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Auf einer Wellenlänge. Eva Schmitt-Rodermund hatte schnell das Gefühl, gut zur Potsdamer Fachhochschule zu passen.

© Anne Günther, Uni Jena

Potsdams neue FH-Präsidentin: „Eine Hochschule muss dem Ort etwas geben“

Exklusiv: Die zukünftige FH-Präsidentin Eva Schmitt-Rodermund spricht in einem ersten Interview über ihre Ziele, drängende Aufgaben, unerwartete Herausforderungen und darüber, was sie an Potsdam reizt.

Frau Schmitt-Rodermund, ich erreiche Sie gerade nach einer Wanderung durch das schöne Saaletal. Was hat Sie dazu bewogen, von Jena nach Potsdam zu kommen?

Ich wollte einfach noch einmal etwas Neues anfangen. Ich habe in den vergangenen Jahren so viel Erfahrung gesammelt und mich mit so vielen verschiedenen Bereichen befasst, dass ich das nötige Rüstzeug für einen Neubeginn habe. Ich habe die längste Zeit meines Lebens in Jena verbracht, insofern war es Zeit für einen Wechsel.

Was hat Sie dabei gerade an der Fachhochschule Potsdam gereizt?

Ich hatte schon genau hingeschaut, wo ich mich bewerbe. Potsdam hat mir zugesagt, weil die FH hier eine spannende Fächerkombination hat. Hier ist man unterwegs in den Bereichen Bau und Architektur, Informationswissenschaft und Design, auch gibt es Fächer, zu denen ich einen direkten inhaltlichen Bezug habe, etwa frühkindliche Bildung oder Soziale Arbeit. Das hat mir gefallen. Und das sind Themen, die auch globale Bedeutung haben – und aus denen man interdisziplinär tolle Sachen machen kann.

Zum Beispiel?

Denken Sie nur an die 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO, eines davon ist nachhaltige urbane Entwicklung. In so einem Kontext lassen sich Fördergelder einwerben, dazu kann man etwas entwickeln.

Welche Rolle hat die Stadt Potsdam und die Region für den Wechsel gespielt?

Natürlich ist das hier eine sehr attraktive Region. Ich wollte gerne in den Norden Deutschlands gehen. Auch ist die Gegend durch die Nähe zu Berlin sehr interessant.

Sie wollen also ganz nach Potsdam ziehen?

Eigentlich ist das der Plan, nun müssen wir aber erst einmal sehen, wie wir das in der Familie hinbekommen. Wir wissen noch nicht, wie schnell wir in Jena unsere Zelte abbrechen können. Aber Potsdam soll der Lebensmittelpunkt werden.

Sie haben sich in Jena auch für die Kommune engagiert – haben Sie das in Potsdam ebenfalls vor?

Die Zusammenarbeit mit der Stadt ist mir ein wichtiges Anliegen. Ich habe beispielsweise in Jena mit der Wirtschaftsförderung zusammengearbeitet, habe bei Stadtentwicklung und -marketing mitgewirkt. Das ist wichtig: Eine Hochschule muss dem Ort etwas geben und umgekehrt. Das ist ein Zusammenspiel, das ich auch für Potsdam für bedeutsam halte. Darin will ich mich auch hier gerne engagieren.

Hat Sie das recht eindeutige Ergebnis, mit dem der Senat der Fachhochschule Sie zur neuen Präsidentin der Hochschule gewählt hat, überrascht?

Überrascht ist der falsche Ausdruck. Bei der Vorstellung im Senat war schnell das Gefühl da, dass sich ein guter Kontakt einstellte, dass ich mit den Studierenden, Mitarbeitenden und Dozentinnen und Dozenten auf einer Wellenlänge war. Ich hatte den Eindruck, dass das passen könnte. Insofern war ich nicht wirklich überrascht, auch wenn es bei einer Wahl natürlich immer auch ganz anders kommen kann.

