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Ob singend oder sprechend, David Hasselhoff sucht weiterhin und überall und jederzeit nach Freiheit. Auch um die Freiheit im Internet kümmert sich „The Hoff“.

© dpa

re:publica: David Hasselhoff & Sascha Lobo: Die Freiheit, die sie meinen

Zwei Pop-Ikonen dominieren den ersten re:publica-Tag. Nur einer kann überzeugen.

Als er die Bühne betritt, erhebt sich die Menge. Jetzt nicht für Standing Ovations, sondern um den kuriosen Moment per Smartphone festzuhalten. David Hasselhoff auf der wichtigsten Internetkonferenz Europas? Das muss geteilt werden.

Er ist gekommen, um am ersten re:publica-Tag über Freiheit und Privatsphäre im Netz zu sprechen. Beknackte Idee. Oder gar nicht so abwegig. Schließlich hatte Hasselhoff vor 25 Jahren den Überhit „Looking for Freedom“, spielt seither Freiheitskämpfer. Zudem weiß er, wie sich mangelnde Privatsphäre anfühlt. In seiner Alkoholikerzeit filmte ihn die eigene Tochter dabei, wie er sturzbetrunken am Boden dahinvegetierend einen Cheeseburger aß. Das Video landete auf „Youtube“, wurde elf Millionen Mal angeschaut. In nur drei Tagen.

Nicht unwahrscheinlich, dass auch sein Auftritt bei der re:publica als Lachnummer endet. Bloß ist zunächst nicht recht klar, wer hier eigentlich wen verschaukelt. „Ich liebe Internet-Nerds“, bekennt der Sänger gleich zu Beginn.

Kerzengerade steht er da in seinem notorisch weit aufgeknöpften Hemd. Die Hände dicht vor sich beieinander, was an eine verrutschte Merkelraute erinnert. Hasselhoff betont, wie sehr er sich für die digitale Freiheit einsetzen möchte. Und dass er die weltweite Massenüberwachung, die Edward Snowdens Enthüllungen ans Licht brachten, „ein bisschen unheimlich“ finde. Dann wird ein Freiheitsmanifest vorgestellt, dessen Botschafter Hasselhoff sein soll. Leider entpuppen sich die Forderungen als Plattitüden-Sammlung. Schließlich wird es noch richtig peinlich: Ein Zuhörer will wissen, wie der Sänger eigentlich die Taten Snowdens bewerte. Das sei ein zweischneidiges Schwert, druckst Hasselhoff rum. Einerseits sei es natürlich ehrenwert, dass Snowden die Menschen wachgerüttelt habe. Andererseits „eine schlechte Sache“, weil der Whistleblower Namen genannt und somit Unschuldige in Gefahr gebracht habe. Das ist zwar Unfug, doch die Besucher in der Halle lassen es ihm kollektiv durchgehen. Kein einziger Pfiff, bloß Schweigen. Ist das Respekt vor einem abgestürzten Kindheitshelden – oder die eigene Unsicherheit? Jedenfalls ist es die erste große Enttäuschung der re:publica. Wenn die Netzgemeinde sogar einen David Hasselhoff mit Stumpfsinn davonkommen lässt, wie will sie es da mit den Mächtigen aufnehmen?

Zum Glück tritt später noch eine zweite umstrittene Pop-Ikone auf: Sascha Lobo, der wichtigste deutsche Blogger, von vielen bewundert, von anderen gehasst. Die Parallele zu Hasselhoff ist offensichtlich.

Seine Vorträge haben auf diesem Kongress Tradition. Aber während sich Lobo sonst bereits vorab für miese Vorbereitung entschuldigt und dann tatsächlich vor allem Unausgereiftes und halbgeglückte Pointen liefert, wirkt er heute, als habe er ein Anliegen. Richtig wütend ist Sascha Lobo. Einerseits auf die Anwesenden, die sich viel zu wenig für die Freiheit des Netzes einsetzten – die zwar gern Petitionen twitterten, aber nicht bereit seien, Aktivisten mit Spenden zu unterstützen. Andererseits auf die Bundesregierung, deren Nichtaufklärung der Snowden-Affäre er für eine Unverschämtheit hält. Überhaupt handele es sich gar nicht um eine Affäre, sondern um „einen Meteoriteneinschlag ins Internet“. Es ist die ambitionierteste, kämpferischste Rede des ersten Tags. Der Blogger ruft dazu auf, bei der Beschreibung des Skandals nicht mehr auf abgenutzte Orwell- und Stasi-Vergleiche zu setzen, sondern neues, aggressiveres Vokabular zu benutzen. Den politischen Gegner zu brandmarken. Über „Spähangriffe“ und „Spitzelattacken“ solle sich künftig laut beschwert werden, über die „Spähradikalen“, die aus „Kontrollsucht“ handelten und deren „Spähfanatismus“ gezügelt werden müsse. Vor allem sollten sich die Netzaktivisten nicht mehr als „Hobby-Lobbyisten, sondern endlich als echte, ernstzunehmende Lobbyisten“ begreifen. Bei allen Vorbehalten, die man sonst gegen den egomanischen Selbstvermarkter Lobo vorbringen kann: An diesem Tag tut er der versammelten Netzgemeinde sichtlich gut.

Nicht so David Hasselhoff. Nach einer halben Stunde auf der Bühne wirkt der Sänger nur noch wie ein Tanzbär, der vorgeführt wird. Schlimmer noch: der sich gern vorführen lässt. Am Ende fragt ein Zuschauer: „Kannst Du bitte Deinen Song singen?“ Erst will sich Hasselhoff verweigern, sein Gastgeber sähe das nämlich nicht gern, dies sei schließlich eine ernsthafte Veranstaltung. Als einer in der Menge die erste Songzeile anstimmt, gibt Hasselhoff nach und legt los. Schwamm drüber, er hat in seinem Leben schon deutlich Peinlicheres überstanden.

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