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So wie auf diesem offiziellen Foto inmitten von Regierungstruppen will Syriens Machthaber Baschar al Assad gesehen werden. Die Folteropfer seines Regimes fürchten indes, in Vergessenheit zu geraten.

© AFP

TV-Doku "Zeugen gegen Assad": Syrien vor Gericht?

Eine ARD-Doku zeigt, wie Opfer des syrischen Regimes in Deutschland um Gerechtigkeit kämpfen.

Die Folteropfer des syrischen Regimes fürchten, in Vergessenheit zu geraten. „Alle schreiben nur noch vom IS, niemand berichtet mehr über das Regime“, sagt Abeer Fahroud. „Das trifft uns wirklich tief, weil so viele die Revolution mit ihrem Leben bezahlt haben.“ Fahroud und ihr Mann Khaled Rawas gehörten zu den Aktivisten im Arabischen Frühling und waren 2011 in Damaskus verhaftet worden. Zehntausende landeten in den berüchtigten Geheimdienstgefängnissen, eine unbekannte Zahl wurde getötet oder gilt als verschwunden. Fahroud und Rawas kamen wieder frei, leben heute mit ihrer kleinen Tochter in Deutschland und zählen zu den Geflüchteten, die mit ihrer Zeugenaussage helfen wollen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Zumindest dann, wenn diese nach Deutschland reisen sollten.

Gegen fünf Generäle und Geheimdienstchefs, jedoch nicht gegen Staatschef Baschar al Assad wurde bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe Strafanzeige gestellt. Nach dem Weltrechtsprinzip ist dies bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, bei Kriegsverbrechen und Völkermord auch dann möglich, wenn die Taten nicht in Deutschland und nicht von deutschen Staatsangehörigen begangen wurden.

Tina Fuchs berichtet in der ARD-Doku „Zeugen gegen Assad“ von dieser Initiative, die vom in Berlin lebenden Anwalt Anwar al Bunni und dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) ausgegangen war. Generalbundesanwalt Peter Frank signalisiert im Film Unterstützung. Deutschland solle kein sicherer Hafen für die Täter sein, sagt er.

Auch in anderen Ländern laufen Ermittlungen mit dem Ziel, wenigstens einen internationalen Haftbefehl gegen die Verantwortlichen zu erwirken. Mehr scheint vorerst nicht möglich, denn das politische Interessengeflecht im Syrien-Konflikt schützt auf noch unabsehbare Zeit die Täter. Bei den Vereinten Nationen ließ sich bisher kein Syrien-Tribunal durchsetzen, zuletzt verhinderten dies Russland und China mit einem Veto im Sicherheitsrat.

124 Länder erkennen das Weltgericht an - Syrien nicht

Ernüchternd die Szenen aus dem UN-Menschenrechtsrat, in der die Diplomaten ihre Statements in kühler Routine herunterrasseln. Eine Verfolgung vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag muss Syrien ohnehin nicht fürchten, weil zwar mittlerweile 124 Länder dieses „Weltgericht“ anerkennen, nicht aber Syrien – und übrigens auch nicht die USA, Russland und China.

Der SWR-Film in der Reihe „Die Story im Ersten“ macht deutlich, wie wichtig für die Opfer und deren Angehörige allein schon die Möglichkeit ist, über die Menschenrechtsverletzungen Zeugnis ablegen zu können. Vor Anwälten, Ermittlern – und auch vor der Öffentlichkeit, wobei sich aus Furcht um ihre noch in Syrien lebenden Angehörigen nicht alle filmen lassen wollen.

Autorin Fuchs hält sich in ihrem etwas juristisch-spröden Film mit Dokumenten oder detaillierten Schilderungen vom brutalen Vorgehen der syrischen Geheimdienste weitgehend zurück. Auch wird nur angedeutet, wie umfangreich die Materiallage ist, mit denen Folter und willkürliche Hinrichtungen nachgewiesen werden können.

UN-Ermittler verfügen über 600 000 Seiten syrischer Geheimdienstakten, versteckt gehalten an einem geheimen Ort. Dies erfährt man in der britischen Dokumentation „Syria’s Disappeared: The Case Against Assad“, die in der deutschen Fassung mit dem unnötig reißerischen Titel „Syriens Folter-Hölle“ vor einigen Tagen bei ZDFinfo ausgestrahlt wurde und noch ein Jahr lang in der Mediathek des Senders abrufbar ist (allerdings nur zwischen 22 und sechs Uhr).

Film-Autorin Sara Afshar führt eindringlicher und schonungsloser als Tina Fuchs vor Augen, wie das Regime gegen ihre Gegner vorgeht. Unter anderem mit den 7000 Aufnahmen eines Militärfotografen von den Opfern in den Geheimdienstgefängnissen.

„Die Story im Ersten: Zeugen gegen Assad“; ARD, 9. April, 22 Uhr 45; „Syriens Folter-Hölle – Die Vermissten des Assad-Regimes“; ZDF-Mediathek (bis 4. April 2019)

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