Was wollen Sie als Erstes machen, wenn Sie das Amt angetreten haben?

Natürlich erst einmal die Themen und FH-Mitglieder gut kennenlernen. Andererseits werden wir uns dann relativ schnell mit den Zielvereinbarungen mit dem Land befassen müssen, die 2019 neu abgeschlossen werden. Da wartet eine Menge Arbeit. Wir werden uns verständigen müssen, was wir wollen und welche guten Entwicklungen verstetigt werden sollen. Zum anderen wünsche ich mir aber auch, dass sich innerhalb der Hochschule das ein oder andere tut, gerade auch mit Blick auf die Studierenden.

Wie meinen Sie das?

Ich würde gerne noch mehr zu interdisziplinären Programmen kommen, die den Studierenden das mitgeben, was sie heute brauchen. Die Absolventinnen und Absolventen bewegen sich heute auf einem sehr viel stärker globalisierten und spezialisierten Markt als früher, sie müssen Kenntnisse und Fähigkeiten haben, an die früher weniger gedacht wurde. Etwa sich perfekt auf Englisch zu verständigen, oder den Transfer hinzubekommen, aus dem, was sie gelernt haben, hin zu den Umständen, die sie erwarten. Es kann heute nicht mehr alles an der Hochschule vermittelt werden, was man potenziell bräuchte. Wir müssen den Studierenden vielmehr vernünftige Werkzeuge an die Hand geben, zum Beispiel im Bereich der Digitalisierung oder der sprachlichen Verständigung oder eben auch mit Blick auf neue interdisziplinäre Ideen. Wenn jemand über die Entwicklung von Städten sprechen will, dann reicht es nicht, wenn nur über die Bedürfnisse der Menschen oder dazu passende Neubauten nachgedacht wird. Er oder sie muss beispielsweise auch etwas über Kanalisation und Wasser wissen, über Energie, Wirtschaft, Verkehr, Möglichkeiten der Digitalisierung und vor allem auch über Nachhaltigkeit und demografische Entwicklung. Wir müssen die Themen ganz neu entwickeln.

Und lebenslanges Lernen...

... genau, das ist das nächste Thema, das große Thema Transfer. Hier macht die Hochschule schon sehr viel. Aber auch da kann man weiterdenken. Mir schwebt zum Beispiel vor, für kleine und mittelständische Unternehmen aus der Region eine Art Baukasten vorzuhalten: mit Angeboten der Hochschule, die sie für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Weiterbildung und für das lebenslange Lernen nutzen können. Das kann bis zu neuen dualen Studiengängen gehen, das können aber auch kleinformatigere Dinge sein. Ein anders Thema ist Kooperation, nicht nur mit der Uni Potsdam, wo es bereits viele Dinge gibt, sondern auch mit anderen Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen. Wenn man sich im Bereich Drittmittel zu größeren Zahlen bewegen will und dabei auch internationaler werden möchte, was mir für die FHP vorschwebt, dann braucht man mehr kritische Masse und es müssen neue Kooperationen entstehen. Das will ich gerne weiterentwickeln – und dazu habe ich viele Kontakte, die ich nutzen kann.

Haben Sie an der Fachhochschule auch ein Problem erkannt, das besonders drückt?

Sicher kann man überlegen, ob die Kommunikation optimal ist, ob die Mitglieder bereits so miteinander arbeiten, dass dabei etwas Gemeinsames herauskommt. Das ist sicherlich noch nicht überall ausgeprägt genug. Das sind aber eher Aufgaben, die anstehen und weniger Probleme.

Die Fachhochschule ist nach wie vor von Studierenden stark nachgefragt, auch wegen der Berlinnähe. Sollte sie noch weiter expandieren?

