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Sprachwissenschaft in Potsdam: Sprache ist Weltverständnis

Der Potsdamer Wissenschaftler Ottmar Ette sprach zum diesjährigen Leibniztag in Berlin über die gelehrten Humboldt-Brüder.

Alles ist Wechselwirkung. Die Sprache erschafft die Welt und die Gegebenheiten der Welt formen die Sprache. Entsprechend diesem Credo haben die beiden Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt geforscht und gelehrt, so der Potsdamer Romanist Ottmar Ette, der auch Leiter des Projektes zur Erforschung der Amerikanischen Tagebücher Alexander vom Humboldts ist. Das Spannungsverhältnis der beiden Humboldt-Brüder und ihr besonderer Forschungsansatz standen im Zentrum des Festvortrags Ettes beim diesjährigen Leibniztag der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

„Wahrscheinlich waren die beiden Humboldt-Brüder die letzten Universalgelehrten“, konstatierte Ette. Nachdem sie die Welt bereist, studiert und ihren Zeitgenossen vermittelt hätten, sei ein anderes wissenschaftliches Zeitalter angebrochen. „Heute ist die Wissenschaft zersplittert in viele Teilbereiche“, so Ette. Der Literaturwissenschaftler meint aber, dass auch heute ein ganzheitlicher Denkansatz notwendig sei. Ette hat in mehreren Veröffentlichungen den Begriff des Lebenswissens untersucht und analysiert.

Auch nach der Entzifferung von Gencodes und einem immer weiter reichenden Wissen über das menschliche Leben sei das Geheimnis des Lebens und des menschlichen Geistes noch lange nicht entziffert. Denn es bedürfte nicht nur des mathematisch-physikalischen Wissens, um das Menschsein und die Welt zu erklären. Notwendig sei vielmehr ein umfassendes Verständnis von Welt und Wissen. Über dieses „planetarische Wissen“ hätten die beiden Humboldt-Brüder verfügt und aus diesem Geist auch ihre Forschungen betrieben. Grundlage dazu sei die Sprache gewesen.

Die beiden Adligen wurden früh von ihrer Mutter angehalten, verschiedene Sprachen zu erlernen und sich mit den Horizonten, die diese eröffnen, auseinander zu setzen. „Der Wechsel der Sprache bringt auch einen Wechsel der Perspektive mit sich“, weiß der Sprachwissenschaftler Ette. Die französische Sprache sei für die beiden Wissenschaftler ohnehin selbstverständlich gewesen, hinzu kamen Griechisch und Latein, aber auch Baskisch, Spanisch und Italienisch. Auch verschiedene Eingeborenensprachen wie Nahuatl-Mexikanisch, Otomi, Huastekisch und diverse andere Sprachen waren Forschungsgegenstände der gelehrten Brüder. Nur über Sprachhorizonte und die dadurch vermittelten unterschiedlichen Denkansätze und Vorstellungen der Völker sei die Welt als Ganzes erfahrbar, betonte Ette. Mit den ausgedehnten Reisen Alexanders, den darauf fußenden Studien seines Bruders Wilhelm und der Systematisierung der daraus gewonnenen Erkenntnisse hätten die beiden Brüder die Grundlagen der modernen Sprachwissenschaft gelegt.

Daher sei es sinnvoll, den Sprachreichtum der Welt soweit als möglich erfahrbar zu machen und darzustellen. Auch diesem Zweck diene das von ihm geleitete Forschungsprojekt zu den Amerikareisen Alexander von Humboldts. Ette ging auch auf die Zeichnungen und Skizzen des Gelehrten ein, die dieser während seiner Reisen fertigte. Als ausgebildeter und talentierter Zeichner war Alexander von Humboldt in der Lage, während seiner Reisen das Gesehene zu skizzieren und zu kommentieren. So hätten die beiden Brüder mit ihren Forschungen dazu beigetragen, moderne wissenschaftliche Forschung zu begründen und über nationale Grenzen hinweg ein ganzheitliches Welt- und Menschheitsbild zu entwerfen. Dieses Welt- und Wissenschaftsverständnis korrespondiere bestens mit dem Ehepaar Josephine und Hans-Werner Hector, die in diesem Jahr mit der Leibniz-Medaille für ihr Engagement ausgezeichnet wurden. Mit seiner Stiftung habe SAP-Mitbegründer Hans-Werner Hector sich um die Förderung der Wissenschaften in preiswürdiger Weise verdient gemacht, so der Akademiepräsident Martin Grötschel.

Richard Rabensaat

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