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Die Angabe von Kindern und Elternzeit gehört nach Ansicht von Uni-Soziologin Lena Hipp nicht in die Bewerbung.

© Foto: Silvia Marks/ dpa

Studie an der Uni Potsdam über Elternzeit und Bewerbungen: „Ein paradoxer Befund“

Lena Hipp, Soziologieprofessorin der Universität Potsdam, hat untersucht, wie sich die Angabe von Elternzeit in Bewerbungen auswirkt. Bei Frauen kam sie dabei zu einem überraschenden Ergebnis.

Frau Hipp, Sie haben sich die Wechselwirkungen von Elternzeit und Arbeitsmarkt genauer angeschaut. Was wollten Sie herausfinden?
Die Politik hat in den vergangenen Jahren darauf hingewirkt, dass Frauen – die nach wie vor meist die Hauptlast der Kinderbetreuung tragen – schneller wieder ins Berufsleben zurückkehren, damit sie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Seit der Einführung der Elternzeit 2007 steigen Mütter im Durchschnitt kürzer aus dem Arbeitsleben aus als das vor der Einführung der Elternzeit der Fall war. Gleichzeitig sind die Anteile der Väter, die Elternzeit nehmen, angestiegen. Allerdings nehmen sie in den allermeisten Fällen nur die beiden Elternzeitmonate in Anspruch, die ansonsten verfallen würden. Sie haben Sorge, bei längeren Auszeiten nicht mehr in den Job reinzukommen. Wir haben nun gefragt, was passiert, wenn Väter längere Elternzeit nehmen. Auch haben wir gefragt was passiert, wenn Frauen sich genauso wie die Männer verhalten. Darum haben wir Bewerbungen fiktiver Jobsuchender erstellt, diese auf offene Stellenangebote versandt und geschaut, ob die Elternzeitdauer beeinflusst, wie häufig unsere Bewerberinnen zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden.

Lassen Sie mich raten, eine längere Elternzeit ist nicht gut für die Karriere?
Natürlich ist es so, dass längere Auszeiten dazu führen, dass man Arbeitserfahrung verliert und darum insbesondere lange Elternzeiten der Karriere schaden. In unserem Experiment war es aber so, dass alle Bewerberinnen und Bewerber gleich viel Arbeitserfahrung hatten, ganz gleich ob sie nun kurz oder lang in Elternzeit waren. Bei dieser gleichen Ausgangslage haben wir gesehen, dass es für Väter in Bezug auf ihre Einstellungschancen keinen Unterschied macht, ob sie kurze oder längere Elternzeit gemacht haben. Bei Müttern hingegen kamen wir zu dem paradoxen Befund, dass ihnen eine Elternzeit, die nicht über den Mutterschutz hinausging, negativ ausgelegt wurden. Sie wurden dann als zu ehrgeizig, zu ambitioniert, wenig warmherzig und wenig herzlich wahrgenommen.

Hat Sie das überrascht?
Das hatten wir tatsächlich nicht erwartet. Die Elternzeit lag bei all den Bewerberinnen und Bewerbern unserer Untersuchung in etwa drei Jahre zurück, sie hatten ein Kind im Lebenslauf angegeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass man in dem relativ jungen Alter unserer Bewerber noch einmal ein zweites Kind bekommt und dann nochmal genauso lange Elternzeit macht wie beim ersten Kind, ist relativ groß. Daher hatten wir angenommen, dass Arbeitgeber jemanden, der nur zwei Monate Auszeit genommen hat, jemandem vorziehen, der ein ganzes Jahr weggeblieben war. Mit einer kurzen Elternzeit signalisiert man gerade als Frau ja immerhin auch, dass einem die Erwerbsarbeit sehr wichtig ist. Wir konnten nun aber gar nicht feststellen, dass das von den Arbeitgebern in irgendeiner Weise honoriert wurde – weder in unseren Laborstudien noch im Feldexperiment.

