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Glimmende Zwerge. In Nähe der Sonne wurden die beiden braunen Zwerge WISE J0254+0223 (l.) und WISE J1741+2553 entdeckt. Markiert sind auch die Positionen der Objekte in einer früheren Himmelsdurchmusterung im nahen Infrarotlicht vor etwa zehn Jahren.

© AIP, NASA/IPAC Infrared Science

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Ein Team vom Potsdamer Institut für Astrophysik hat zwei verborgene Zwergsterne aufgespürt

Eine unerwartete Entdeckung haben Potsdamer Astronomen gemacht. In relativer Nähe unserer Sonne haben Forscher des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) zwei bislang verborgene „braune Zwerge“ entdeckt. Als brauner Zwerg wird in der Astronomie eine massearmer Stern mit geringer und ständig abnehmender Strahlkraft bezeichnet. Die Entdeckung wurde durch neue Daten des NASA-Satelliten Wise (Wide-field Infrared Survey Explorer) möglich. In den erst kürzlich veröffentlichten Satellitendaten fanden Ralf-Dieter Scholz und seine Kollegen vom AIP Hinweise auf die beiden neuen Nachbarn der Sonne. Sie tragen nun die Namen Wise J0254+0223 und Wise J1741+2553. Der Wise-Satellit wurde speziell für die Suche nach massearmen Sternen im Umfeld der Sonne entwickelt.

Nachdem die AIP-Forscher die beiden Sterne in den Satellitendaten dingbar gemacht hatten, war ihnen der Nachweis auch in älteren Daten aus dem Jahr 2000 gelungen. „Das war überraschend für uns, denn die Daten waren zuvor ausgiebig ausgewertet worden“, erklärte Ralf-Dieter Scholz den PNN. Schließlich erbrachte dieser doppelte Nachweis aber den endgültigen Beweis für die Existenz der beiden Nachbarsterne. Im Vergleich der Daten von 2000 und 2010 wurde auch eine starke Verschiebung – eine Eigenbewegung – der Sterne deutlich. „Dies deutete auf ihre unmittelbare Nähe hin, die durch den Vergleich ihrer Farben und Helligkeiten mit anderen Objekten bestätigt wurde“, so der Forscher. Die Ergebnisse der Potsdamer Astronomen sind jüngst als „Highlight“ in der August-Ausgabe der Fachzeitschrift „Astronomy and Astrophysics“ erschienen (www.aanda. org).

Nun erreichen Scholz zahlreiche Nachfragen aus der Fachwelt, wie die beiden braunen Zwerge entdeckt wurden. „Der auslösende Faktor waren die neuen Satellitendaten“, erklärt Scholz. Der Astrophysiker hat sich der Suche nach braunen Zwergen verschrieben, nachdem ihm klar geworden war, dass die Forschung über das unmittelbare Sonnenumfeld nur sehr wenig weiß. Früher habe auch er weit entfernte Objekte studiert, etwa Kugelsternhaufen im äußeren Halo unserer Milchstraße. „Heute schaue ich mich stärker in unserer Nachbarschaft um, denn die uns nächsten Sterne sind noch gar nicht alle bekannt“, erklärt Scholz.

Die beiden braunen Zwerge befinden sich rund 15 und 18 Lichtjahre von der Sonne entfernt. Das ist relativ nah, der sonnennächste Stern, Proxima, liegt im Abstand von etwas mehr als vier Lichtjahren. Die beiden nächsten bekannten braunen Zwerge, epsilon Indi Ba und Bb sind etwas weniger als zwölf Lichtjahre von der Sonne entfernt. Sie wurden vor wenigen Jahren ebenfalls am AIP aufgespürt.

Braune Zwerge gelten auch als „misslungene“ Sterne. Bei ihrer Entstehung konnten sie nicht genug Masse ansammeln, um die Kernfusion in ihrem Innern zu zünden, die als Energiequelle der Sterne dient. So verlieren diese Sterne mit der Zeit stark an Helligkeit. Sie glimmen sozusagen vor sich hin. Die Forschung vermutet, dass ihre Oberflächentemperaturen sogar unter der sogenannte „Backofentemperatur“ von 230 Grad Celsius liegen. In der Astronomie wird derzeit verstärkt nach solchen verborgenen Nachbarn der Sonne gesucht. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass uns ultrakühle braune Zwerge in ähnlich großer Zahl wie Sterne umgeben, und unser tatsächlich nächster Nachbar nicht Proxima sondern ein brauner Zwerg ist“, so die Potsdamer Forscher.

Die beiden neuen Zwergsterne waren durch den extremen Kontrast zwischen ihrer starken Helligkeit im Infrarotlicht und ihrer kaum noch sichtbaren Erscheinung im optischen Licht aufgefallen. Das hellere Objekt sei zum Zeitpunkt der Entdeckung gerade am Nachthimmel sichtbar gewesen. Das AIP-Team konnte daher mit Hilfe von Beobachtungen am Large Binocular Telescope (LBT) in Arizona/USA den Spektraltyp und die Entfernung noch genauer bestimmen. Beide Objekte gehören zu den bislang kühlsten Vertretern der braunen Zwerge.

Mit ihrer Entdeckung im Jahr 1995 hatten die braunen Zwerge das gängige astronomische Weltbild auf den Kopf gestellt. Für einen regulären Stern sind sie zu klein und zu kalt, für einen Planeten aber zu warm und massereich. Bis heute geben die Zwergsterne den Astronomen immer neue Rätsel auf. Das große Interesse an den „Zwergen“ erklärt Scholz damit, dass jeder neu entdeckte braune Zwerg in unserer Nähe für die Astrophysik neue Aufschlüsse ergibt. Durch seine Nähe könne er detailliert untersucht werden, auch im Hinblick auf eventuell vorhandene Planeten, zudem könnten Spektren aufgenommen werden. Die Häufigkeit der braunen Zwerge würde mittlerweile auch eine grundsätzliche Frage aufwerfen. Nämlich ob ein herkömmlicher Stern wie die Sonne oder die als fehlgeschlagenen Sterne bezeichneten braunen Zwerge der Normalzustand von Sternen sind.

„Der Prozess der Sternentstehung ist eine Art Konkurrenzkampf um das Gas in einer Wolke“, erklärt der Potsdamer Astrophysiker. In einer sich zusammenballender Gaswolke entstehen mehrere Sterne und eben auch braune Zwerge. „Bisher gehen wir davon aus, dass braune Zwerge wie Sterne entstehen.“ Es könne aber auch sein, dass sie wie Planeten in den sogenannten Akkretionsscheiben um Sterne herum entstehen. „Das ist noch nicht geklärt“, sagt Scholz. Je mehr braune Zwerge die Forscher entdecken, desto genauer könnte diese Fragen beantwortet werden. „Wir werden unsere Suche intensiv fortsetzen.“

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