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Ausstieg. Nun braucht das Land ein nachhaltiges, akzeptiertes Energiesystem.

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Homepage: Schneller Atomausstieg mit Folgen

Durch einen raschen Atomausstieg bis 2015 würde in Deutschland der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid vorübergehend steigen, heißt es in einer neuen Studie von Potsdamer Klimaforschern

Ein sehr schneller Ausstieg aus der Atomkraft könnte mit erheblichen zusätzlichen CO2-Emissionen bei der Stromerzeugung verbunden sein. Zu diesem Ergebnis kommt nun eine aktuelle Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Damit spezifizieren die PIK-Forscher das Ergebnis einer Studie von 2010, wonach ein globaler Atomausstieg ohne wesentliche Kostensteigerung möglich sei. In der neuen Untersuchung heißt es nun, dass die Abschaltung aller Atomkraftwerke bis 2015 den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid vorübergehend um etwa 64 Millionen Tonnen in die Höhe treiben könnte. Das entspricht rund einem Viertel der bisherigen CO2-Emissionen bei der Stromerzeugung. Allerdings würden sich die negativen Folgen für das Klima durch den Emissionshandel abfedern lassen, schreiben die Forscher. Die Auswirkungen auf die Strompreise für Verbraucher seien nur gering.

Grundsätzlich halten die Forscher den Atomausstieg für bezahlbar. Die Energiewende erfordere allerdings einen Kraftakt: Ein Ausstieg sei ohne Energieengpässe nur bei einem gleichzeitigen Ausbau von erneuerbaren Energien und fossiler Stromerzeugung zu gewährleisten. Ein Ausstieg 2020 statt – wie von der Bundesregierung geplant – 2022 lasse die CO2-Emissionen demnach allerdings nur kurzfristig leicht steigen, heißt es weiter.

Wichtigster Punkt beim Automausstieg sei die Versorgungssicherheit. Sie könne nur gewährleistet werden, wenn gleichermaßen die erneuerbaren Energien, die fossile Stromerzeugung und die Netze ausgebaut werden. Die Klimaforscher schlagen vor, dass dabei der Einsatz von Gaskraftwerken statt Kohlekraftwerken beim etwa gleichen Preis zu weniger Emissionen und mehr Wettbewerb im Strommarkt führen könne. „Die größte Herausforderung ist nicht der Ausstieg aus der Kernkraft, sondern der Einstieg in ein nachhaltiges, intelligentes und gesellschaftlich akzeptiertes Energiesystem – ein wahrer Kraftakt“, sagte Ottmar Edenhofer, Chef-Ökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zur Präsentation der Studie. Die Untersuchung des PIK ist in Zusammenarbeit mit dem Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig entstanden. Geleitet wurde das Projekt von Brigitte Knopf (PIK), Auftraggeber war die Friedrich-Ebert-Stiftung.

Ein Atomausstieg 2020 würde gegenüber einem Ausstieg 2022 – wie nun von der Bundesregierung geplant – für jeden privaten Haushalt im Jahr 2020 im Schnitt lediglich 90 Cent monatlich zusätzlich kosten, errechnen die Wissenschaftler. Sogar ein Ausstieg bereits im Jahr 2015 würde im Vergleich zu einem Ausstieg 2020 oder 2022 nur zu einem zusätzlichen Stromkostenanstieg von etwa zwei Euro pro Monat für die Verbraucherhaushalte führen, so die Forscher. Für beide Szenarien wären im Jahr 2030 wieder die ursprünglichen fünf Cent erreicht – vorausgesetzt, dass vor allem die erneuerbaren Energien stärker als bisher geplant ausgebaut würden. „Die Preise bleiben nur so niedrig, wenn die Energieeffizienz wie von der Bundesregierung geplant gesteigert wird“, heißt es in der Studie.

Für die Autoren ist dies ein weiterer Grund, unabhängiger von den fossilen Energieträgern zu werden und schneller auf die erneuerbaren Energien umzusteigen. Dies erfordere aber einen entsprechenden Ausbau des Stromnetzes: „Dazu gehört eine Beschleunigung des schon jetzt beschlossenen Ausbaus.“ Weiterhin müsse über zusätzliche Mechanismen zur Gewährleistung der Netzstabilität nachgedacht werden.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien und von fossilen Ersatzkapazitäten müsse schneller als bisher geplant vonstatten gehen. Bis zum jeweiligen Ausstiegszeitpunkt 2015, 2020 oder 2022 sei über die im Bau befindlichen Projekte hinaus eine zusätzliche Leistung von acht Gigawatt an fossilen Kraftwerken notwendig – das sind etwa zehn Großkraftwerke. Sofern nicht die längere Nutzung älterer fossiler Kohlekraftwerke erwogen wird, erfordere dies die Inbetriebnahme von fossilen Kraftwerken, die derzeit nur im Planungsstatus sind. „Das ist eine große Herausforderung“, so die Forscher. Jan Kixmüller

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