Wie erklären Sie sich das?
Ich sehe das als einen Fall von normativer Diskriminierung: Die Frauen werden ungerechtfertigter Weise benachteiligt, weil sie nicht dem Bild der guten Mutter entsprechen. Auch die Laborstudien haben gezeigt, dass die Frauen als zu kalt und zielstrebig wahrgenommen wurden und ihre Prioritäten nicht richtig setzen. Es werden die Frauen bevorzugt, die den gängigen Rollenmustern entsprechen. Die davon abweichen und sich eher wie Männer verhalten, wurden eher ignoriert.

Das alte Klischee der Rabenmutter also?
Genau, das scheint es zu sein.

Kann es nicht sein, dass etwas Anderes dahintersteckt, dass es mittlerweile auch in den Chefetagen ein Pluspunkt ist, wenn man sich länger um seine Kinder kümmert?
Das zeigen unsere Befunde nicht. Wenn Sie Recht hätten, dann müsste sich dasselbe Bild auch für die Männer zeigen. Doch bei ihnen spielte es überhaupt keine Rolle, ob sie zwei oder zwölf Monate Elternzeit genommen haben. Zusätzlich zu unserer Feldstudie, in der wir sehen konnten, ob eine Gruppe von realen Firmen häufiger eingeladen wurde, haben wir auch eine Laborstudie durchgeführt. Hier wurden die gleichen Bewerbungsunterlagen auch nochmal umfassender bewertet. Die Probanden sollten nicht nur sagen, wen sie einstellen würden, sondern auch wie kompetent, engagiert und wie warmherzig, ehrgeizig und kooperativ sie die einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten einschätzten. Und auch hier sahen wir, dass Frauen mit langer Elternzeit nicht als weniger engagiert, kompetent oder intelligent wahrgenommen wurden als die mit kurzer Elternzeit. Aber sie schnitten bei den interpersonellen Kriterien – also ob man etwa kollegial oder herzlich ist – deutlich besser ab.

Ehrgeiz und Arbeitsethos wird den Müttern also tatsächlich negativ ausgelegt?
In der Tat. Und wir konnten auch ausschließen, dass das Ergebnis an den einzelnen Personen liegt. Wir hatten unterschiedliche Bewerbungsunterlagen und dabei hatte jede Mutter mal kurze oder lange Auszeiten. Das Ergebnis blieb das gleiche.

Sie empfehlen nun einen anderen Umgang mit Bewerbungsunterlagen.
Die Daten zur Elternzeit und Kindern gehören, ebenso wie andere private Informationen, meines Erachtens gar nicht in die Bewerbungen. Denn in einer anderen Studie konnte ich feststellen, dass allein die Erwähnung eines Kindes im Lebenslauf bei den Männern keinen Unterschied machte, Frauen hingegen, die keine Kinder im Lebenslauf angegeben hatten, wurden anderthalbmal häufiger zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Also auch hier ein Nachteil.

Ist es nicht sinnvoll Erziehungszeiten anzugeben, weil das Rückschlüsse auf Sozialverhalten und Lebenserfahrung geben kann?
Für die Männer wäre das tatsächlich auch eine rationale Strategie – wenn überhaupt dann steigen ihre Einstellungs- chance durch diese Angaben. Männer können sich auch durchaus trauen, länger Elternzeit zu nehmen, das hat nach unseren Ergebnissen keine negativen Effekte. Auch nicht beim Einkommen. Bei den Frauen ist das nicht so.

Ihr Ergebnis widerspricht dem aktuellen Bild, dass Frauen so schnell wie möglich wieder arbeiten sollen – wenn sie das nicht tun, kann es ihnen passieren, dass sie als Übermutter oder altmodisch stigmatisiert werden.
Das ist tatsächlich der recht deprimierende Befund: Wie man es als Frau auch macht, macht man es falsch. Wenn man nur kurz Elternzeit nimmt, gilt das als zu rational, bei längerer Elternzeit hingegen hat man am Ende weniger Arbeitserfahrung in der Bewerbung, was auch nicht gut ankommt.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

ZUR PERSON: Lena Hipp (40) ist Soziologieprofessorin an der Universität Potsdam und Nachwuchsgruppenleiterin am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).

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