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Schattenorte in Potsdam: Beziehungskisten

Historiker haben in Potsdam 2015 nach 70 Jahren Kriegsende gefragt: nach der Nachkriegsbelastung mit NS-Personal und dem Umgang mit den „Schattenorten“ in den Städten

Das abgelaufene Jahr hatte mit nachdenklichen Rückblicken in die deutsche Geschichte begonnen. Vor 70 Jahren war die Menschheitskatastrophe des Zweiten Weltkriegs und der Shoa beendet worden. Ein Grund auch für Potsdamer Historiker, den Jahrestag der Befreiung zu würdigen – aber auch ein Grund, zu fragen, ob der Mai 1945 wirklich für alle eine Befreiung war. Zum einen geriet man im Osten Europas von der NS-Diktatur ziemlich nahtlos in sozialistische Unrechtsregime. Und für Millionen Menschen begannen Jahre von Flucht und Vertreibung. Zum anderen fühlten sich nicht alle Deutschen durch das Ende des Nationalsozialismus befreit, schließlich hatten sie zuvor in großer Mehrheit die Hitler-Diktatur getragen.

Dass viele der ehemaligen Nazis in der Nachkriegszeit wieder in Amt und Würden gelangten, belegte 2015 eine Untersuchung zu den deutschen Innenministerien unter Beteiligung des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF). Der erstaunliche Befund: Mitte der 1950er-Jahre waren 66 Prozent der leitenden Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums früher in der NSDAP, 45 Prozent in der SA. Auch im Ministerium des Innern der DDR war der Anteil mit insgesamt 14 Prozent ehemaliger Parteimitglieder deutlich höher als erwartet. Eine Entwicklung mit Nachwirkungen bis in die Gegenwart: So kam das Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum der Universität Potsdam (MMZ) in diesem Jahr zu dem Ergebnis, dass für Brandenburg die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt deutlich nach oben korrigiert werden muss. Demnach waren bislang nicht, wie von der Polizei registriert, neun, sondern 18 Menschen bei rechten Angriffen seit 1990 gestorben.

Potsdams ZZF-Historiker befassten sich in diesem Jahr unter anderem auch mit der Geschichte der DDR und Wendezeit. Eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin betrachtete die Übergangsgesellschaft ab 1989, eine Studie mit dem Strafvollzug der DDR und eine Konferenz mit „Schattenorten“, dem Thema Stadtimage und Vergangenheitslast. Hier ging es um die Lust mit der Last an historischen Verwerfungen in der Stadtgeschichte. Mit dem Fazit, dass die „Schattenorte“ der Geschichte bei richtigem Umgang auch Chancen bieten. Offensiv sollte man sich demnach der Vergangenheit stellen, Vergessen und Verdrängen sei nicht der richtige Weg. Kix

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