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Die Potsdamer Zeithistoriker vom ZZF diskutierten über Vor- und Nachteile von Auftragsforschung

Unterstützte die Dresdner Bank den Bau des Konzentrationslagers Auschwitz? Unter anderem dieser Frage geht ein vierbändiger, 2372 Seiten starker Bericht einer Historikerkommission unter der Leitung von Klaus-Dietmar Henke nach. Die Bank finanzierte die Forschung. „Erst ganz zum Schluss sind wir auf die Unterlagen gestoßen. Bei Nacht und Nebel sind wir dann nach Auschwitz gerast und haben dort noch einmal im Archiv nach weiteren Hinweisen gewühlt“, berichtete Henke anschaulich. Obwohl die Bank den Bericht finanzierte, entspricht er allen wissenschaftlichen Standards. Einen Unternehmenssprecher, der eine kritische Passage im Vorhinein abmildern wollte, entließ die Bank nach der Veröffentlichung.

Entfaltet sich bei der Vergabe von Forschungsaufträgen durch die Privatwirtschaft also das freie Spiel der Kräfte und fördert so eine lebendige Forschungslandschaft, oder handelt es sich eine zielgerichtete Lenkung der Zeitgeschichte? Diese Frage stellte der Historiker Hans Mommsen bei einer Diskussion, zu der das Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) unlängst eingeladen hatte.

Einerseits werden die Mittel für Forschung und Wissenschaft in Bundes- und Landeshaushalten derzeit stetig zusammengestrichen. Andererseits nimmt aber das Interesse an zeitgeschichtlicher Forschung zu. Deshalb spekulierten die auf dem Podium versammelten Historiker, ob von privater Hand in Auftrag gegebenen Forschung diese Lücke angemessen schließen könne. Sie bejahten die Frage verblüffend einhellig.

Die ausnahmslos männlichen Vertreter der Historikerzunft betonten, dass bei entsprechenden Forschungsvorhaben wissenschaftliche Standards eingehalten werden müssen. Dies sei aber auch in der Regel der Fall, schließlich gebe es Richtlinien. „Die Quellen müssen offen gelegt werden und auch für Dritte zugänglich sein“, erklärte Johannes Bähr.

Gerade das war aber bei einem Forschungsvorhaben von Gregor Schöllgen, der ebenfalls auf dem Podium saß, nicht der Fall. Der Direktor des „Zentrums für angewandte Geschichte“ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen hatte für die Familie Schickedanz deren Unternehmensgeschichte untersucht. Beim Aufbau ihres Versandhauses „Quelle“ profitierte die Unternehmerfamilie nicht unerheblich davon, dass sie Immobilien und Unternehmen erwarb, die zuvor jüdischen Eigentümern gehörten. Dennoch versteigt sich der Historiker Schöllgen zu der Aussage, für entsprechende Unternehmen seien „zeitgenössisch übliche Preise“ gezahlt worden, die „nicht unter der Anstandsgrenze“ gelegen hätten. Diese Wertungen stießen bei Fachkollegen auf deutliche Kritik. Dieter Ziegler, Wirtschaftsgeschichtler von der Ruhr-Universität Bochum, wies darauf hin, dass es ja gerade ein Charakteristikum der Arisierung gewesen sei, dass sie formal legal auf der Grundlage der vom NS-Regime geschaffenen Gesetze stattgefunden habe. Der Bericht von Schöllgen komme ihm vor wie der „berühmte Pudding, den ich versuche an die Wand zu nageln“, so Ziegler. „Ich schreibe Unternehmensgeschichte als Biografie“, bekannte Schöllgen. Das schließt laut Ziegler dann allerdings auch ein, keine exakten Zitate und Quellenangaben zu machen.

„Bei der Auftragsforschung herrscht eine Verquickung von Forschung und Interesse wie sie sich Habermas nie vorgestellt hätte“, stellte der Direktor des ZZF, Martin Sabrow, fest. Er bedauerte ein wenig, dass eine wirklich kontroverse Diskussion nicht in Gang kam. Selbst der Journalist Klaus Wiegrefe vermochte die von privater Seite finanzierten Forscher nicht aus der Ruhe zu bringe. Wiegrefe schilderte, wie ein Bericht über die Unternehmerfamilie Quandt, die ebenfalls erhebliche Summen während der Zeit des Nationalsozialismus akkumulieren konnte, wissenschaftlich tadellos verfasst und veröffentlich wurde. Begleitende Interviews der auch heute noch recht wohlhabenden Familie entschärften die Veröffentlichung aber so weit, dass sie sehr schnell wieder aus den Feuilletons verschwand. „Was mit dem Bericht nachher passiert kann der Autor jedenfalls nicht beeinflussen“, resümierte Wiegrefe.

„Es gibt gegenwärtig ein starkes Interesse an der Zeithistorie und insbesondere an der Aufarbeitung der Nazizeit. Das kann die universitäre Forschung überhaupt nicht befriedigen“, stellte Klaus-Dietmar Henke fest. Deshalb würden viele Historiker in privatem Auftrag forschen. Zudem gründeteten sich entsprechende freiberufliche Bürogemeinschaften, ergänzt der Privatdozent Johannes Bähr, der auf ebensolcher Grundlage forscht.

Richard Rabensaat

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