Ich bin gut genug verwaltungssozialisiert, um zu wissen, dass das zwar seinen Reiz hat, weil dadurch mehr Mittel ins Haus kommen. Gleichzeitig haben höhere Studierendenzahlen aber auch Grenzen. Erst einmal gibt es Kapazitäten, zum anderen muss man für eine gute Qualität sorgen. Ich sehe zurzeit nicht den Bedarf, die Studierendenschraube weiter hochzudrehen, das ist in den Vorgaben des Lands auch so nicht vorgesehen.

Haben Sie den Eindruck, ein gut bestelltes Haus zu übernehmen?

Auf jeden Fall. Andererseits ist nichts so gut, dass es nicht noch verbessert werden könnte. Hochschulen sehen sich heute ganz neuen, vielfältigeren Herausforderungen gegenüber, die Konkurrenz ist größer geworden, um Ressourcen zum Beispiel. Wir müssen uns insgesamt mehr drehen. Und wir wissen noch gar nicht, welche Themen uns in den nächsten Jahren erwarten.

Ihr Vorgänger Eckehard Binas musste sich für eine als sexistisch gedeutete Äußerung vor dem Senat der Fachhochschule entschuldigen. Welche Rolle wird für Sie das Thema Geschlechtergerechtigkeit und Gender spielen?

Das muss eine große Rolle spielen. Wobei ich das Thema noch weiter auf Chancengleichheit bei Diversität bezogen sehe. Es geht um die Unterschiedlichkeit der Menschen, die nicht dazu führen darf, dass es unterschiedlich gute Möglichkeiten gibt, sich in einem solchen System zu entwickeln. Das ist mir genauso wichtig für Frauen wie auch beispielsweise für Menschen mit Handicap, ausländische Studierende oder auch gestandene Berufstätige, die im höheren Lebensalter an die Hochschule kommen und sich weiterbilden möchten. Alle brauchen ihre Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten. Das ist mir wichtig, ich will das breiter sehen, nicht nur auf Frauen bezogen.

Was bringen Sie als Psychologie-Professorin an die Fachhochschule mit?

Ich habe eine ziemlich breit gefasste Vita. Einerseits habe ich als Wissenschaftlerin international vernetzt zum Thema Gründung und Entrepreneurship gearbeitet und dabei auch intensiv mit der FH in Jena kooperiert. Ich weiß, wie man Verbundanträge für verschiedene Hochschulen stellt. Zum anderen bringe ich Verwaltungserfahrung und Kompetenz im Wissenschaftsmanagement mit. Das ist wichtig. Als Hochschulleitung muss man die Realitäten kennen, wissen welche Forderungen die Finanzämter stellen, welche Wünsche die Länder haben, wie ein Wirtschaftsprüfer sich Hochschulen anschaut. Es gibt Leitplanken, in denen man sich bewegen muss. Und die kenne ich ganz gut. Zum andern habe ich als Psychologin Organisationsentwicklung betrieben – das ist gerade an Hochschulen sehr schwierig, wo es oft parallele Strukturen gibt, in denen jeder vor sich hin arbeitet und am Ende nichts Gutes herausbekommt. Hier etwas ändern zu können, das ist etwas Besonderes, das ich mitbringe.

Das Interview führte Jan Kixmüller

Eva Schmitt-Rodermund (53) wurde am vergangenen Mittwoch im ersten Wahlgang mit 9 von 13 Stimmen zur neuen Präsidentin der Fachhochschule Potsdam gewählt. Sie wird ihr Amt voraussichtlich Anfang 2019 antreten und den amtierenden Präsidenten Eckehard Binas ablösen. Eva Schmitt-Rodermund stammt aus dem Ruhrgebiet und hat Psychologie in Gießen studiert. Sie promovierte und habilitierte an der Friedrich-Schiller Universität in Jena, dort ist sie außerplanmäßige Professorin für das Fach Psychologie. Seit 2010 ist sie hauptamtliche Stellvertreterin des Kanzlers und Dezernentin für Akademische und Studentische Angelegenheiten.

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