die Voraussetzungen dafür, sofort als Lehrer arbeiten zu können: Benötigt wird eigentlich ein Masterabschluss und Deutschkenntnisse auf muttersprachlichem Niveau. Deshalb prüfe man derzeit auch weitere Einsatzmöglichkeiten in den Schulen, so das Ministerium. Denn dort will man auf die Lehrer, die auch als sogenannte Kulturvermittler arbeiten, nur ungern verzichten.

Anna Aleksandra Wojciechowicz koordiniert das Projekt an der Uni Potsdam. 
Anna Aleksandra Wojciechowicz koordiniert das Projekt an der Uni Potsdam. 

© Andreas Klaer

Auch Anna Aleksandra Wojciechowicz, die wissenschaftliche Projektkoordinatorin, sagt, Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) habe Unterstützung für das Programm signalisiert. Ab diesem Jahr gelten für Teilnehmer allerdings einige Änderungen. Bereits vergangenes Jahr hatte die Uni angekündigt, das Programm noch einmal zu überarbeiten.

Im ersten Durchgang gab es viele Abbrecher

Mit dem geschärften Konzept reagiere man auch auf die Abbrecherquote: Gerade im ersten Durchgang hätten immer wieder Teilnehmer das Programm abgebrochen. „Das hat ganz unterschiedliche Gründe“, sagt Wojciechowicz. Viele hätten in Flüchtlingsunterkünften gelebt, in denen konzentriertes Lernen in Gemeinschaftsräumen nur schwer möglich war. Damals sei auch noch nicht klargewesen, ob im Anschluss eine Stelle an einer Schule zur Verfügung stehen würde, berichtet Wojciechowicz. Manchmal hätten auch gesundheitliche Probleme durch die Flucht eine Rolle gespielt.

Samstags geht es in die Sprachschule

Auch Alomar schaffte die Deutschprüfung, die ein C1-Niveau bescheinigen soll, nicht auf Anhieb und hat sie jetzt wiederholt. Derzeit warte sie auf das Ergebnis, sagt sie. „Das nächste Ziel ist dann, es auf muttersprachliches Niveau zu schaffen“, sagt die 34-Jährige. Immer samstags sitzt sie in der Sprachschule, montags bis freitags gibt sie Förderunterricht in der Schule, danach lernt sie Deutsch, trifft sich viel mit deutschen Freunden. „Dann muss man sprechen, das hilft.“ Wenn dann noch Zeit ist, hilft sie im Stadtteilladen im Kirchsteigfeld syrischen Frauen, Behördenpost zu übersetzen.

Das Programm an der Uni Potsdam geht weiter

Insgesamt 112 Bewerbungen aus ganz Deutschland sind bei der Uni Potsdam für die nächste Ausbildungsgruppe geflüchteter Lehrer eingegangen, 20 von ihnen kommen ab April ins Programm. Die Anforderungen vor allem an das Sprachniveau der Teilnehmer sind inzwischen höher – wer anfangen möchte, der muss bereits fortgeschritten Deutsch sprechen. Wichtig sei es, dass die Teilnehmer des Programms nach drei Semestern Deutsch und Pädagogik eine berufliche Perspektive hätten, sagt Projektleiterin sagt Wojciechowicz: Nach der Uni soll es auf jeden Fall weitergehen. Den geflüchteten Lehrern steht künftig außerdem ein fester Ansprechpartner an der Uni zur Verfügung. Der kann auch Fragen rund um Kindergartenplätze und Kinderbetreuung beantworten. „Das nimmt den Druck“, sagt Wojciechowicz. Denn es handele sich um Studierende mit anderen Sorgen und Nöten – und deshalb sei ein offenes Ohr so wichtig. „Sie bringen so viel mit, so viele gute Ideen“, sagt Wojciechowicz. Die Realität sehe aber oft so aus, dass man das Selbstbewusstsein der geflüchteten Lehrer stärken müsse, weil viele von ihnen mit Vorurteilen zu kämpfen hätten.

Ebenfalls neu sind mehr Praxiszeiten an Schulen, auch Schulexkursionen gibt es jetzt. Dabei können die geflüchteten Lehrer deutschen Schulleitungen Fragen stellen und bekommen Schulführungen. Das ist laut Wojciechowicz wichtig, damit die Teilnehmer den Bezug zur Praxis nicht verlieren. „Die Teilnehmer sind ja passionierte Lehrer mit viel Berufserfahrung, deshalb ist der Bezug zur Praxis so wichtig.“ Gleichzeitig müssten sie aus Beobachtungen lernen, da sie mit dem deutschen Schulsystem nicht vertraut sind.

110 Absolventen seit 2016

Insgesamt 28 Absolventen der ersten drei Jahrgänge sind nach den jüngsten Zahlen des Ministeriums von Ende Januar derzeit Assistenzlehrkräfte in Brandenburger Schulen, 20 arbeiten als sogenanntes sonstiges pädagogisches Personal, indem sie beim Unterricht oder bei Ganztagsangeboten helfen. Weitere Absolventen seien beispielsweise gerade in Elternzeit, in der Sprachausbildung oder arbeiten woanders. Insgesamt 110 Teilnehmer haben seit 2016 das Programm durchlaufen – einige der Verträge laufen demnächst aus. Wie viele es sind, konnte das Ministerium auf PNN-Anfrage nicht sagen. Man prüfe derzeit noch mögliche Weiterbeschäftigungen und Entfristungen, hieß es.

Auch für Alomar soll es an der Grundschule am Kirchsteigfeld weitergehen – jedenfalls möchte sie gern dort bleiben. Die Schule helfe ihr bei der Weiterqualifizierung. Irgendwann möchte Alomar als Lehrerin Klassen unterrichten. „Erstmal in Mathe“, sagt sie.

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