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Kein Pappenstiel. Manch ein Studierender fordert über 800 Euro zurück.

© A. Klaer

Studentin klagt gegen Uni Potsdam: Rückmeldegebühr erneut vor Gericht

Eine ehemalige Studentin klagt gegen die Uni Potsdam, um die verfassungswidrigen Rückmeldegebühren zurückzubekommen. Anwalt erwartet Klagewelle in ganz Brandenburg.

Potsdam - Neuer Widerstand gegen die umstrittenen Rückmeldegebühren: Die ehemalige Studentin Claudia Engel aus Potsdam klagt gegen die Uni Potsdam, die sich weigert, die für verfassungswidrig erklärten Rückmeldegebühren zurückzuzahlen. Engel will sich die 51 Euro, die sie jedes Semester zu Unrecht zahlen musste, wieder zurückholen. „Als ich die Rückzahlung der Gebühren eingefordert habe, hat die Uni Potsdam mir geantwortet, meine Ansprüche auf Rückzahlung seien verjährt“, sagt Engel, die von 1997 bis 2006 Erziehungswissenschaften studiert hat. „Ich habe dagegen Widerspruch eingelegt, aber laut der Uni sei ein Widerspruch aus rechtlichen Gründen nicht möglich.“

Für sie geht es um eine Summe von 815 Euro. Doch es geht nicht nur um das Geld, sondern ums Prinzip: Engel ist sauer, dass sie und Tausende andere Studierende bis heute keine Rückzahlung der Rückmeldegebühren erhalten haben, obwohl das Bundesverfassungsgericht 2017 geurteilt hatte, dass die in Brandenburg erhobenen Rückmeldegebühren zwischen 2001 und 2008 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. „Wir fordern die Rückzahlung der Gebühren an alle Betroffenen und es ist ein Unding, dass das noch immer nicht passiert ist“, so Lennard Gottmann, Hochschulpolitik-Referent im Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) der Uni.

Die Universität verweist auf eine Verjährungsfrist

Doch alle, die ihre Ansprüche geltend machen wollen, werden von der Universität darauf hingewiesen, dass diese nach einer Verjährungsfrist von vier Jahren nicht mehr gelten: „Es ist nicht geplant, allen Studierenden, die zwischen 2001 und 2008 Rückmeldegebühren gezahlt haben, diese wieder zurückzuerstatten, da in allen weiteren Fällen etwaige Ansprüche auf Erstattung zu viel gezahlter Rückmeldegebühren nach dem Gebührengesetz des Landes Brandenburg seit Januar 2013 verjährt sind“, so Uni-Sprecherin Silke Engel. Aufseiten des Landes ist man sich einig, dass die Ansprüche laut Gebührengesetz verjährt sind. Dies habe eine Prüfung des Innen-, Wissenschafts- und Justizministeriums ergeben, erklärte Silke Engel.

Claudia Engels Anwalt Falko Drescher hält diese Begründung für unzulässig: „Die Aussage, dass die Ansprüche verjährt seien, ist eine dreiste Lüge“, sagt Drescher. „Die Verjährungsfrist gilt hier nicht, da sich das Gebührengesetz nicht auf das Gesetz bezieht, mit dem die Rückmeldegebühr erhoben wurde.“ Dies sah sogar die Uni Potsdam einst so: Am 29. November 2004 hatte Wolfgang Loschelder, Jura-Professor und damaliger Rektor der Universität, ein Schreiben an die Studierendenvertreter im Senat geschickt, in dem es heißt: „Unabhängig von den Übergangsvorschriften im EGBGB beginnt die Verjährung erst mit dem Entstehen des Anspruchs. Die Rechtsgrundlage für die Zahlung der Rückmeldegebühren kann aber erst entfallen, wenn sie für verfassungswidrig erklärt wurde.“ Drescher teilt diese Sicht: Nach dieser Argumentation gelten die Verjährungsfristen erst seit 2017, also nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Auf Loschelders Aussage von 2004 hätten sich Studierende und ihre Vertreter lange Zeit verlassen und deshalb den Gang durch die juristischen Instanzen abgewartet, so Drescher: „Aber plötzlich ziehen sich Land und Universitäten auf das Gebührengesetz zurück“, kritisiert er. „Die spielen einfach auf Zeit – die Studierenden sollen davon abgehalten werden, ihre rechtmäßigen Ansprüche geltend zu machen.“

65 Kläger erhalten nun ihr Geld zurück

Die einzigen, denen die Gebühren zurückgezahlt werden, sind 65 Studierende, die fristgerecht geklagt hatten: 42 davon hatten an der Uni Potsdam studiert und haben laut Silke Engel ihre Gebühren nebst Zinsen zurückerstattet bekommen; über den Stand der Rückzahlung an die restlichen Kläger konnte Engel keine Aussage machen. Insgesamt geht es um eine Summe von rund 60 000 Euro für die 65 Betroffenen. In Berlin lief es anders: Hier gibt es keine entsprechenden Verjährungsfristen wie in Brandenburg, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes konnten alle Betroffenen die Rückzahlung einfach beantragen. Mehr als 44 Millionen Euro waren an die Studierenden zurückerstattet worden.

Derweil werden die Rückmeldegebühren weiter erhoben: Das Bundesverfassungsgericht hatte die Gebühren 2017 für unzulässig erklärt, weil nicht genau ausgeführt sei, wofür die 51 Euro pro Semester erhoben wurden. Dies wurde 2009 geändert: Seitdem umfassen die neu betitelten „Rückmelde- und Verwaltungsgebühren“ nicht nur die Kosten für die Rückmeldung, sondern auch die Kosten für Beurlaubungen, Exmatrikulation, allgemeine Studienberatung, die akademischen Auslandsämter und die Prüfungsämter. Alles klassische Zwecke für eine Studiengebühr, sagt Drescher: „Dann sollte man es doch einfach so nennen.“

Studierendenausschuss fordert Abschaffung der Rückmelde- und Verwaltungsgebühr

Asta-Referent Gottmann sagt: „Wir fordern eine sofortige Abschaffung der Rückmelde- und Verwaltungsgebühr, die letztlich eine versteckte Studiengebühr sind. Und wir erwarten auch, dass sich eine linke Landesregierung konsequent gegen Studiengebühren einsetzt.“ Tatsächlich hatten sich Linke und SPD im Koalitionsvertrag 2014 darauf geeinigt, „die weitere Erhebung der Rückmeldegebühren vom Ausgang noch ausstehender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts abhängig“ zu machen. Zumindest aufseiten der Linkspartei gibt es Bewegung: „Die Möglichkeit, den Koalitionsvertrag umzusetzen und die Immatrikulations- und Rückmeldegebühr abzuschaffen, ist genau jetzt gegeben, weil sich aktuell ein Artikelgesetz im parlamentarischen Verfahren befindet, mit dem auch Änderungen am Hochschulgesetz vorgenommen werden sollen“, sagt Stefan Wollenberg, Landesgeschäftsführer der Linken. „Die Landtagsfraktion wird dieses Anliegen in den Beratungsprozess einbringen. Wenn sich die SPD diesem Anliegen nicht verschließt, kann es zügig umgesetzt werden.“

Für alle ehemaligen Studierenden, die weiter auf die Rückzahlung der Rückmeldegebühren warten, bleibt derweil nur die Hoffnung auf die Entscheidung der Gerichte. Und Claudia Engel ist nicht die Einzige, die derzeit juristisch gegen Land und Hochschulen vorgeht. Auch in anderen Städten in Brandenburg regen sich Betroffene. „Es sieht gerade nach einer Klagewelle aus“, sagt Drescher. Erik Wenk

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