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Unruhiger Gigant. Die Aktivitäten der Sonne sind größeren Schwankungen unterzogen. Warum das so ist, weiß auch die Wissenschaft noch nicht genau. Über die Prozesse im Inneren des Sterns ist wenig bekannt.

© Nasa

Sonnenforschung in Potsdam: Rätselhafte Schwankungen

Ist womöglich gar nicht der Klimawandel schuld am Dürresommer, sondern eine erhöhte Sonnenaktivität? Sonnenphysiker Hakan Önel vom Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) über gehäufte Koronale Löcher und eine mögliche Kleine Eiszeit.

Potsdam - Die sogenannten Klimaskeptiker werden nicht müde, den Anteil des Menschen an der aktuellen Erwärmung der Erde klein zu reden. Dafür nehmen sie gerne auch die Sonne in die Verantwortung. Jüngst erst wieder war auf einschlägigen Portalen zu lesen, dass die diesjährige Hitze und Dürre auf der Nordhalbkugel der Erde auf ungewöhnliche Koronaentladungen im Äquatorbereich der Sonne zurückzuführen seien. Ein extrem starker Strom von Sonnenwindteilchen erwärme massiv die Arktis, so eine der Thesen.

Koronale Löcher im Äquatorbereich

Der Sonnenphysiker Hakan Önel vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) hält diese These für gegenstandslos. Zwar gebe es in diesem Jahr tatsächlich vermehrt sogenannte Koronale Löcher im Äquatorbereich der Sonne. Ungewöhnlich sei dies allerdings nicht. Dass dadurch das Erdmagnetfeld über dem Nordpol soweit gestört werden könnte, dass sich die Arktis erhitze – so die These der Klimaskeptiker –, ist für Önel nicht nachvollziehbar. Was durch koronale Löcher an Teilchen freigesetzt wird, sei nicht mehr als ein schneller Sonnenwind. „Das ist nichts Schlimmes“, sagt Önel.

Die Teilchen des Sonnenwinds – Elektronen und Ionen – werden vom Erdmagnetfeld eingefangen, zum Nord- und Südpol umgeleitet und dort abgebremst, wo sie dann mitunter Polarlichter in der Atmosphäre erzeugen können. Dass Sonnenwindteilchen aber die Erde erhitzen können, sei schlichtweg falsch. „So groß ist der Energieeintrag der Teilchen nicht“, erklärt Sonnenphysiker Önel.

Der Effekt der Treibhausgase ist wesentlich größer

„Nur ein halbes Milliardstel der Energie, die von der Sonne abgestrahlt wird, trifft die Erde überhaupt“, so der Forscher. Die Sonnenaktivität schwanke um rund ein Promille. „Das kann man völlig vernachlässigen.“ Zumal die Sonnenaktivität nur einen minimalen Einfluss auf das Klima habe. „Die Menschen auf der Erde tragen vielmehr durch die Treibhausgase dazu bei, dass die Wärmeenergie der Sonne, die die Atmosphäre einfängt, nicht mehr herausgelassen wird. Dieser Effekt ist wesentlich größer als das, was durch Schwankungen der Sonnenaktivität passiert“, betont Önel.

Ein möglicher Effekt der Sonne sei allerdings, dass bei starker Sonnenaktivität die Heliosphäre, also der Raum um Sonne und Planeten, in dem der Sonnenwind wirksam ist, mit Teilchen angefüllt wird, so dass sich an dessen Rand Turbulenzen bilden und infolgedessen weniger von der kosmischen Strahlung zur Erde gelangt, die außerhalb unserer Heliosphäre entsteht. Diese Strahlung ist zu einem geringen Teil für die Wolkenbildung verantwortlich. Je höher die Sonnenaktivität ist, desto weniger kosmische Strahlung und dadurch auch weniger Wolken gibt es in der Erdatmosphäre. Somit könne sich die Erde tatsächlich stärker aufwärmen. Ein geringer Einfluss der Sonnenaktivität auf das Klima bestehe also: „Aber auch das ist marginal.“

Die Aktivität der Sonne geht zurück

Überhaupt ist in Zukunft eher weniger als mehr von der Sonne zu erwarten. Denn unser Gestirn befindet sich seit 1990 grundsätzlich in einer Phase der zurückgehenden Aktivität. Dabei geht es nicht um die Gesamtstrahlkraft, sondern um Strahlung im Röntgen-, UV- und Radiowellenbereich. Der letzte der immer elfjährig auftretenden Sonnenzyklen (2009-2020) ist im Vergleich mit den Zyklen der vergangen 250 Jahre sehr gering ausgefallen. Dies könnte ein Zeichen für eine längere Schwächephase der Sonne sein, was Sonnenforscher als Großes Minimum bezeichnen. Die letzte große Schwächephase dieser Art – das Maunder-Minimum – führte im 17. Jahrhundert zu einer kleinen Eiszeit (1645 bis 1715). Damals gab es in Mitteleuropa sehr kalte Winter, massive Ernteausfälle, die Themse soll bei London sogar bis Juni zugefroren gewesen sein, auf der Lagune von Venedig wurde Schlittschuh gelaufen.

