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Ein Blog über Nazis: der "Störungsmelder".

© Tagesspiegel/Störungsmelder

Streit um Auskunftsrecht: Neonazi-Watchblog ist ein Organ der Presse

Das Neonazi-Watchblog "Störungsmelder" wurde von Behörden bei Recherchen behindert. Jetzt aber kann es einen Erfolg vor Gericht für sich verbuchen.

Von Matthias Meisner

Die Blogger des von "Zeit online" betriebenen "Störungsmelders" haben die gleichen Auskunftsrechte wie andere Journalisten. Das hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem jetzt bekanntgewordenen Beschluss vom 27. Januar in letzter Instanz entschieden (Az.: 7 CE 16.1994). Der Autor Sebastian Lipp bekommt wie gefordert eine Übersicht über laufende Ermittlungs- und Strafverfahren gegen mutmaßliche Rechtsextreme.

Das Gericht erkannte an, dass das Neonazi-Watchblog "Störungsmelder" ein Organ der Presse - wörtlich heißt es im Beschluss "ein Telemedium mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten" - ist, die Blogger damit besondere Auskunftsrechte haben.

Lipp sei auf dem Portal "Störungsmelder" als Autor aufgeführt, heißt es in der Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Das Angebot enthalte auch eine Reihe von Beiträgen von ihm. "Er ist insoweit einem sogenannten festen freien Mitarbeiter im Bereich der Presse vergleichbar."

Das Blog verfolge eine "publizistische Zielsetzung", es handele sich bei den Beiträgen der Autoren nicht um bloße Meinungskundgebungen und Diskussionsbeiträge, sie zielten vielmehr auf eine Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ab, heißt es weiter. Und: "Sie berichten über Vorkommnisse im Bereich des Rechtsextremismus und beruhen auf einem Mindestmaß an Recherchearbeit."

Auslöser des Gerichtsverfahrens war eine Routine-Anfrage des freien Journalisten bei der Staatsanwaltschaft Memmingen im September 2015. Lipp wollte eigentlich nur wissen, was aus verschiedenen Ermittlungen geworden war, die das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West wegen rechtspolitisch motivierter Straftaten im Jahr 2014 geführt hatte. War es zu Gerichtsprozessen gekommen? Wie waren sie ausgegangen? Laufen einige davon noch? Doch die Staatsanwaltschaft wollte nicht alle Fragen beantworten.

Auch ein Versuch von Lipp, den Auskunftsanspruch beim Verwaltungsgericht Augsburg durchzusetzen, scheiterte. Die Richter argumentieren, der "Störungsmelder" sei kein "Organ der Presse", sondern ein öffentliches Diskussionsforum, in dem jedermann publizieren könne. Damit sei der Autor potenziell "jedermann", jedenfalls kein Journalist, also nicht besonders auskunftsberechtigt. Auch die Vorlage von Presseausweis und Bestätigungsschreiben der "Zeit online"-Redaktion hatten an dieser Argumentation nichts geändert.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hatte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg im Sommer vergangenen Jahres kritisiert. Der DJV-Vorsitzende Frank Überall sagte damals dem Tagesspiegel: "Ich vertraue darauf, dass das im Hauptsacheverfahren klar gestellt wird: 'Störungsmelder' ist ein offizielles Projekt des Medienhauses ,Zeit online'. Es ist absurd, das nicht als Presse anzuerkennen."

"Zeit online" geht von einer geklärten Rechtslage aus

Der Störungsmelder ist laut Selbstdarstellung ein Gruppenblog, das von ehrenamtlichen Autoren und freien Journalisten in ganz Deutschland getragen wird. Engagiert und detailliert wird in dem Blog seit bald zehn Jahren über regionale Aktivitäten von rechten Gruppen und Neonazis berichtet.

Einen Grimme Online Award erhielt der Störungsmelder dafür im Jahr 2008. Die Redaktion arbeitet weitgehend eigenständig, wird aber von der "Zeit online"-Redaktion unterstützt. Verantwortlich im Sinne des Presserechts ist der Chefredakteur von "Zeit online", Jochen Wegner. "Zwar werden immer neue Autoren für das Störungsmelder-Netzwerk gesucht, doch "jedermann" kann hier nicht publizieren – nicht einmal im moderierten Kommentarbereich", erklärt die Redaktion.

Die wichtigsten Forderungen des Autors seien mit der Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erfüllt wurden, bilanziert Chefredaktionsmitglied Christoph Dowe im "Zeit online"-Blog "Glashaus". Die Redaktion gehe jetzt von einer geklärten Rechtslage aus. Zudem sperre sich die Staatsanwaltschaft nicht mehr. Alle ursprünglich gestellten Fragen seien beantwortet worden, noch ehe dem freien Autor der offizielle Beschluss zugestellt worden war. "Die herausgegebenen Informationen sind jetzt Ausgangspunkt für weitere Recherchen zum Thema Rechtsextremismus. Und Lipp bereitet neue Fragen für die Staatsanwaltschaft Memmingen vor."

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