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So oder so, Alwara Höfels verlässt den Dresdner „Tatort“.

© MDR

"Tatort: Wer jetzt allein ist": Liebe ist nur ein Klick

Love Tender: Der Dresdner „Tatort“ schickt die beiden Kommissarinnen in gefährliche Dating-Abenteuer.

„Suchst Du noch bei oder bist Du schon bei Love Tender?“ Was nach einem blöd geklonten Spruch klingt, ist für Doro Meisner (Svenja Jung) Lebenspraxis. Die 22-jährige Studentin nutzt das Datingportal als „Birdy“. Zahlreiche Männer wollen Kontakt und mehr von „Birdy“. Statt Liebe und Sex gibt es Betrug. „Birdy“ hat sie mit falschen Liebesversprechen abgezogen. Diese Männer bilden die „Vogeljäger“, sie wollen sich an „Birdy“ rächen. Und schon liegt sie erdrosselt auf einem Parkplatz.

Die geprellten Flirtpartner sind schnell ausgemacht, aber verwertbare Indizien sind bei den verdächtigen Andreas Koch (Daniel Donskoy) und Petrick Wenzel (Aleksandar Jovanovic) nicht zu holen. Die Kommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) haben eine Idee: Im Under-Cover-Einsatz werden sie via „Love Tender“-Identitäten zu „Ködern“ für Koch und Wenzel. Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) lehnt den Plan ab, und wird doch, als die Presse Druck macht und die Fahndung ins Leere zu laufen droht, weich.

Jetzt wird Dresdner „Tatort“ interessant, ja besonders. Das Drehbuch von Erol Yesilkaya folgte bis dahin den Konventionen des Spannungsfernsehens: Mord, Ermittlung, Verdächtige, von Regisseurin Theresa von Eltz in einen handelsüblichen Erzählrhythmus übersetzt.

Petrick Wenzel interessiert sich für „Kinky“ alias Henni Sieland, Andreas Koch datet „Star“ alias Karin Gorniak. „Wer jetzt allein ist“ bekommt jetzt eine Doppelstruktur. Da ist die vermeintliche Harmlosigkeit, die Verführbarkeit der einfachen Kommunikationswege. Wie die Versprechen, dass Dating-Plattformen die Vereinsamung von Menschen beenden können. Diese Botschaft läuft im Hintergrund immer mit, während im Vordergrund Henni Sieland und Karin Gorniak ihre „Partner“ treffen. Es kommt richtig dicke: Petrick Wenzel ist eine „arme Sau“, alleinstehend, die Mutter , um die er sich liebevoll kümmert, ist todkrank. Dass einer wie Wenzel nach Liebe und Zuneigung giert und über seine lügenhafte „Love Tender“-Identität zu erreichen sucht – sonnenklar. Autor Yesilkaya hat diese Figur mit der Motorsäge gearbeitet, so grob und schlicht ist sein Petrick Wenzel geworden – Gott sei Dank spielt Alekandsar Jovanovic Tiefenmomente in die Schablone hinein. Henni Sieland (Alwara Höfels kraftvoll wie stets) bekommt, was sie bekommen will: einen Täter.

Kommissarin verliebt sich in "Bachelor"-Typ

Der zweite Verdächtige, Andreas Koch, ist das Gegenteil von Wenzel und in der Figurenzeichnung mindestens so stereotyp: gutaussehend, charmant, Typ „Bachelor“. Hat aber wie Wenzel ein wahres Schicksal zu tragen. Die Mutter hat die Familie früh verlassen, der Vater ist gestorben. Soziopathischer Narzissmus heißt das wohl, was ihn plagt. Andreas Koch hat viel von dem, was die alleinerziehende Gorniak anzieht. Und so verschwimmen die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem, Gorniak verliebt sich. Karin Hanczewski und Daniel Donskoy können sich ausspielen.

Kommissariatsleiter Schnabel versucht unterdessen, mit dem schwer pubertierenden Aaran auszukommen. Der soll Mathe lernen, will aber abhauen. Schnabel ist schneller, gewiefter, quält ihn mit Peter-Alexander-Hits. Martin Brambach macht daraus wahren Dating-Slapstick.

Hier bekommt der „Tatort: Wer jetzt allein ist“ seine Rechtfertigung. Ummäntelt vom Glück versprechenden Tender-Netzwerk, wird die Ermittlungsarbeit persönlich, spannt sie berufliche Verantwortung und Nicht-Widerstehen-Können, gibt die Regie der Empathie ihren Raum. Spannung wird schnell Drama, Situation wird Atmosphäre, der Krimi ein besserer.

Dieser „Tatort“ ist der letzte Dresdner Krimi mit Alwara Höfels. Die Schauspielerin geht nicht im Frieden. Ihr Abschied wird in den letzten Minuten bekannt. Sie wirken quasi drangeklebt. So geht man nicht auseinander.

„Tatort: Wer jetzt allein ist“, ARD, Montag, 20 Uhr 15

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