Bis heute ist allerdings noch nicht ganz geklärt, wie das damalige Minimum an Sonnenaktivität mit der kleinen Eiszeit zusammenhing. „Es gibt vermutlich einen Zusammenhang, aber welche Mechanismen im Detail wirken, wissen wir noch nicht“, erklärt Sonnenforscher Önel. Geoforscher wissen immerhin aus Gesteinsproben, dass längere Minima der Sonne ein feucht-kühles Klima zur Folge hatten. Hier werden Schwankungen in der solaren UV-Strahlung als Ursache von geänderten troposphärischen Windsystemen vermutet.

Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und Wolkenbildung

Ein anderer Effekt ist, dass bei niedriger Sonnenaktivität sehr viel mehr Strahlung von außerhalb des Sonnensystems zur Erde dringt. Das wiederum trägt laut Önel zu einer verstärkten Wolkenbildung – und damit zu einer Abkühlung bei, weil Strahlungsenergie von den Wolken wegreflektiert wird. Demnach müsste die aktuell sehr niedrige Sonnenaktivität eigentlich sogar zu einer leichten Abkühlung auf dem Planeten führen. Dass wir in diesem Jahr bisher einen sehr warmen Sommer hatten, zeigt aber laut Önel, dass auch dieser Effekt nur wenig Auswirkung auf das Wetter hat.

Auch könnte es durchaus sein, dass die Folgen des Treibhauseffektes diese leichte Abkühlung mittlerweile bereits überlagern. Sollte es in Zukunft tatsächlich wieder so etwas wie eine Kleine Eiszeit geben, erwarten Sonnenforscher ohnehin nur eine kleine Verschnaufpause in Sachen Klimawandel: „Die Effekte, die der Mensch derzeit verursacht, würden zwar abgemildert, aber nicht komplett unterdrückt werden“, hatte der AIP-Forscher Carsten Denker den PNN dazu gesagt. Auch Önel geht davon aus, dass Effekte der Sonne die Erwärmung höchstens abbremsen, aber nicht verhindern können.

Zurzeit kommt der recht schwache 24. Sonnenzyklus langsam zum Ende. Önel erwartet, dass im kommenden Frühjahr der Tiefpunkt erreicht ist. Danach beginnt der 25. Zyklus. Sollte sich der aktuelle Rückgang der Sonnenaktivität fortsetzen, könnte dieser Zyklus praktisch ausfallen. Ob es soweit überhaupt kommen wird, ist allerdings fraglich. Hakan Önel verweist auf eine Messreihe seit 1750. In diesem Zeitraum hatte es immer mal wieder schwache, sogar schwächere Zyklen als den aktuellen gegeben (etwa um das Jahr 1800). „Aktivitätsschwache Zyklen gibt es immer mal wieder, ohne dass der folgende Zyklus ausfällt“, so Önel. Er erwartet vielmehr, dass der nächste Zyklus auf ähnlichem Niveau abläuft wie der gerade zu Ende gehende.

Die Abnahme der Sonnenaktivität der vergangenen Jahre sei zwar recht ungewöhnlich. „Aber es gibt noch vieles, was wir über die Sonne nicht wissen, insbesondere über ihr Inneres“, sagt der Astronom. Denkbar wäre, dass dort Prozesse ablaufen, die einige schwächere Zyklen zur Folge haben und danach geht es wieder aufwärts – ohne Totalausfall. „Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn ein Zyklus schwächer ist. Erst wenn die schwache Aktivität sich über mehrere Zyklen hält, können wir davon ausgehen, dass etwas Drastisches auf der Sonne passiert.“

Der nächste Zyklus wird spannend

Bleibt also abzuwarten, wie der nächste Zyklus ausfällt. Ein Maximum wäre hier etwa 2025 zu erwarten. Sollte die Sonnenaktivität noch schwächer werden, oder gar gegen Null tendieren, dann wissen wir mehr. „Dann wird es interessant“, sagt Önel. Auch weil bis dahin mehrere Satellitenmissionen zur Sonnenbeobachtung nah an unser Gestirn herangekommen sein werden. „Der nächste Zyklus wird eine spannende Zeit für die Sonnenphysik.“

Hintergrund Sonnenaktivität

werden zyklische Veränderungen der Sonne genannt. Turbulenzen des heißen Gases der Sonne und Änderungen des Magnetfeldes lassen die Aktivität der Sonne in elfjährigem Rhythmus schwanken. Auf ihrem Höhepunkt ist die Sonnenaktivität – Sonnenflecken, Strahlungsausbrüche und koronale Massenauswürfe – am stärksten. Ein einfach bestimmbares Maß für die Sonnenaktivität ist die Zahl der Sonnenflecken. Starke Änderungen treten in der Strahlung im Röntgen-, UV- und Radiowellenbereich auf. Die Gesamtleuchtkraft der Sonne ist im Maximum allerdings nur unwesentlich höher. Die Sonnenaktivität ist verantwortlich für Ereignisse des Weltraumwetters und wirkt sich direkt auf Satelliten, aber auch auf technische Einrichtungen auf der Erde aus. Sie beeinflusst darüber hinaus das Polarlicht, die Ionosphäre und damit die Ausbreitung der Radiowellen auf der Erde. Bei Sonneneruptionen waren Nordlichter sogar schon bis nach Brandenburg zu sehen. 

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