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ARD-Talkmasterin Anne Will

© dpa/Karlheinz Schindler

TV-Talk "Anne Will" zu Flüchtlingspolitik: Keinesfalls sinnlos

Ein Ende in Harmonie war nicht zu erwarten bei der TV-Diskussion um eine Obergrenze für Flüchtlinge. Aber Gastgeberin Anne Will hatte ihren Laden im Griff.

Wer einen bekennenden Döneresser und einen Vegetarier zu einer Diskussion über die Vorteile der einen und die Nachteile der anderen Ernährungsweise einlädt, darf sich nicht wundern, wenn das Gespräch nicht  in Harmonie endet. Als Anne Will also die bekennende Nationalistin – oder nennt man sie besser Nationalchauvinistin? – Beatrix von Storch von der AfD zusammen mit dem aufgeklärten nordrhein-westfälischen CDU-Mann Armin Laschet, dem Ex-Minister Hans-Peter Friedrich von der CSU und dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm zu einer Debatte darüber bat, ob Deutschland bei der Flüchtlingsaufnahme wie Österreich eine nationale Obergrenze einführen müsse, war mit Sicherheit ihr selbst wie auch jedem Zuschauer klar: Das wird nicht einvernehmlich enden.

Das war auch gut so. Nicht etwa, weil es auf die Frage keine Patentantwort gibt. Denn auch jeder, der argumentiert, der Asylparagraph des Grundgesetzes kenne keine Obergrenze, wird akzeptieren, dass die Aufnahmefähigkeit auch eines im globalen Maßstab ziemlich reichen Landes begrenzt ist. Also das Gespräch deshalb von Beginn an sinnlos? Keinesfalls!

Es war sogar unterhaltsam und es war lehrreich. Man lernte mit Armin Laschet einen ausgesprochen geerdeten, sowohl leidenschaftlich als auch rational argumentierenden CDU-Politiker kennen, der ziemlich nüchtern bat, man solle sich doch mal vorstellen, was die Einführung einer deutschen Obergrenze bei der Zuwanderung bedeutet: Wasserwerfer und Tränengas, Hubschrauber über Flüchtlingsschlangen – die Pläne gäbe es immerhin, und bei einem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU muss man ja wohl annehmen, dass er die Akten- und Planungslage kennt.

Dass eine Schließung der Grenzen, ein Aussetzen der Schengenregelung, nicht nur eine wirtschaftliche  Katastrophe für Europa sein würde, geschenkt – das weiß, wer Nachrichten verfolgt. Verdienstvoll aber, dass er noch einmal an etwas erinnerte, was der Historiker Herfried Münkler schon vor Wochen warnend schrieb: Wenn Deutschland die Grenzen dicht macht, bedeutet das eine Katastrophe und den staatlichen Zusammenbruch für viele Länder auf der so genannten Balkanroute.

Anderer Meinung war Hans-Peter Friedrich von der CSU, der mit dem wirklichen Knüller kam, die Griechen hätten doch eine starke Marine, die sie gegen die Flüchtlinge in ihren Booten auf dem Mittelmeer einsetzen könnten. Und sehr bayrisch auch die mannhafte Vorstellung, man dürfe sich eben nicht abhängig machen von anderen Ländern – als hätte sich die Dublinregelung nicht längst selbst desavouiert, die die Verantwortung für den Umgang mit Flüchtlingen so elegant wie schofel und untauglich auf Italien und Griechenland abwälzen wollte. Erstaunlich ehrlich von Friedrich, vielleicht aber unbewusst: dass er der Kanzlerin keine Zukunft gibt, wenn sie nicht auf Seehofers Linie einschwenkt.

Was ist noch zu berichten? Ein sehr überzeugender EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm, der die Kürzung der internationalen Mittel für die Flüchtlingsversorgung in den Syrien-Anrainerstaaten, neben den zunehmenden Kriegsgräuel, als eigentlichen Grund für die dramatisch steigende Zahl der Flüchtlinge ausmachte.

Ja, und dann noch, sozusagen auf der dunklen Seite des Geschehens, Beatrix von Storch, die möglicherweise Margot Honecker und Angela Merkel miteinander verwechselte, als sie auf ihrem facebook-Account prognostizierte, die Bundeskanzlerin würde nach ihrem absehbaren Rücktritt Deutschland verlassen und nach Chile oder sonst wo in Südamerika gehen…

Ach ja, dies noch: Anne Will hatte den Laden im Griff.

Gerd Appenzeller

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