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Einig über Trump: Die Gäste bei Talkgastgeberin Anne Will (Mitte)

© dpa/NDR/Wolfgang Borrs

TV-Talk "Anne Will" zu Trump: Vier Jahre gute Nerven

Kann US-Präsident Donald Trump Außenpolitik? Das wollte Anne Will von ihren Gästen wissen. Die waren sich sehr einig in der Beurteilung.

Journalisten und Werbeleute erliegen gelegentlich der Versuchung, komplexe Fragen sprachlich so zu reduzieren, dass man beim ersten Lesen oder Hören denkt: Ist das jetzt „einfache Sprache“ oder nur Gaga?

Anne Will titelt ihre Sendung am Sonntagabend „Staatsmann oder Sicherheitsrisiko – Kann Donald Trump Außenpolitik?“ Das erinnert an Zeitungsüberschriften wie „Kann Steinbrück Kanzler?“ oder modifizierte Werbeslogans wie „So geht Außenpolitik“ oder „Donald Trump – wenn's gut werden muss“ oder gar „Außenpolitik ist geil“. Nur ist die Beantwortung der Frage weitaus komplizierter, als es der Titel der Sendung nahelegt. Wie erkennt man denn, ob ein Politiker Außenpolitik „kann“? Anne Will hatte sich kompetente Gesprächspartner eingeladen, was dem Thema gedankliche Tiefe gab, aber vermutlich jene Zuschauer, die nicht tief im Thema waren, eher überforderte. Dabei waren Norbert Röttgen, CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Bundestagsausschusses; Klaus von Dohnanyi, SPD, ehemaliger Erster Bürgermeister Hamburgs; Michael Wolffsohn, Historiker; Susan Neimann, Direktorin des Potsdamer Einstein-Forums und gerade beim Kirchentag durch kluge Beträge aufgefallen; schließlich Christoph von Marschall, langjähriger USA-Korrespondent des Tagesspiegels.

Merkels Rede gab das Thema vor

Den Diskussionsschwerpunkt hatte freilich wenige Stunden vor der Sendung die Kanzlerin vorgegeben, als sie bei einer Veranstaltung in einem bayerischen Bierzelt vor mehr als 2000 Zuhörern quasi das Ende der traditionellen, auf Vertrauen fußenden deutsch-amerikanischen Partnerschaft verkündete. „Wir haben in diesen Tagen gelernt, dass wir uns auf andere nicht mehr 100-prozentig verlassen können, das ist ein Stück vorbei, Europa muss für sich selbst Verantwortung übernehmen und das Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen“. Das war die Bilanz der deutschen Bundeskanzlerin nach dem Nato- und dem G7-Gipfel – weniger Frustration, als nüchterne Bilanz. Und damit wird, dies festzustellen erfordert keine prophetische Gabe, auch das Thema des kommenden Wahlkampfes vorgegeben.

Trumps Auftritt "eine unglaubliche Blamage"

Umso überraschender, dass die SPD zu Anne Will keinen aktiven sozialdemokratischen Politiker schicken konnte. Nicht, dass der 89-jährige von Dohnanyi Streitlust vermissen ließ – oh nein, er hätte am liebsten Nato-Generalsekretär Stoltenberg gefeuert gesehen, weil der Trumps Frechheiten beim Gipfel klaglos hinnahm. Aber wünschenswert wäre schon gewesen, dass jemand Norbert Röttgen widersprochen hätte, der so felsenfest auf das Funktionieren von Checks and Balances in den USA setzte und den Erfolg des Abkommens der sechs Signatarmächte mit dem Iran pries - ganz im Gegenteil zu Trumps wirklich Deal-mäßiger Kumpanei mit Saudi-Arabien.  Genau diese Vereinbarung hingegen attackierte Michael Wolffsohn, langjähriger Politiklehrer an der Bundeswehrhochschule, massiv. Überhaupt nicht argumentativ einzufangen war die überzeugte US-Demokratin Susan Neimann, die Trump nicht nur die Legitimität seiner Wahl bestritt, sondern seine Präsentation in Europa als „eine unglaubliche Blamage“ empfand. Das sah Christoph von Marschall vom Tagesspiegel wohl nicht anders, aber er analysierte nüchtern, dass der Verstoß gegen überkommene Formen der zivilisierten Auseinandersetzung einfach zu Trumps Stilmitteln gehöre.

Kann er denn nun Außenpolitik, blieb am Ende die Frage? Antwort: Nein. Er kann überhaupt keine Politik. Aber Norbert Röttgen sieht ein rettendes Ufer: Wir müssen die transatlantische Partnerschaft über diesen Präsidenten hinweg retten. Das klingt nach: Vier Jahre gute Nerven!

Gerd Appenzeller

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