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Auslandseinsatz. In Afghanistan sind bisher mehr als 50 Soldaten gefallen.

© dpa

Homepage: Selbstfindung der Bundeswehr

Auf einer internationalen Tagung für Militärgeschichte wurde am MGFA die neue Rolle der Bundeswehr untersucht

Im Libanon, in Afghanistan, im Kongo, im Kosovo und an weiteren Brennpunkten der internationalen Politik sind derzeit deutsche Soldaten im Einsatz. Die Aufgabe der Bundeswehr hat sich in den beiden vergangenen Jahrzehnten seit dem Mauerfall gründlich gewandelt. Ihr Bild in der Öffentlichkeit verändert sich und an einer neuen Struktur baut derzeit Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière. Für die jetzt freiwillig verpflichteten Soldaten bedeutet dies, dass sie ein ganz neues Verständnis von ihrer Tätigkeit entwickeln müssen. Auslandseinsätze und die „Neueste Militärgeschichte an der Schnittstelle von Geisteswissenschaft, Politik, Öffentlichkeit und Streitkräften“ stand im Zentrum der 52. Internationalen Tagung für Militärgeschichte am Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam (MGFA).

Etwa 7100 Soldaten befinden sich derzeit in Auslandseinsätzen. Mittlerweile sind Auslandseinsätze an der Tagesordnung. Bei ihrer Gründung im Jahre 1955 und bei der Verpflichtung der ersten Wehrpflichtigen im Jahr 1957 war die Bundeswehr allerdings als reine Verteidigungsarmee für den Fall einer Aggression unmittelbar auf dem Gebiet der Bundesrepublik vorgesehen. In Afghanistan sind bisher mehr als 50 Soldaten gefallen. „Die deutsche Armee ist in der Normalität angekommen und wird ihrer Einbindung in verschiedene politische Sicherheitssysteme gerecht“, dies habe schon Joschka Fischer anlässlich des Einsatzes der Bundeswehr 1999 in Serbien festgestellt, rief der Historiker Michael Epkenhans vom MGFA in Erinnerung.

„Die Soldaten müssen mit neuen Anforderungen zurecht kommen. Sie empfinden die notwendige neue Orientierung auch als Bedrohung“, stellte Oberst Hans-Hubertus Mack fest. Dem MGFA in Potsdam komme daher eine Schlüsselrolle bei der Aufarbeitung von Auslandseinsätzen zu. Aus Berichten der Soldaten, aus Tagebuchaufzeichnungen und Notizen, die Forscher am Institut sammeln und auswerten, gelte es Ansätze für eine neue Identität und Rolle der Armee zu finden. Dies sei gegenwärtig erheblich wichtiger als die erneute Auswertung militärtaktischer Kriegsmanöver, was lange Zeit die Hauptdomäne der Militärhistorie gewesen sei.

Überhaupt betonten die Militärhistoriker der Tagung mehrfach nachdrücklich, dass ihre Zunft sich nicht als Appendix des Militärs verstanden wissen wolle. Militärgeschichte sei ein gleichberechtigter historischer Forschungszweig. „Das Militär besteht aus einzelnen Individuen und nicht nur aus Führungsstrukturen“, betonte Bernhard Chiari vom MGFA. „Wie kann Sicherheit gewährleistet werden, wenn staatliche Strukturen fehlen“, fragte Chiari im Hinblick auf den Bundeswehreinsatz vor der Küste Somalias und wies auf die sehr unterschiedlichen Einsatzbedingungen bei Auslandseinsätzen hin. Die Aufgabe des MGFA sieht er darin, „den Soldaten in der Öffentlichkeit eine Stimme zu geben“. Quellen, die dies ermöglichen würden, gebe es mehr als genug. Chiari beschrieb sehr plastisch, dass die Realität des Soldatendaseins noch nicht so recht im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung angekommen ist. Auf die Frage, ob sie ihn nicht in Afghanistan besuchen könne, habe ein Soldat am Anfang des Einsatzes seiner Frau geschrieben, dass es dort wohl keine Pensionen gebe, die ihren Ansprüchen gerecht würden und die ganze Sicherheitslage ohnehin nicht befriedigend sei. Entsprechend dem aktuellen Einsatz der Bundeswehr thematisierte die Tagung mehrfach Afghanistan.

Wie der Wandel der Aufgaben der Armee juristisch von statten gegangen ist, besprach Thomas Breitwieser, Bundesdisziplinaranwalt beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Gemäß der aktuellen Diktion des Bundesverfassungsgerichtes könne die Bundeswehr gegenwärtig im Rahmen ihrer Bündnisverpflichtungen tätig werden, wenn „deutsche Interessen“ beeinträchtigt seien. Problematisch sei allerdings, dass so zwar das Einsatzfeld in den letzten Jahren erheblich erweitert, die „deutschen Interessen“ allerdings an sich nirgendwo definiert seien, kritisierte Breitwieser.

„Aufgrund der deutschen Vergangenheit tragen wir eine ganz besondere Verantwortung, wenn deutsche Soldaten im Ausland eingesetzt werden“ betonte Epkenhans. Lange Zeit sei es politischer Konsens gewesen, dass die Bundeswehr jedenfalls dort nicht auftreten dürfe, wo deutsche Soldaten in der Historie in Kriege verwickelt gewesen seien, diese Prämisse ändere sich gerade. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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