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Die Wochenzeitung „Russkaja Germanija“

© Promo

Russische News für Berlin: „Die Leser sind unser Stolz"

Schwierige Zeiten, doch die Wochenzeitung „Russkaja Germanija“ gibt nicht auf: Ein Angebot für 52.000 Menschen mit russischem Migrationshintergrund in Berlin.

Am Bahnhofskiosk liegt die „Russkij Berlin“, die Regionalausgabe der „Russkaja Germanija“, wie gewohnt im Zeitungsregal. „Sozialdemokraten werden der Regierung Merkel beitreten“, das titelt die russischsprachige Wochenzeitung. Ein Beitrag handelt von der Essener Tafel, ein weiterer vom Vorschlag, den Text der deutschen Nationalhymne zu ändern. Zeitungs-Business as usual?

Am 3. Januar eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Reline Intermedien Verlags GmbH, wie aus einer Bekanntmachung im Unternehmensregister hervorgeht. Laut Claudia Fendel, der sachbearbeitenden Rechtsanwältin des Verfahrens, wurde der Geschäftsbetrieb des Verlags gemeinsam mit einer weiteren Gesellschaft der Rusmedia Gruppe, der Rusmedia RR GmbH, auf eine neu gegründete Gesellschaft namens Reline Newmedia GmbH übertragen – und damit auch die „Russkaja Germanija“ mit ihren Regionalausgaben für Berlin und Nordrhein-Westfalen.

Die Printkrise macht vor der russischen Wochenzeitung nicht Halt, dennoch macht die Redaktion weiter: „Wir haben viele Werbekunden verloren, hatten höhere Ausgaben, darunter die Preiserhöhungen der Deutschen Post“, erklärt Swetlana Lekach, Mitgründerin der 1996 in Berlin entstandenen Zeitung. „Dennoch haben wir in den vergangenen Jahren niemals unsere Preise erhöht.“ Im Unterschied zu anderen Blättern, bei denen die Auflagen einbrachen, hat die „Russkaja Germanija“ kaum Leser verloren. Mit rund 57.000 bundesweit verkauften Exemplaren blieb ihre Auflage in den vergangenen zweieinhalb Jahren relativ konstant. „Die Leser sind unser Stolz, unsere Schatzkammer“, sagt Lekach. Sie blieben der Zeitung treu.

Groß sei der Wunsch, weit weg von der russischen Heimat eine Zeitung in der Muttersprache zu lesen. 52.000 Menschen mit russischem Migrationshintergrund leben laut Amt für Statistik in Berlin. Wöchentlich berichtet die „Russkaja Germanija“ in russischer Sprache über Nachrichten aus Deutschland und der Welt sowie über Themen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Vier Seiten mit privaten Kleinanzeigen sind fester Bestandteil des Blatts. Die Redaktion will sich weder auf die Seite der Putin-Befürworter noch auf der Seite der Kritiker schlagen. Während der Ukrainekrise beispielweise bemühte man sich um Zurückhaltung.

Im Zuge der Insolvenz musste der Verlag den Einzelverkauf- und die Abopreise anheben: „Wir sind dazu gezwungen, um überleben zu können“, sagt Lekach. 2,20 Euro kostet die Zeitung jetzt am Kiosk. Neu ist auch, dass der Zeitung die TV-Zeitschrift „7+7ja“ beiliegt, früher ein eigenständiges Magazin, heute ein Supplement in abgespeckter Form. Abonnenten der „7+7ja“ bekommen diese mitsamt der „Russkaja Germanija“ beziehungsweise deren jeweiliger Regionalausgabe.

„Ich war glücklich, dass ich in Berlin auf Russisch schreiben durfte“

Unmut herrscht unter einigen Mitarbeitern, die im Zuge der Insolvenz und bereits davor entlassen wurden: „Ich stehe unter Schock“, sagt eine Ex-Mitarbeiterin, die Kolumnen auf Honorarbasis schrieb. „Wir haben am 3. Januar einen Brief vom Insolvenzverwalter bekommen, wonach wir nicht mehr beschäftigt sind.“ Sie sei enttäuscht darüber, dass sie wochenlang nicht über die Zukunft der Zeitung informiert wurde. Sie fürchte außerdem, dass die Qualität des Blattes durch die Entlassungen nachlasse.

Nach Angaben von Chefredakteur Boris Feldmann wurden 22 von rund 40 Angestellten der Wochenzeitung sowie der „7+7ja“ nach der Insolvenz übernommen. Auch freie Mitarbeiter würden weiterhin beschäftigt, sagt er. An ein Aus für die „Russkaja Germanija“ sei nicht zu denken: „Die Wochenzeitung erscheint weiterhin ohne Pause, ich hoffe noch jahrelang.“ Der Sender „Radio Russkij Berlin“, der zur Rusmedia-Gruppe gehört, sei nicht von der Insolvenz betroffen. Weiterhin erscheint auch das monatliche Gesundheitsmagazin „Recepty Zdorovja“.

Swetlana Lekach betont, dass unter den Entlassenen keine Journalisten seien. Die Qualität der Zeitung leide nicht unter den neuen Bedingungen: „Es ist unsere Aufgabe, die Qualität der Zeitung zu halten. Wir sind stolz und zufrieden, dass unsere einzigartige Zeitung weiterhin existiert.“ Die angestellten Mitarbeiter seien schon vor der Insolvenz über das Verfahren informiert worden, es könne allerdings sein, dass dies nicht auf alle freien Mitarbeiter zutreffe, sagt Lekach.

Die Enttäuschung und der Ärger bleiben: „Ich war glücklich, dass ich in Berlin auf Russisch schreiben durfte“, sagt die gekündigte Kolumnistin, die Möglichkeit dazu gebe es kaum woanders. Sie versucht nun, in anderen Zeitungen ihre Texte auf Russisch zu veröffentlichen. Die Leserschaft dafür gibt es.

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