zum Hauptinhalt
Hexen sind bei Pratchett Mittel zur Systemkritik.

© Andreas Klaer

Terry Pratchett-Stück an der Uni Potsdam: Mehr als Hexentanz

Die English Drama Group der Universität Potsdam spielt Terry Pratchett. Bitterböse Gesellschaftskritik trifft märchenhafte Fantasy-Welt - und der typische Pratchett-Witz darf auch nicht fehlen.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Hexen, Vampire, Priester, Trolle und ein königliches Baby. Alles zusammengewürfelt in einer großen bunten Geschichte um Menschlichkeit, übertriebene politische Korrektheit und Religionskritik. Kann das überhaupt funktionieren? Auch noch auf der großen Theaterbühne mit Darstellern, die hauptberuflich Kulturwissenschaft oder Englisch studieren? Ja, es kann, sagt die English Drama Group (EDG) der Uni Potsdam. Ihr aktuelles Stück „Carpe Jugulum“ inszenieren sie nach der literarischen Vorlage des gleichnamigen Romans von Terry Pratchett.

Der erst kürzlich verstorbene Autor ist bekannt für seine Scheibenwelt-Romane, in denen er nicht nur mit gängigen Fantasy-Klischees bricht, sondern auch die Gesellschaft bitterböse und ironisch kritisiert. Für Regisseur Benjamin Gaede, der selbst ein eingefleischter Pratchett-Fan ist, waren das die entscheidenden Gründe, das Stück auf die Beine zu stellen. Für ihn haben die Scheibenwelt-Geschichten wenig mit Fantasy zu tun, vielmehr brächten sie versteckte menschliche Wahrheiten ans Licht. „Die Komplexität der Texte darf wirklich nicht unterschätzt werden“, so der 34-jährige Dolmetscher. Der Roman ist gespickt mit Insiderwitzen der englischen Kultur und von lokalen Dialekten durchzogen. Doch vieles, was beim Lesen wunderbar wirkt, würde auf der Bühne ein ratloses Publikum zurücklassen – also wurde gekürzt.

Kritik an religiösem Fanatismus

Die Geschichte hat es so oder so in sich: Die Tochter des Königspaares soll getauft werden, dazu wird allerhand hoher Besuch erwartet. Darunter die berühmten Hexen der Scheibenwelt, aber auch eine Vampirfamilie, die nichts Gutes im Schilde führt, sondern die Macht an sich reißen will. Erschwerend kommt hinzu, dass sie gegen die gängigen Vampirvernichter wie Knoblauch immun – und somit schwer zu bekämpfen sind. Die Hexen müssten sich also schnell etwas zur Rettung des Reiches ausdenken – wenn da mal nicht ihre eigenen Probleme wären.

Was so klingt wie eine wahllose Vermischung von Märchen- und Fantasy-Elementen, ist in Wahrheit eine intelligente Geschichte, die neben Freundschaft auch Kritik an religiösem Fanatismus thematisiert. Bei aller Brisanz darf der typische Pratchett-Witz natürlich nicht fehlen.

Seit Oktober 2014 arbeitet die EDG unter Leitung von Gaede daran, den Roman in der Theaterfassung von Stephen Briggs auf die Bühne zu bringen. „Als Fan der Romane baute sich bei mir schon beim Lesen ein szenisches Bild auf, aber jeder Schauspieler bringt auch seine Vorstellungen mit.“ Dabei ist nicht jeder im Team so ein großer Fan wie der Regisseur. Yardena Breitstein etwa spielt die Hexe Granny Weatherwax, eine der großen Figuren des Scheibenwelt-Universums, hat aber keinen der Romane gelesen. Das, so die 24-jährige Studentin, bringe auch Freiheiten in der Interpretation mit sich. Wie auch die anderen Darsteller versucht sie, nicht zu viel in die Darstellung reinzulegen – die Figuren wirkten durch sich selbst. Lediglich einen leicht schottischen Akzent legt sie hinein, der ihrer Meinung nach gut zu der Figur passt, die alt, weise und doch dickköpfig ist.

Pro Jahr ein Stück

Für die EDG ist es die erste Inszenierung eines Fantasy-Romans. 1984 wurde die Gruppe an der damals noch Pädagogischen Hochschule Potsdam gegründet. Als 1991 die Universität Potsdam eröffnete, blieb die Truppe bestehen, einmal jährlich inszeniert sie ein Stück. Regisseur Gaede war selbst fast zwölf Jahre Mitglied, bis er 2012 sein Studium beendete und Dolmetscher wurde. Ganz ließ ihn das Projekt aber nie los: „Im Laufe der Jahre gab es so viele verschiedene Stücke zu sehen, viele Klassiker, Oscar-Wilde-Stücke oder Ähnliches“, so Gaede. Die Pratchett-Inszenierung fällt da ein wenig heraus – kann aber vielleicht auch Menschen ins Theater bringen, die keine Theatergänger sind. Gleichzeitig, so hofft Gaede, wird er auch mit ein paar Fantasy-Klischees aufräumen.

Premiere von „Carpe Jugulum“ am 4. Juni um 18.30 Uhr am Campus Neues Palais, Haus 12, in der oberen Mensa

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false