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TV-Moderator Günther Jauch

© dpa/Karlheinz Schindler

TV-Kritik "Günther Jauch" zur Terrorgefahr: Das Thema ist einfach zu groß

Günther Jauch ließ über das "Terrorziel Deutschland" diskutieren. Das ging ohne Krawall - aber auch ohne Erkenntnisgewinn.

Es gibt wohl kein Thema, das die Deutschen im Moment mehr bewegt: Wie groß ist die Gefahr, dass so etwas wie in Paris auch in Deutschland geschieht? Wen fragt man da als Moderator einer Sonntagabend-Talkshow zur allerbesten Sendezeit? Den Geheimdienstchef? Den Innenminister? Einen Islamforscher?

Alles falsch. Günther Jauch lädt in seinen Gasometer drei Journalisten und den bayerischen Innenminister. Um mit dem anzufangen: Joachim Herrmann ist frei von der Stoffligkeit seines Parteichefs Horst Seehofer und ganz fern von der Rotzigkeit des bayerischen Finanzministers Markus Söder (lieber Herr Herrmann, ich hoffe, dieses Tagesspiegel-Lob ruiniert jetzt nicht ihre Karriere!), sondern sehr vernünftig. Ja, sagt er, das ist ein Frontalangriff auf unsere Freiheit. Nein, sagt er, das ist kein Krieg. Und er verteidigt Bundesinnenminister Thomas de Maizière für dessen ungeschickte Formulierung, er wolle den Bürger nicht durch Fakten verunsichern, durch einen ganz nüchternen Hinweis darauf, dass man in Stresssituationen eben nicht immer druckreif formuliere.

Jauch fragte nicht nach

Nun zu den Journalisten, die ein Thema diskutierten, für das sich offenbar keine Gesprächspartner aus Politik und Diensten gefunden hatten. Jürgen Todenhöfer, einstmals konservativer CDU-Protagonist, sagt völlig richtig, dass die USA, Frankreich und Großbritannien aus ihrer kolonialen und vor allem jüngeren kriegerischen Vergangenheit in der mittelöstlichen Region die bevorzugten Ziele der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) seien.

Aber was wäre die Lehre daraus? Dass wir so tun, als ginge uns das alles nichts an und wir machten einfach weiter unsere Waffen- und anderen Geschäfte mit Saudi-Arabien, jenem Steinzeitislamstaat, der den Terror mit finanziert? Dazu kam nichts, dazu fragte auch Jauch nichts.

Stefan Aust, zwölf Jahre lang Chefredakteur des  "Spiegel", des nach seinem Gründer Augstein selbstbewussten Sturmgeschützes des Demokratie und inzwischen als "Welt"-Herausgeber auf der anderen Seite der politischen Farbenlehre angelangt,  vergleicht den RAF-Terror mit dem des IS und man fragt sich, warum.

WDR-Chefredakteurin Sonia Mikich steigt auf das Thema ein, ist ja auch interessant. Warum? Vielleicht sollte man beiden helfen: Der RAF-Terror war gezielt, auf so genannte Systemexponenten gerichtet, der Terror des IS hingegen ist ungezielt, er trifft jeden, weil der IS eben alles hasst, und damit kommen seine Ergebnisse auch dem brutalen Rechtsterror der vergangenen Jahrzehnte sehr nahe. Im Hauptbahnhof von Bologna starben 1980 durch eine von Rechtsextremisten gelegte Bombe 85 Menschen. Im gleichen Jahr verbluteten beim Münchner Oktoberfest 13 Besucher.

Wie groß ist die Gefahr? Auch am Ende der Sendung sind wir nicht klüger. Wie auch? Das Thema ist einfach zu groß.

Jauch hat nicht den Ehrgeiz, seine Gäste in einen Dominanzkampf hinein zu treiben, und keiner von denen da im Gasometer war auch auf Krawall gebürstet. Man kann das tröstlich finden, das Thema ist eben einfach zu weit weg vom Parteieinstreit. Aber wer am Sonntagabend eine Talkshow in einem dominierenden Sender moderiert, hat die Chance, Themen und Thesen zum Wochenbeginn hin so zu setzen, dass die Leute am Montagmorgen mit der Frage ins Büro gehen: Haben Sie gestern Jauch gesehen? 

Ich habe mich mit dieser Frage in den letzten Jahren immer wieder einmal beschäftigt. Aber, ehrlich gesagt, öfter als am Montag am Dienstag, nach dem montäglichen "Wer wird Millionär?"

Gerd Appenzeller

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